Sonntagsgespräch mit Michel van Ausloos

Genannte Namen  Lager  Print 15 pp

Transkription von das Sonntagsgespräch mit Michel van Ausloos - 23.2.1991.
Ebenfalls mit anwesend Herbert Schemmel
  
Neuengamme - Archiv - nr 1706  

   

Moderatorin: Ich darf sie begrüßen zu unserem heutigen Sonntagsgespräch. Wie sie wahrscheinlich auf der Einladung, auf dem Programmzettel gesehen haben, ist heute hier anwesend Michel van Ausloos, der gekommen ist aus Brüssel. Also einen sehr langen Weg hinter sich hat, um an diesem Wochenende hier sein zu können. Ich kann es ihnen ja sagen, er ist vor wenigen Wochen 75 Jahre alt geworden. Aber das sieht man ihm überhaupt nicht an. Ich denke auch, wenn sie ihn erzählen hören, er ist also noch sehr jung im Kopf und im Herzen. Ich denke auch, daß das mit der deutschen Sprache klappen wird. Wenn es gar nicht hin haut, werde ich versuchen, das auf Französisch zu übersetzen, was er auf Französisch sagt zu übersetzen. Oder wenn sie Fragen haben, da die Verständigung aufrecht zu erhalten.

Ich denke, Herr van Ausloos wird erst einmal seine Person, seinen Lebensweg kurz selber vorstellen. Sein Weg, der ihn hierher nach Neuengamme ins Konzentrationslager geführt hat. Dann ist auf jeden Fall die Zeit und die Gelegenheit, daß sie die Fragen stellen können, die er sich bemüht zu beantworten.

M.v.A.: Ich bin ein belgischer Polizist, vor Krieg, im Krieg und nach dem Krieg. Jetzt ich bin in Pension. Ich bin zu alt. 75 Jahr. Ich bin verhaftet am 20. Februar 1942 im Polizeikommissariat in Brüssel. Ich bin 5 Monate im Gefängnis in Brüssel gewesen, 4 Monate in Leuwen, eine gute Woche in Aachen und am 5. Dezember 1942 hier in Neuengamme. Das war ein Sonnabend. Den Sonntag, 6. Dezember, das war das erste Mal, daß die Häftlinge können an ihre Familien schreiben. Die anderen Karte, die erste Karte. Sie haben bemerkt, daß die Ordnung vom Lager ist auf dem Brief geschrieben, und die erste Konzentrationslager Neuengamme war unsere Zeit, daß sie noch Männer und Frauen, die sagten, im Konzentrationslager, das stimmt nicht. Das gab es nicht. Das ist geschrieben nicht von uns, von die SS. Am 10. Februar ich habe begonnen die Arbeit in einem Kommando im Lager, das heißt Fertigungsstelle. Wir müssen Lore mit Sand, Zement oder kleinen Steinen schieben auf Schienen für die Melallwerkbau. Das war ungefähr zwei Kilometer. Und die Schienen, das waren Stücke Schienen ohne richtig gemacht.

H.Sch.: Sie waren nicht richtig befestigt, sie wurden einfach auf die Erde gelegt. Und immer vier Mann an einer Lore. Also nur [...] an einer Lore,

M.v.A.: Nein, nein, zu dieser Zeit nicht. Acht und nach elf Tagen zehn. Das sind fünf, die können arbeiten. Die anderen, die mit der Schaufel, die kamen nicht mit der Arbeit und mit der Plakette. Das geht nicht. ...

Moderatorin: Er beschreibt jetzt, wie die Menschen diese Lore schieben mußten. Die Plakette, die er erwähnt hat, das sind diese einfachen Holzschuhe, die die Leute nur halten, hier im Lager. Er beschreibt jetzt, wie die Loren geschoben wurden. Zwei mußten jeweils auf den Schienen balancieren und schieben. Einer war in der Mitte, der mußte dann immer von Schwelle zu Schwelle vorwärts gehen.

M.v.A.: Und zwei an die Ecke, ein anderer an die andere Ecke. Die anderen Leute waren das Kommando, die kamen nicht Arbeiten. Keine Platz. Und als die SS oder Kapo oder Vorarbeiter sieht das, der kommt mit Gummi und schlagen nach die Leute.

Moderatorin: Es konnten halt nur funf Leute schieben, und wenn jetzt mehr eigentlich zu der Arbeit eingeteilt waren, war es nicht ihr Fehler, wenn sie nicht mitschieben konnten und beiseite standen, stehen mußten. Und das hat die SS aber wenig gekümmert.

M v A : Mit die Lore waren nicht Arbeit, nur Lore. Das Lore mit einem Kubikmeter und [...]. 
H.Sch.: Kipploren. Wir haben sogar noch draußen so alle stehen. So Kipploren.

M.v.A.: Und die Räder, das ist ein [...], und da muß Fett machen. Die Fette, das nicht gesehen. Und aus den Schienen sprungen immer.

Moderatorin: Die bewegten sich, weil sie nicht fest waren.

H.Sch.: Wie gesagt, Feldbahngleise, die von Fall zu Fall verlegt wurden, also nicht fest etwa in der Erde festgeschraubt waren, sondern die teilweise dann auch weg transportiert wurden, weil jetzt an anderer Stelle die Loren gebraucht wurden. Sprangen weg, sagt er, teilweise.

M.v.A.: Einmal, das ist eine Lore, die sprung weg. Die SS sehen das, nahmen eine Schaufel und kommen gegen die Leute und schlagen, wegen alles weg. Eine andere Lore, und meine Bein ist zwischen die zwei Loren gepackt. Waren nicht gebrochen, waren verwundet. Nach zehn Tagen ich habe gearbeitet, nochmal Arbeit, noch ein Tag Arbeit. War ein Moment [...] auf meine Bett. Das geht nicht mehr. Ich schmerze. Ich gehe an die Revier. Revierfuhrer besucht die Arzt. Das ist ein SS-Arzt. Mit zwei Pflegern, die da ist, um andere Häftlinge für [...]. Das ist eine Freund von mir, die so ist, heißt George Etienne. Die war Schonung, die hat Fieber. Und er kommt für eine Aspirin oder etwas. Und die SS geben so einen Schlag. Mein Kamerad geht drei Meter zurück und die anderen auch und ich auch. Und die SS sagen, die Nächste. Ich gehe. Die SS sehen in meine Augen, ich auch, und er fragt, was haben sie? Meine Beine lasse sehen, und es war ganz rot. Und die SS sagt, Bau, Schonung zehn Tage. Nur was ich bin der erste zurück. Das ist Psychologie. Sie wollen mein Bein doch jetzt sehen. Für die Pflege wir haben in dieser Zeit Scheißpapier für die Bandagen.

H.Sch.: Klopapier anstelle von Verbandsmull, Binden. Es gab nur Papier. Es gab auch nur diese schwarze Salbe, diese Ichtyolsalbe.

M.v.A.: Ichtyol oder, weiß nicht. Ichtyol und Borsalbe. Das war die zweite Pomade, das war im Revier. Und Sepsog, die Sepsog, die kleine Flasche mit Rot. Das ist Jodtinktur. Mit diese Bandage, die Beine keine Luft kommt. Die kriegen Ekzeme. Einen Moment ich gehe noch mal und besuche den Arzt. Der sagt mir, ja, geh in Revier. An dieser Zeit, das war ein Revier, die heißt Revier I. Und das war das Revier für die Prominenten. Ich geh in ein Bett, [.,.] Julien Lau.

H.Sch.: Lau war der Thälmann von Belgien, der Führer der belgischen KPD, war hier auch als Häftling in Neuengamme, genau wie aus Dänemark hatten wir Axel Larsen, ebenfalls Präsident der dänischen KPD, und auch aus Holland hatten wir die drei Präsidenten der KPD als Häftlinge.

M.v.A.: Laeau. Sind beide geschlagen einen Monat. Und einmal wir gehen spazieren im Revier, wir gehen spazieren ein Sack. Wir sind hier gekommen von diese Tür. Wir gehen und reden, und da sehen wir das Krematorium. Und das Krematorium brennt, und ich habe gesagt, ich, ich gehe nach Hause. Ich bin nach Hause gewesen, als ich sehr krank sind. Die Moral gut ist, ich habe eine Chance bei guter Gesundheit daraus zu kommen. Und da im Lager, das war dieselbe, als die SS schlagen sie tot. Ich habe eine Chance für die Ende vom Krieg sehen. Das ist Moral. Ich habe auch gearbeitet im Holzkommando und Schonung in die Flechte, in der Flehterei in der Baracke, nicht im Neubau.

H.Sch.: Sie haben Netze geflochten für Panzer usw. So Tarnnetze aus allem möglichen Material. Es war ja alles knapp. Sie mussen arbeiten bis zum Schluß.

M.v.A.: Wir machten diese Flechten für die [...] Hamburg. Das war für Kissen und Laken für die Schiffe.

H.Sch.: So Fender. Sind auch gemacht worden.

M.v.A.: In dieser Zeil für die Häftlinge, die im Revier sind und die arbeiten am Flechten, das war ab 4 Uhr eine Zulage. Sie haben das gekannt?

H.Sch.: Eine Schwerarbeiter-Zulage. Aber die Rationen wurden ja ständig gekürzt. Wichtig zum Überleben war das Brot. Brot ist das Allerwichtigste, nicht die Suppe. Und nachdem, ich erzähle mal von mir, ursprünglich hatten wir mal in Sachsenhausen 39 500 g Brot pro Häftling und Tag. Also Kommisbrot, das sind  1500 g , 3 Kilo , wurde in drei Teile geteilt. Da wurde genau geteilt. Erst einmal genau, dann wurde da mit einem Messer geteilt, mit einem ganz dünnen Draht, abgewogen, damit jeder seins kriegte. Und der beliebteste war natürlich mit der Kanten. Also heute Kanten, morgen Mittelstück, übermorgen wieder Kanten. Da wurde ja ständig reduziert. Zum Schluß gab es nachher vielleicht 200 g .

M.v.A.: Eben, in Neuengamme, das waren nicht 500 g . In dieser Zeit, das war 225 g .

H.Sch.: Ja, so etwas um die  300 g . Wurde dauernd reduziert. Und aber, weil es normalerweise nicht ausreichte, bei der schweren Arbeit, die verlangt wurde, zum Überleben. Dann führte man. Ende 42, Stalingrad war so die Wende, plötzlich die Häftlinge sind einzusetzen für die Rüstungsindustrie als Arbeitskraft. Und sie ist nicht mehr willkürlich kaputt zu machen. Vorher spielte es gar keine Rolle, wie viele Tote wir hatten. Jetzt gab es plötzlich Schwerarbeiter-Zulagen. Aber nur für die Rüstungsindustrie, aber nur für kriegswichtige Betriebe. Und komischer Weise, die Flechterei, wo ja eigentlich, Muselmänner sagten wir, Kranke und Invaliden beschäftigt wurden, gehörte auch dazu, weil sie für bestimmte Rüstungsfinnen arbeiteten. Und die SS kassierte dafür, wohlgemerkt. Sie haben kassiert dafür, was die Häftlinge gemacht haben.

M.v.A.: Wir müssen 20 m von die Flechte machen in einem Tag. Für die 20 m um Viertel vor 4 Uhr ein Kamerad nimmt die ganze Flechte eine Seile, die andere Seite und trecken für einen Meter zwei Meter gewinnt für die Zulage.

H.Sch.: So weit, wie möglich, daß die zwanzig Meter erreicht wurden. 

M.v.A.: Keine 20 Meter , gab es keine Zulage. 

H.Sch.
: Es gab sogar zwei Scheiben Brot meistens 

M.v.A
.: Nein, eine. Ohne Margarine, nix, nix.

H.Sch.: Es haben einige auch zwei Scheiben Brot mit einem Stück Käse dazwischen. Es war unterschiedlich. Sie haben nur eine Scheibe Brot bekommen.

M v.A.: Morgens wir kriegen drei viertel von Kaffee. Eine Sorte Kaffee. Wasser mit Malz und

H.Sch.: Chicoree.

M.v.A.: Keine Chicoree, das ist Malz und eine Saccharin. Am Mittag wir kriegen einen Liter Suppe. Das ist Wasser mit zwei, drei [...]

H.Sch.: Das sind Steckrüben.

M.v.A.: [...] das war ganz gut. Und abends, also Appell fertig ist, wir kriegen Brot in einmal 225 g , ein Stück Margarine, eine karge Gummiwurst und einmal ein Löffel rote Marmelade. Und das ist fertig in Neuengamme. Das war die Typhusepidemie.

H.Sch.: Die Typhusepidemie, das war Anfang 42, hervorgerufen durch Läuse. Flecktyphus.

M.v.A.: Um diese Zeit haben alle, die Wasser getrunken haben, eine Karte streng verboten zu trinken.

H.Sch.: An den Wasserhähnen stand dran, trinken verboten.

M.v.A.: An die Fertigungsstelle, die Posten sehen einige Häftlinge, die gehen trinken, erschießt. Das ist streng verboten. Doch wir kriegen in einem Tag drei viertel Liter Trinken und Milch in die Suppe. Fertig.

H.Sch.: Ja, so einen Ersatztee gab es mitunter auch mal zu Trinken. Es war sehr unterschiedlich. Der Morgenkaffee, das war so ein Zeugs, es war warm. Das war das einzige. Aber es war sehr schlimm. Beispielsweise, wer zu viele von dem Zeug trank, der mußte befürchten, daß er diese Wassersucht bekam. Ödeme. Die sehen aus wie ein Pfannkuchen, die Leute. Und wenn sie den Daumen rein drücken, dann bleibt da ein Loch plötzlich. Das sind Ödem, eine sehr. Drückt dann auch auf das Herz nachher.

M.v.A.: Das sind die [...] die so einen Bauch aufgeschwemmt haben mit Wasser. Der Häftlingsarzt kommt mit einem Apparat, eine Drahtröhre mit einer Schüssel und das Wasser kommt. Diese Situation bleibt nicht lange anhalten. Eine, zwei Wochen und der Kamerad ist tot. Kriegt ein Ödem in der Lunge. Kann die Luft nicht nehmen und erstickt. Das ist das Fehlen von Vitaminen. Vitaminmangel. Und zweimal im Herbst 42 wir haben gekriegt Milch mit Erdbeeren.

Moderatorin: Zweimal in der Zeit wo sie hier waren. 

M.v.A.: Sonntags.

H.Sch.: Es wurde gearbeitet sechs Tage. Montag bis Sonnabend voll und sonntags bis 10 Uhr. Nur der Sonntagnachmittag war Freizeit, Und mitunter gab es sonntags ein etwas besseres Essen. Mitunter gab es zu Weihnachten ein besseres Essen. Darum erzählt er jetzt von diesen Erdbeeren. Aber ich kann mich gar nicht mehr entsinnen, daß ich Erdbeeren gegessen habe.

M.v.A.: Sonntagnachmittag wir müssen zum Frisör gehen. Eine bißchen Seite so in eine Schüssel Wasser, eine bißchen Seife und so und so und die Frisör rasieren. Keine Problem. Ja, das ist eine Dusche. Wir gehen in eine Dusche einmal im Monat oder sechs Wochen. Da alles rasieren. Einen Moment alles rasieren, ein anderen Moment [...]

H Sch.: Also es war folgendes. Normalerweise wurden die Haare auch jeden Sonntag geschoren mit einer Handhaarschneidemaschine. Also Glatze wurde geschoren. War notwendig wegen der Läusegefahr schon. Es war notwendig. Was er erzählt. Es wurde auch einmal sonntags natürlich in der Freizeit nur, es wurde niemals in der Arbeitszeit, wurde rasiert im Block. Ein Stubendienst, also ein Barbier hat dann mit einem Rasiermesser den Bart abgeschoren. Aber was er erzählte, das ist dann 43/44 passiert. Die Leute kamen ja rein mit vollem Haarwuchs, wie ich heute, und da machten sie sich nun einen Spaß draus, die SS, indem sie jetzt nicht nur die Haare runter schoren, sondern eine Autobahn da reinschoren. Das heißt, mittendurch hier, und dann rechts und links blieb es stehen. Oder rechts und links usw. Dann freuten sie sich wie die Schneekönige, wie sie die Leute verunstaltet hatten. So mußten die dann rumlaufen.

M.v.A.: So das ist keiner Wahl. - Was kann ich noch sagen?

H.Sch.: Erzähl mal weiter, nachher hast du noch gearbeitet anschießen?

M.v.A.: Nein, Revier, Flechten, Revier, Flechten [...] Kommando und an die 5. Mai 44 den Transport gewesen. Wir haben gehört, Transport für Nordfrankreich. Ja, gut. Belgier, Franzosen, Luxemburger, Holländer, 25, 30 Mann geht in diese Transport.

H.Sch.: Sie haben sich freiwillig gemeldet zu diesem Transport, weil man niemals wußte, wo der hinging und was da los war. Wußten wir vorher nie. Und sie haben sich freiwillig gemeldet, weil es angeblich nach Frankreich ging.

M.v.A.: Dieser Transport war sehr, sehr wichtig.

H.Sch.: In den Viehwaggons hatten sie unten sogar Stroh ausgebreitet, wo sie befördert wurden, was sonst nicht üblich war. Sonst wurden die Leute da rein gepreßt in diese Viehwaggons ohne irgendwelche Möglichkeiten zum Austreten oder irgendwas. Ohne Verpflegung. Hier hatten sie wenigstens Stroh unten...

M.v.A.: Das war außergewöhnlich. Zwei Tage später, wir kommen in Köln. In Köln ist Stopp und die SS rufen, die Belgier, Franzosen, Holländer, Luxemburger aussteigen. Raus. Und da in Köln die Messehallen, das war eine Kommando nach Buchenwald. Eine Baubrigade.

H.Sch.: Eine Baubrigade, um die ständigen Bombardierungen der Schienen usw. der Gleise wieder zu reparieren. Das waren diese sog. Bauzüge, Baubrigaden nannten sie das. Und Sprengkommandos auch. Bombenkommando auch. Also Entschärfen von Blindgängern usw. Sehr gefährliche Sachen. Wie gesagt, Köln gehörte zu Buchenwald. Sie haben neue Häfllingsnummern bekommen dort plötzlich. Obwohl sie Buchenwald nie gesehen haben.

M.v.A.: Unsere Platz in diesem Transport, die SS hat genommen Polen und Russen und wir dageblieben in Köln. Ich habe eine Nummer von Buchenwald gekriegt, 45601. Ich bin gearbeitet in Köln sechs Wochen und dann Frage Freiwillige für in Duisburg gehen. Ich gehe in Duisburg 15 Tage. Frage Freiwillige für Essen, die Stadt von Krupp gehen, ich gehe in Essen. In Essen ich war allein Belgier. Das ist eine Glück. Es waren da fünf Franzosen, vier Holländer und ein Däne. Die anderen Russen, Polen. Die Lagerälteste eine Deutsche.

H. Sch: Der Vorarbeiter wird gewissermaßen. Aber es waren sehr wenige Deutsche auf diesen Kommandos. Die Masse ab 42 war Ausländer. Wir waren eine kleine Minorität, die Deutschen. Unter den Deutschen gab es nun wieder verschiedene Haftarten. Politische Häftlinge mit rotem Winkel, kriminelle Häftlinge mit grünem Winkel, die Zeugen Jehovas lila Winkel die Bibelforscher. Dann gab es Asoziale mit schwarzem Winkel. Also Leute, die nicht regelmäßig gearbeitet haben wie Zigeuner, keinen festen Wohnsitz halten, Zuhälter gehörten dazu mit schwarzem Winkel. Innerhalb der deutschen Häftlinge eine ganze Klassifizierung. Innerhalb der Deutschen waren die Politischen wieder eine kleine Minderheit. Aber insgesamt so ab 42 waren weit mehr Ausländer in den deutschen KZ als Deutsche, so daß die leitenden Positionen, was wir jetzt sagen als Lagerältester, Vorarbeiter würde ich sagen dazu, oder gar nicht mehr zu besetzen war und überall, er sagte, es waren noch zwei Deutsche da. Ihr wart bestimmt hundert Mann dort.

M.v.A.: 150 und zwei SS und die andere das waren alte Polizei. In diese Polizei, das waren zwei oder drei, die Kriegsgefangene in Frankreich 14/18 gewesen sind. Die Chef-SS, das war ein Unterscharführer, Siegfrid Schmidt heißt. Ein Moment eine dritte SS ist gekommen, das ist eine ungarische. Das ist Karpati Soltan. Ich habe den Namen, er spielte Geige. Alle Morgen, ich muß bei sie ankommen und ich muß sitzen auf ihre Bett, und er spielt auf der Violine. Ganz verrückt. Klopf an die Tür, keine Antwort. Ich seh, mach die Tür und er saß auf sein Bett mit Schuh. Ich ging zurück und der Scharführer-SS kommt, keine Antwort. Sicher. Nimmt seine Pistole und die Tür offen und die ungarische SS hat seinen Kopf mit seinem Gewehr. Fertig.

Moderatorin: Er hatte Selbstmord gemacht. 

M.v.A.: Da war ein Brief.

Moderatorin: Aus Liebeskummer, er hat einen Brief bekommen

M.v.A.: Das ist für mich eine Glück, daß die Tür war zu, wenn die SS [...]

H.Sch.: Es gab ab 42 auch zahlreiche ausländische SS-Leute, die Dienst in den Konzentrationslagern gemacht haben. Wir hatten z.B. ein ganzes Teil, wir sagten Beutegermanen im Lager dazu, Rumänendeutsche, zum Teil konnten sie kaum Deutsch sprechen, aber galten als Deutsche. Hatten sich dann freiwillig zur SS gemeldet. Rumänendeutsche, Tschechen waren dabei. Wenige Tschechen waren dabei. Einige Dänen aus der Flensburger Ecke dort kurz hinter der Grenze. Einige Ungarn, wie er erzählt. Franzosen hatten wir nicht.

M.v.A.: In Neuengamme, das war deutsche SS. Armee? Hat gesagt, ich bin geboren in Antwerpen und hat mir geschlagen, und das war ein langer, so ein großer Österreicher. Ich habe in den Bauch geschlagen gekriegt, ich war im Baukommando in der Stadt. Das ist streng verboten. An die SS geschlagen, weil die Zivilen gucken.

H.Sch.: Innerhalb der Stadt Hamburg, wo sie gearbeitet haben, oder Köln, wo sie gearbeitet haben, damit die anderen Zivilisten nicht sehen, daß die Häftlinge geschlagen wurden, war das verboten. In der Praxis hat das natürlich ganz anders ausgesehen.

M.v.A.: Im Lager eine SS konnte an einem Tag zehn Häftlinge, fünfzehn Häftlinge tot schlagen. Hat keine Strafe bekommen. Die tot waren, in alle Kommandos die ziehen mit den Häftlingen. In allen Kommandos

H Sch: Er meint jetzt von den Arbeitskommandos hier, beispielsweise haben wir ja auch das Klinkerwerk hier. Das war ja da nebenan. Dove Elbe sind abends dann die Arbeitskommandos. Dove Elbe war ein sehr schweres Kommando hier, die Elberegulierung, die dann entweder mit Schubkarren oder zwei Häftlinge mußten sie tragen an Händen und Füßen zurück gebracht wurden ins Lager. Die Toten wurden daneben gelegt, wurden gezählt für den Abendappell und am nächsten Morgen wurden sie für tot erklärt. Daß der Bestand stimmte. Ob tot oder lebendig, das spielte keine Rolle zu dieser Zeit. 43 kam eine Wende, die Arbeitskraft der Häftlinge ist doch mehr zu schützen und auszunutzen für die Rüstungsindustrie. Aber zu dieser Zeit spielt es keine Rolle.

M.v.A.: An dieser Zeit im Winter 42/43, als wir gehen in Kolonnen für raus um die Lager führen die Kommando gehen, das waren Tage zehn Mann, die fallen tot [...] und die SS kommt, trecken und schlagen mit Fuß oder waren tot. Zehn Mann an einem Tag in dieser Lagerwelt. Das ist nix.

H.Sch.: Man muß dabei beachten, ein Lagerkommandant hier in einem KZ wie Neuengamme, der war in seinem Bereich ein ungekrönter König. Mit unbeschränkter Macht. Innerhalb seines Bereichs, wohlgemerkt. Er wurde auch nie zur Verantwortung gezogen. Ich war Häftlingslagerschreiber. Ich habe täglich die Appelle gemacht. Die Totenmeldungen usw. Ab Ende 40. Vorher war ich auch an der Doven Elbe hier und Klinkerwerk, Sachsenhausen Strafkompanie. Es spielte gar keine Rolle. Wichtig war, daß der Bestand stimmte. Tot oder lebendig, völlig egal. Mußte ja täglich gemeldet werden zum Reichssicherheitshauptamt in Berlin. Die SS-Untergebenen des Kommandanten, also, was er sagt, das waren die Kommandoführer usw., die hatten praktisch die gleichen Vollmachten. Es sei denn, sie sind einmal aufgefallen, was doch einige Male passiert ist, daß sich irgendwelche Zivilisten dann beschwert haben. Dann wurden sie eventuell zur Rechenschaft gezogen, kamen in Arrest. Aber ernsthafte Bestrafungen habe ich niemals erlebt von SS-Leuten, die Häftlinge über die Postkette gejagt haben, erschossen haben. Dann kriegten sie drei Tage Urlaub, kriegten sie eine Zigarettenration, eine Flasche Schnaps, wohlgemerkt, wenn sie einen erwischt hatten, der flüchten wollte angeblich. Das wurde teilweise arrangiert, solche Fluchtversuche, um eben Urlaub zu bekommen usw.

M.v.A.: In Fuhlsbüttel, das war ein Gefängnis in Hamburg. Die Leute, die dort verurteilt wurden, sind hier in Neuengamme transportiert für exekutiert sind in Bunker.

H.Sch.: Also Exekutionen, d.h. Erhängungen. Bei Häftlingen Exekutionen hieß grundsätzlich Erhängen. Grundsätzlich, es ist niemand erschossen worden, es sei denn, auf der Flucht wohlgemerkt. Sind bei uns im Bunker durchgeführt worden. Der Bunker war ein Arrestbau mit sechs Zellen. Dort sind auch zweimal Vergasungen in Neuengamme durchgeführt worden. Das Lager war aber gar nicht dafür vorgesehen. Wir haben keine Gaskammern. Das amtlich, wohlgemerkt. Das ist auch im Curio-Haus-Prozeß dann bestätigt worden von den SS-Leuten. Im September 42 197 sowjetische Kriegsgefangene, aus Fallingbostel kamen sie, und im November 42 nochmal 241 sowjetische Kriegsgefangene, auch wieder von Fallingbostel, sind hier in Neuengamme in diesem Bunker vergast worden mit diesem Zyklon B. Sieht aus wie Karbit das Zeug, dieses Gas. Es ist nicht geheim gemacht worden. Er war noch nicht da zu der Zeit. Wir haben das alle gesehen. Haben Appell gestanden. Es waren 4 bis 5000 Häftlinge zu der Zeit. Wir haben das alle gesehen, wie es gemacht wurde. Sie haben dann, oben in dem Bunker sind sechs Zellen. Haben sie ein Loch gebohrt ins Dach. Haben sie einen Ventilator einbauen lassen durch unseren Elektriker. Der Gregutsch, der sagte, hör zu, [...] Ventilator einbauen lassen und haben von oben dann, der SS-Mann, Bahr hieß der, SS Sanitätsdienstgrad, der hat sogar noch in Sachsenhausen vorher einen Kursus durchmachen müssen mit dem Umgang mit dem Zyklon B. Das ist in 1-Kilo-Dosen mit so einem Sprunedeckel. Sieht aus wie Karbit. Und wie sie den Springdeckel aufmachen und es kommt mit Sauerstoff in Berührung, bildet sich ein tödliches Gas. Also man kann nur mit Gasmaske arbeiten mit dem Zeug. Und es wird hinein geschüttet und mit diesem Ventilator dort vertrieben. Also es hat gedauert keine 10 Minuten. Wir haben das Schreien gehört dieser Häftlinge, dieser Gefangenen dort. Und die waren tot. Dann hat man das etwa nach einer halben Stünde geöffnet, daß das Gas abzog, und wir mußten die Leichen dann dort abtransportieren. Es sind alle im Krematorium verbrannt worden. Die Zahlen liegen fest, die Daten liegen fest, und die Tatsache als solches ist auch nie bestritten worden. Deshalb ist ja auch das Großteil der damals Beteiligten im Curio Haus-Prozeß zum Tode verurteilt worden und sind dann auch zum großen Teil in Hameln gehängt worden. Von einem britischen Militärgericht. Aber das ist schon 48/49, 46 war der Prozeß.

M.v.A.: Die SS und die Baracke sagt immer eine Laus, das ist dein Tod. Wir kriegen keine Seife für uns. Wir haben ein kleines Stück Seife. Wir gehen einmal im Monat oder in sechs Wochen duschen. Das war diese gelbe Schwimmseife. Ja, einmal so, einmal die Seife, die bleiben über dem Wasser.

H.Sch.: Sandseife. Wie heißt das andere. Das ist so Sand, so hart. Aber es schäumte nicht, diese Seife. War auch kaum Reinigungskraft.

M.v.A.: Wir haben böse. Die SS auch. Die SS gehen auch in die Desinfektion. Das war so.

Moderatorin: Was die SS gerade in Bezug auf die Sauberkeit gesagt hat, das waren sowieso alles Gehirngespinste angesichts der Lebensbedingungen.

M.v.A.: Seife ohne Handtuch. Das geht nicht. Wir gehen alle morgens in den Waschraum. Der Stubendienst war dazu da zu gucken für alle Leute kommen waschen. Kein Handtuch. Nix. Wir müssen unsere... 

H.Sch.: Da war ein Rohr, auf jeder Seite waren acht Leitungshähne und kaltes Wasser. Nun müssen sie überlegen, in so einem Block waren zu dieser schon sechs-, siebenhundert Leute untergebracht. Drei Mann in einem Belt. Wir haben die Betten ja noch original hier, wie sie gesehen haben. Drei Etagen. Drei Mann in einem Bett zum Schluß. Ursprünglich halten wir einen Mann pro Bett. Also 39/40. Dann so ab 42 zwei Mann, zum Schluß drei Mann in so einem Bett. Wahnsinn. Und dann die Waschgelegenheiten waren ja viel zu gering. Außerdem es gab nur kaltes Wasser. Ich habe nie warmes Wasser kennengelernt in den vielen Jahren. Die konnten sich gar nicht richtig waschen, die Leute. Aber wurde nominell drauf geachtet, daß man sich dort betätigte. Genau die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal. Die sanitären Verhältnisse. Es gab nur Plumsklosetts. Plumsklosetts, wissen sie, so acht Löcher da, in der Mitte ein Brett und auf der anderen Seite wieder acht Löcher. Und das waren die Toiletten. Es war ganz unmöglich, sich da sauber zu halten. Und ganz besonders, was er erzählt, Läuse sind wir nie wieder losgeworden. Sie sind reingeschleppt worden mit den zivilen Sachen der vergasten Juden aus Auschwitz, die hier ab 41/42. Und zwar hatten wir ja ursprünglich die Zebra-Kleidung, blau-weiß gestreifte Kleidung. Die war auch schon knapp. Und dann hieß es plötzlich, die Stammlager, also Neuengamme-Stammlager oder Dachau-Stammlagcr bekommen zivile Sachen von Auschwitz, wohl gemerkt. Die wurden dann markiert mit gelben Ölfarbenkreuzen, sie haben das vielleicht mal gesehen da auf den Fotos in Neuengamme. Überall markiert mit gelben Ölfarbenkreuzen und wurden hier ausgegeben, wahrend auf den Außenkommandos mit der erhöhten Fluchtgefahr immer noch Zebra ausgegeben wurden, wegen der erhöhten Fluchtgefahr. Bei uns war es ja kaum möglich wegzukommen Und damit sind auch die Lause eingeschleppt worden. Bis 42 halten wir keine Lause Es ging los Ende 41. Wo die ersten. waggonweise kamen sie an, diese Klamotten aus Auschwitz. Da waren drin Büstcnhalter, da waren Pelzmäntel drin, da war Unterwasche drin. Da war alles drin. Unsortiert kam das Zeug an, wurde hier sortiert. Alles was wir gebrauchen konnten also Unterwäsche natürlich, Pullover, Anzüge, Mäntel blieb hier und alles andere wurde dann übergehen der NSV. NSV-Wohlfahrt hieß das. Deutsches Rotes Kreuz würden wir heute sagen. Das wurde alles ja noch mal verwendet. Genau so mit den Schuhen. Waggonweise kamen Schuhe von Auschwitz an. Schuhe, nur sie fanden kein Paar raus. Warum? Weil in Auschwitz haben sie die Schnürsenkel und die Bindfäden, was es damals ja gab, alles schon rausgenommen. Die kamen unsortiert an, die Schuhe. Wir hatten einen Schuhberg dort. Wir haben noch ein Foto. Einen Berg Schuhe dreimal höher als dieses Gebäude hier. Ja, aber sie fanden nicht ein Paar raus. Und wir hatten Holzklumpen meistens.

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H.Sch.:... neue Unterhose und alle vier, sechs Wochen, wenn es gut ging, wurde mal geduscht in so einer Badeanstalt. Und dann nur kalt, wohlgemerkt. Es gab niemals warmes Wasser.

M.v.A.: Die [...] an die Dusche, daß sind die Leute mit einer Bürste in die Wasser mit die [...] kommt rasieren. Alles ist rasiert.

H.Sch.: Wenn man eingeliefert wurde. Die Zugänge w urden grundsätzlich rasiert, alle Haare wurden weg rasiert. Schamhaare.

M.v.A.: Und die Leute kommen mit diese Kreosol [...] in Buchenwald. Ist das dann brennen? Desinfektionslauge, die hat sehr gebrannt.

H.Sch.: Dagegen das gleiche ist passiert mit den Frauen, die in das KZ Ravensbrück kamen. Die Haare wurden geschoren, wurde eine Glatze geschoren. Und die Haare wurden ja gesammelt, wurden noch einmal verwendet. Die wurden als Dichtungsmaterial für Ventile usw. verwendet. Die Haare wurden gesammelt und wurden dann anstelle von Filz sofort gepreßt und als Dichtlingsmaterial verwendet für irgendwelche Zwecke, Ventile oder dergleichen.

M.v.A.: Der schwerste Moment für die Leute, die im Revier sind, das ist Dusche, Desinfektion. Im Winter. Schnee oder nicht Schnee. Wind oder nicht Wind, dies muß den ganzen Appellplalz gehen mit tragen die anderen Leute, die nicht laufen können, und in Unterhose. Und Bergen war in Dusche, das ist 50 Mann, die mußten in einmal gehen. Die andere muß draußen warten. In Dusche, das ist Hände ab und für rausgehen und anderer Band gemacht und noch mal. Verbinden, ja. Und noch mal die ganzc Appellplatz gehen mit die anderen, die kann nicht laufen. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden und dann bleiben so.

H. Sch.: Es sind rund 106.000 Häftlinge hier registriert worden von 40 bis 45. Männer und Frauen wohl Bemerkt. Davon etwa es waren ungefähr 13.500 Frauen insgesamt die zum Lager Neuengamme gehörten, das Lager aber nie gesehen haben. Die Frauen wurden direkt entweder von Ravensbrück oder von Auschwitz-Birkenau auf die Außenkommandos geschickt, z.B. Continentalwerke Hannover, bekamen dort neue Häftlingsnummern. Gehörten dann plötzlich zu Neuengamme, haben aber das Lager nie gesehen, die Frauen. Die Männer sind doch zu fast 100 % alle hier in Neuengamme angekommen und sind dann später auf die vielen Außenkommandos verteilt worden, nach 42, 43. Es gab weit mehr Häftlinge in den Außenkommandos als im Stammlager. Der Bestand im März 45, er war der Höchststand überhaupt im Stammlager etwa 14.000 männliche Häftlinge. Auf den Außenkommandos, etwa 60 verschiedene im norddeutschen Raum, etwa 28.000 männliche Häftlinge und etwa 18 Frauenkommandos mit 13,500 Frauen, die alle zu Neuengamme gehörten. Von den 106.000 haben wir erfaßt in einem Totenbuch 55.000 Tote. Aber das ist bei weitem nicht die Gesamtzahl, denn da konnten wir nicht erfassen beispielsweise die vielen Toten der Evakuierungsmärsche. So ab Marz/April wurde ja überall evakuiert, besonders die Außenkommandos beim Einrücken der amerikanischen oder britischen Truppen in Bergen-Belsen usw. oder im Osten. Dann sind nicht erfaßt worden die Toten in der Neustadter Bucht, Cap Arcona, Thielbek 7.500, die wir alle nicht namentlich haben. Alles andere ist namentlich erfaßt, rekonstruiert, wenn auch nicht 100 %ig. Also etwa 55.000 Tote etwa haben wir. Es fehlen bestimmt noch 10, 15.000, die nicht erfaßt sind. Der Prozentsatz ist weit größer, als in den größeren Lagern Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Das waren die drei großen Lager. Der Prozentsatz der Toten ist höher in Neuengamme.

M.v.A.: In Neuengamme, das war 56.000 Tote. In Buchenwald 58.000 Tote.

H.Sch.: Ja, das Lager war mindestens dreimal so groß.

M.v.A: Und das war ein früher Lager. Das war eine schlechte Lager, sehr schlechte Lager.

H.Sch.: Zahlenmäßig größer. Auch sonst in der Kategorie war es größer. - Ich meine, ihr solltest doch jetzt mal Fragen stellen an ihn. Das wäre doch ganz zweckmüßig.

M.v.A.: Über Neuengamme und Kommando Buchenwald und Transport von Buchenwald bis Dachau 19 Tage im Zug. Wir sind 5 Tage weg von Buchenwald und wir sind gekommen in Dachau 8.600 Mann. Alle die anderen tot.

H.Sch: In den Zügen dann, Das war schon wahrend der Evakuierung, was er sagt.

M.v.A.: Kein Essen, kein Wasser zum Trinken. Nix.

H.Sch.: In diesen Viehwaggons. Meistens kein Essen dabei, kein Wasser unterwegs. Keine Toiletten.

M.v.A.: Eimer haben die bekommen in die Waggons, Also nachts die SS schloß die Waggons ...

H.Sch.: Die Güterwaggons. Da wird zugeschoben die Luke und dann wird der Riegel davor gemacht. Da kommen sie nie raus aus dem Ding. Da ist so eine ganz kleine Luke da oben links, wo Luft rein kommt. Alles andere. Es ist aussichtslos, du raus zu kommen.

M.v.A.: Krach. Die Wache kommt an den Zug, die hören das, die öffnen. Mit Maschinengewehr, Am Morgen wir sehen das. Der eine ist tot, der andere ist tot und ich habe einmal das gesehen in meinem Waggon, das ist in der Nacht eine [...], die verwundet im. Frage am Morgen, tot gehen. Schmerzen zu viel und ganz kaputt. Und die SS kommt in den Waggon. Die fragen so an diese Leute, sind sie Volksdeutsche? Und die Leute sagt ja ich bin von diese Seite von Deutschland. Dann er kriegt einen Schuß in den Kopf [...] von Buchenwald bis die Bahnhof von Weimar, daß ich habe auch das gehört diese Frage, sind sie Volksdeutsche? Und die andere sagt nein, rund geht und da erschoß. Der Unterschied, das ist [   ] Warum das fragen? Ich habe das nicht verstanden. Volksdeutsche kriegt so, die anderen ...

H Sch: Die Häftlinge waren natürlich zu erkennen an den Winkeln, die sie trugen. Die Ausländer halten grundsätzlich den roten Winkel der politischen Häftlinge, aber mit Aufdruck. Guck hier, der halte den roten Winkel mit dem B, wie Bertha drin. Belgien. F wie Franzose, R wie Russe, P für Pole usw. Die Ausländer hatten alle rote Winkel, also Politische. Während die Deutschen verschieden farbige Winkel hatten. Homosexuelle hatten rose Winkel. Der Paragraph 175. - Ich würde doch, wenn sie Fragen an ihn haben.

Besucherin: Mich interessiert, wie er befreit worden ist.

M.v.A.: Ich bin in Dachau am 29. April 45 von den Amerikanern. Das waren Amerikaner.

Besucherin: Wie viele Überlebende waren mit ihnen zu der Zeit?

M.v.A.: Von diesem Transport 1.600. Über 5.000.

H.Sch.: Von Buchenwald 5.000 sind abgegangen und es sind noch 1.600 übrig. Das war ein kurzer Transport. Ihr seid ja im März von Buchenwald weg.

M.v.A.: April, 8. April. Drei Tage vor Befreiung von Buchenwald. Wir sind in Dachau am 27. April gekommen und zwei Tage später die Amerikaner waren da. Die 19 Tage im Zug, das waren Weimar, Leipzig, Dresden, Eisenach, Pilsen, Passau, von Pilsen bis Passau, in Passau rechts gehen im Westen in Dachau.

H.Sch.: Noch Fragen bitte?

Besucherin: Ich möchte noch einmal fragen, ob da unterschiedliche Behandlungen passiert sind seitens der politischen Häftlinge und der jüdischen Häftlinge. Ob das da irgendwie ausgegrenzt wurde oder ob die Juden schärfer bestraft wurden? Einen schlimmeren Leidensweg hatten.

H.Sch.: Die Juden waren natürlich unterste Stufe überhaupt in einem Lager. Die kamen noch unter den Russen praktisch. Es war natürlich. Zu beachten ist folgendes: Es gab nicht viele Juden hier in Neuengamme, auch nicht in Dachau, auch nicht in Sachsenhausen. Warum? Es gab einen Befehl des Reichsführer-SS Himmler, daß die deutschen Lager, Dachau, Sachsenhausen, Neuengamme, Flossenbürg, Maulhausen gehörte auch dazu, das Steinbruchlager bei Linz, nach Möglichkeit judenfrei bleiben sollten, und die Juden, soweit sie dann 50, 60 zusammen waren, sollten nach Auschwitz oder später haben sie sie nach Lublin/Majdanek geschickt. Also diese Lager sollten judenfrei sein. Und die Behandlung der Juden war natürlich die schlimmste allgemein. Sie mußten ja zusätzlich zu dem Winkel auch noch den Judenstern tragen. Waren sofort erkenntlich, kriegten die schlechteste Arbeit hier. In der Strafkompanie meistens Tongrube hier, schaufeln. Wenn wir so 60, 70 zusammen hatten, mußten wir sie nach dem Osten schicken. Auf Transport. Zuerst nach Auschwitz, später nach Luhlin/Majdanek. Ein reines Vernichtungslager. Lublin war ein reines Vernichtungslager. Auschwitz war teilweise Arbeitslager, es wurde ja selektiert, und wer noch arbeitskräftig war, mußte erst einmal arbeiten, während das Gros natürlich direkt ins Gas geschickt wurde. Also Juden wurden am schlechtesten behandelt, würde ich sagen. Die Russen, Zigeuner Russen kamen dann vielleicht als nächste. Polen, das war sehr unterschiedlich. Bei den Polen haben einige sogar Privilegien gehabt. Einige wurden sogar, Kapos durften sie nicht werden, aber Vorarbeiter waren sie häufig. Sofern sie Deutsch konnten und gedolmetscht haben, hatten sie immer Vorteile, grundsätzlich. Das war natürlich. Genau so war die unterschiedliche Behandlung auch bei den Deutschen. Die Handwerker, überhaupt Handwerker allgemein, auch bei den Ausländern, halten gewisse Vorteile. Wer Maurer war, wer wirklich Maurer war, nicht nur Steinträger, der hatte gewisse Chancen, das er im Maurerkommando landete, und das war ein verhältnismäßig gutes Kommando. Wer nun noch rund mauern konnte, also Schornsteine mauern konnte, das war schon die Elite der Maurer wohlgemerkt, die hatten gewisse, oder Zeichnungen lesen, so Techniker, Architekten, die hatten Chancen. Zimmerleute halten gute Chancen, weil wir ja ständig in den Baracken irgendwas zu reparieren hatten. War ja alles aus Holz. Die Wachtürme waren aus Holz der SS. Die Baracken, alles war aus Holz grundsätzlich. Was wir hier später nachher zwei solche Steinblocks errichtet haben aus Steinen des Klinkerwerks, ist eine Ausnahme. Hat es in keinem anderen Lager gegeben. Warum? Weil das Lager maßlos überfüllt war und zum Schluß gab es ja auch kein Holz mehr. Wir hatten aber Steine aus eigener Produktion hier aus dem Klinkerwerk.

Besucherin: Sind das noch die alten Steine aus dem Klinkerwerk.

H.Sch.: Ja, ja, das sind noch die alten Steine, die aus dem Klinkerwerk stammen. Das Klinkerwerk ist nicht mehr im Betrieb, aber das ist das Originalklinkerwerk hier. Das Dach ist erneuert. Aus den Steinen aus eigener Produktion wurden dann in Neuengamme Ende 43 Anfang 44 zwei große Steinblocks errichtet. Jeweils 2.000 Mann wurden da untergebracht. Aber die anderen Arbeitskommandos. Wer Schneider war, meinetwegen, wirklich schneidern konnte, der hatte eine Chance, in dem Schneiderkommando unterzukommen. Da gab es bei der SS eine Schneiderei, Uniformschneiderei, Reparaturen, dann gab es eine Häftlingschneiderei usw. Schuster, genau das gleiche. Also Handwerke hatten bessere Chancen. Das rote Tuch für die SS war von Anfang an, ich entsinne mich noch wie heute, wie ich in Sachsenhausen ankam, Mensch der Kerl hat Abitur, und wenn sie noch, der ist Doktor, der ist Journalist und hat noch ne Brille. Das war das. Wer intelligent war, ach Gott, was haben sie die Leute vertrimmt. Ich habe meine Schläge auch gekriegt, na ja. Aber wie gesagt, ich habe die Akten nicht dabei. Das war so das rote Tuch für diese primitiven SS-Leute. Die Intelligenz allgemein. Wir hatten in Neuengamme zum Schluß Dr. Kurt Schumacher, hier von der SPD den Vorsitzenden. War auch zum Schluß da, war vorher neun Jahre in Dachau gewesen.

Besucher: Einen Menschen totzuschlagen, dazu braucht er kein Intelligenter zu sein.

H.Sch.: Sowie sie jemanden auf dem Pik hatten, dann hatten sie den so schikaniert. Aber die einzige Überlebenschance war eben, das richtige Arbeitskommando zu kriegen. Und natürlich wenn jemand schon etwas länger im Lager war, ein Jahr oder länger, dann haben wir versucht, den irgendwo unterzubringen. Gewisse Möglichkeiten gab es. Der sogenannte Arbeitseinsatz, also die Verteilung der Arbeitskommandos. Natürlich, diese guten Kommandos, die wirklich guten, das waren die SS-Bereiche, SS-Küche, SS-Revier, dann SS-Führerheim, Offizierskasino, die Kellner dort. Dann natürlich die Kalfaktoren, die dort gearbeitet haben, im SS-Bereich gab es ja immer etwas zu essen aus dem SS-Lager. Es war ja wesentlich besser. Die guten Kommandos. Dann Häfllingsküche auch ein verhältnismäßig gutes Kommando. Wer in der Küche arbeitet, dem können sie das Maul nicht verbinden. Das geht nun mal nicht. Und so gab es verschiedene Kommandos. Die Maurer waren ganz gut. Die kriegten von vornherein immer Schwerarbeiterzuläge. Zimmerleute waren ganz gut Und dann Elektriker. Wir hatten 200. Gebraucht wurden 50. Die anderen mußten draußen arbeiten.

Waren gelernte Elektriker. Und ab und zu kamen dann Anfragen, sagen wir mal, von Auschwitz oder von Dachau oder irgendwo, wir brauchen Elektriker, dann wurden 20, 30 Elektriker da hingeschickt. Es gab ja einen ständigen Austausch auch zwischen den vielen KZs Wir kriegten häufig Zugänge von Auschwitz, da Polen usw., und wir schickten dann wieder Leute da hin. Und so ging das dauern hin und her. Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau ewig wurde ein Hin und Her, wie wir es hier erlebt haben. Aber maßgebend für das Leben war das Arbeitskommando. Ich persönlich, ich war kaufmännischer Angestellter und an praktischer überhaupt nicht gewohnt. Hier diese Dove Elbe, da bin ich bald kaputt gegangen. Ja, habe das Glück gehabt, daß sie dann jemanden suchten plötzlich hier, wer kann Französisch, wer kann Schreibmaschine? Da kamen die ersten Belgier. Das war schon 40, da war das schon avisiert. Ja ich melde mich. Ich habe 39 Kilo gewogen, wie ich hier ankam. 65 Kilo , als ich angekommen bin in Sachsenhausen auf der Strafkompanie. Das Komische ist, ich muß mich an die Schreibmaschine setzen, der SS-Mann steht hinter mir, und das Komische ist, das verlernen sie nie, das ist wie Rad fahren. Wer es einmal kann. Es ging. Französisch habe ich in der Schule ein bißchen gelernt. Ich konnte es nicht perfekt, wohlgemerkt. Aber es reichte, um Personalien aufzunehmen. Und so bin ich in der Schreibstube gelandet. Für mich war das die Rettung, denn ich habe jetzt unter Dach gearbeitet, keine Schläge mehr gekriegt usw. Aber das war natürlich auch ein Zufall. Ab Mitte 42 dann plötzlich halten sie auch kaufmännisch vorgebildete Häftlinge gesucht, dann waren diese vielen Arbeitskommandos, die Rüstungskommandos. Da wurde im Akkord gearbeitet. Die Firmen mußten ja bezahlen für die Häftlinge. Dann waren sie Akkordschreiber, die ein bißchen kaufmännisch vorgebildet waren. Plölzlich gab es Chancen für solche Leute. Ansonsten anfangs war es fruchtbar schwierig. Und wie gesagt, ich sagte schon. Erst Doktor, dann Journalist dazu, das war schlimm anfangs. Wir hatten dann doch einige, die waren Kabarettisten, gute Leute dabei. Wie Werner Fink, solche ähnlichen Kurt Fuß usw. Wir hatten einen, der hatte mit Marlene Dietrich so getingelt, Skala, Wintergarten Berlin, in Wien, die ganz großen. Der hatte nachweislich 1000 Reichsmark Abendgage pro Tag. Das glauben sie gar nicht. Ich habe 450 Mark verdient im ganzen Monat. Und das ist schon ein hohes Gehalt. 1000 Mark Abendgage halte der. Und war Kabarettist. Und den hatten sie auch auf dem Zuge. Erst war er ein Kapitalist, das war er sowieso, und dann diese Kabarettisten, die haben doch alle Witze gemacht über die Nazis, ist doch ganz klar. Skala Berlin, der Wintergarten Berlin sind die aufgetreten. Kabarett der Komiker usw. Die hatten sie auf dem Zuge.

Moderatorin: Ich möchte sie ja ungern unterbrechen, aber ich würde gem unserem Publikum die Möglichkeit geben, noch Fragen an Michel van Ausloss zu stellen.

M.v.A.:... und trinkt nicht. Wasser ist nicht gut.

Besucher: Mich würde mal interessieren - das Problem hat doch für sie eigentlich auch angefangen, als der Krieg vorbei war, als sie wieder in das normale Leben zurück gekehrt sind. Wie haben sie ihre eigene Vergangenheit bewältigt? Und wie haben sie den Staat in ihr neues Leben praktisch empfunden?

M.v.A.: Ich bin in Brüssel zurück nach Hause, am 15. Mai 45. Ich wog noch 44 Kilo . Ich war Polizei. Die Doktor, Arzt ist gekommen, keine Kaffee, keine Fritten. Nix. Meine Mutter hat mich gefragt, was sollen essen? Kaffee, Frit. Die Arzt sagt Malzkaffee. Ich sage, das ich nicht kriege fertig. Der Krieg ist aus. Ich trinke Wasser. Ich bin fünf Wochen in meinem Bett gelegen. Nur aufstehen für Essen, Toilette, für Waschen und so. Die sechs Wochen passiert sind, eine erster Spaziergang, das ist noch die große Markt in Brüssel. Da ist die schönste [   ] von Europa, und die Marktplatz auch, ich will die sehen. Aber die Deutschen haben keine Burg kaputt gemacht. Ich bin in Europe ... gewesen, bis die 1. November. Am 1. November, ich beginne mit der Arbeit, Arbeit in Zivilkostüm. Als ich hier ins Lager gekommen, ich war in der belgischen Polizeiuni form. Ein anderer von einer Gruppe, der kommt hier in Neuengamme in belgischer Gendarmenuniform. Da ich habe gearbeitet 1. November 45 in Zivil. Nachher ich bin immer geblieben in Zivil. Mit anderen Kameraden war in diese Gemeinde, und das war 36 Polizei verhaftet irn Krieg. Und das war 21 kaputt gemacht. Ein Teil erschössen in Berlin, andere Teil erschossen oder geköpft. 21 tot. Mein Vater war Chefkommissar in diese Gemeinde. Als wir wollen mit anderen Kameraden sprechen, das war so extraordinär, die andere sagt, diese Leute die sind verrückt. Das ist unmöglich, davon zu sprechen, denn wir haben nicht von das gesprochen. Wir sind alles gebleiben .... Und das ist jetzt zehn Jahr, sie kennen das, das kommt raus. Wir sprechen, wir schreiben.

H.Sch.: Eine Organisation gegründet.

M.v.A.: Machte das nicht so, das ist unter uns. Ein Gespräch und so, das geht, aber für die anderen, die muß nicht vergessen, daß in Belgien, in Frankreich, in Holland und anderen Ländern. Bloß Deutschland, das war die Generation, Hitler kennen nicht. Die wissen das nicht. Die glauben das nicht. Jetzt das ist fertig. Das ist ein Museum, in Deutschland auch, das ist Gedenkstätte. In alle Kommando, war großes Lager. Schandelah und andere Kommandos zu Neuengamme, das ist dieselbe auch. Sachsenhausen auch. Alle jetzt alle Kreis wieder seine Gedenkstätte hat wieder in Deutschland. Zwanzig Jahre früher, das geht so nicht. Das ist die Generation Hitler nicht wissen, nicht kennen.

H.Sch.: Man kann nicht sagen, daß die Gedenkstätten praktisch erst in den letzten zwanzig Jahren errichtet worden sind an vielen Stellen.

M.v.A.: Die Leute im Lager, im Konzentrationslager, und die Kommandos, das gibt ein Psychologie. Das gibt eine Spezialpsychologic. Ich habe gearbeitet immer in Zivil, Chef von einer [...] Brigade, zehn Mann, ich habe nicht mehr rebelliert. Ich habe das nicht gehabt, ich habe arrestet die Banditen, ich habe verhaftet die Banditen, die man die Überfälle, Gewehr und alles, eine Pistole. Ich habe nicht mehr Rebellion gehabt. Nicht mehr, in zwanzig Jahren. Ich spreche. Meine Hand in Taschen, keine Pistole. Die sehen das nicht. Ich habe keine Pistole. Und das sind Psychologische vom Lager. Wir wallen, meine Mann muß nicht schlagen. Sprechen.

H.Sch.: Er meint bei Verhören jetzt. Man soll nicht schlagen bei Verhören, sondern man soll mit den Leuten sie überzeugen.

Moderatorin: Das sind seine Erfahrungen aus dem Lager gewesen. Er ist ja vor seiner Verhaftung Polizist gewesen und dann nachdem er wieder nach Brüssel zurück kam, auch wieder Polizist. Aber er hat dann immer nur in Zivil gearbeitet und hat eigentlich bei allen Verhaftungen und Verhören, wo er bei war, nie mit der Waffe oder ist nie mit Gewalt aufgetreten, sondern immer nur mit Reden.

M.v.A.: Meine Kinder auch, meine kleinen Kinder, meine Enkel.

H.Sch.: Haben sie noch Fragen?

M.v.A.: Das ist spezial.

H.Sch.: Du hast hier doch allerhand Material. Das werden wir auch rumgeben.

M.v.A.: Ein Kuriosität. Dies eine Foto, wenn die Gefängnis in Brüssel im Krieg, das ist eine Frau, die [...]

H.Sch.: Illegal hat sie das aufgenommen.

M.v.A.: Die sieht die Fenster von einem Gebäude. Das ist Überdach, das ist eisern. Und da auch eisern, das ist Mauer [...] und das war zweimal die Woche, wir können da gehen allein spazieren.

H.Sch.: Ach so, ihr durftet dort aus dem Gefängnis heraus. - Was vielleicht interessanter ist, wer es noch nicht gesehen hat, hier ist eine Originalkarte, die er an seine Angehörigen geschrieben hat nach seiner Ankunft hier mit der Lagerordnung darauf. Durfte ja nur deutsch geschrieben werden, wohlgemerkt. Sechs Pfennig mußlen drauf geklebt werden, mußte er auch noch bezahlen. Wenn sie die mal durchgeben, die hätten wir aber gern zurück. Das ist eine Originalkarte. Und was interessant ist, ist dieser rote Stempel da. Der rote Text, das sind die Lagerordnungen. - Das ist hier das Gefängnis in Brüssel, sagt er, wo er inhaftiert war.

Besucher: Was mich noch interessieren würde, die medizinischen Verhältnisse im Lager selbst und speziell auch, wie die Typhusepidemie behandelt wurde.

H.Sch.: Medizinische Verhältnisse. Es gab, also was wir im Revier nannten, ist eine Krankenbaracke, Hospitalbaracke, Revier wurde es genannt. Es gab von Anfang an immer ein Revier, später zum Schluß waren es vier insgesamt durch die ständigen Zugänge. Aber die Behandlung als solche war natürlich restriktiv. Es gab niemals genügend, für die Häftlinge jedenfalls genügend Verbandsmaterial, Medikamente usw. Er hat ja davon erzählt. Anstelle von Mullbinden so Papier wie Klopapierrollen. Es gab nur Ichtyolsalbe, dieses schwarze Zeugs da. Tabletten Aspirin usw.

M.v.A.: Im Lager, die anderen, die mußen immer Deutsch sprechen. [...] wir wissen das in Deutsch. Andere Nationalität muß das wissen in Deutsch. Als ein Häftling muß 25 Schläge, [...] die muß zählen in Deutsch.

H.Sch.: Das war eine Strafe, da haben wir noch ein Muster von dem Bock, der ist nachgebaut. 

Moderatorin: Und wenn sie sich beim Zahlen irrten 

H.Sch.: Dann wurde wieder von vom angefangen.

25 habe ich nicht erlebt, aber viel schlimmer war noch Pfahlhängen, über eine Stunde in Sachsenhausen Pfahlhängen. Das war das schlimmste, was mir je in meinem Leben passiert ist. Man wurde hier mit Kellen rückwärts aufgehängt an einem Galgen. In Sachsenhausen waren drei lange Pfähle, da wurde man rückwärts aufgehängt. Etwa zwei Meter über dem Boden. Nach kurzer Zeit kugeln die Arme aus. Man hängt da durch wie ein Strich. Das tut furchtbar weh. Rückwärts wird man aufgehängt. Man versucht jetzt, wenn man so zehn Zentimeter mit den Füßen über dem Erdboden ist, ganz runter zu kommen, weil man glaubt, der Schmerz hört auf, wenn man sich aufstützen kann. Und jetzt fangen sie an, die SS. Jetzt fangen sie an hochzuhüsem und schaukeln. Treten gegen die Kniegelenke und fangen an zu schaukeln. Ich kann ihnen sagen. Sie kommen runter nach einer Stunde. Dann werden die Arme wieder eingekugelt, die sind ausgekugelt, von einem SS-Arzt,

Besucherin: Eine Stunde hängen sie?

H.Sch.: Eine Stunde, ja. Pfahlhängen war immer eine Stunde. Und dann ging es los. Das knackt wunderschön, und dann sind sie hilflos wie ein Baby, und zwar sechs Wochen lang mindestens. Sie können die Arme nicht bewegen, sie können sich nicht waschen, sie können die Löffel nicht zum Mund führen. Sie müssen jetzt gefuttert werden wie ein Baby, Deshalb ist Mitte 42 die Lagerstrafe Pfahlhängen, war eine offizielle Lagerstrafe, abgeschafft worden, weil die Häftlinge ja auch nicht arbeiten konnten. Das war der Grund dafür. Dagegen Prügelstrafe hat es bis zum Schluß gegeben. Bock nannten wir das, Prügelstrafe. Aber Pfahlhängen ist dann abgeschafft worden.

Besucherin: Entschuldigen sie, Tür welches Vergehen wurde diese Strafe verhängt?

H.Sch.: Aufgrund meiner Akten, aufgrund der Akte von der Gestapo, wofür ich eingeliefert wurde, bin ich in die Strafkompanie gekommen und habe auch eine Stunde Pfahlhüngen gekriegt, am Pfahl hängen müssen. Aber sonst natürlich in Fällen schlechter Arbeitsleistung, Rauchen während der Arbeit. Also Vergehen, oder natürlich, wenn sie auf dem Zug waren, ein SS-Mann usw. Dann wurden sie aufgeschrieben, dann gab es eine Meldung, hieß das so schön, eine Meldung. Dann gab es einen Strafrapport. Es gab eigentlich immer nur zwei Strafen, Entweder gab es Bock, Prügelstrafe, oder 42 Pfahlhängen, Später wurde dann noch Arrest dann und Essenentzug, dann wurde noch etwas selektiert die Strafe. Aber die ersten waren schlimm. Pfahlhängen war das schlimmste, was ich erlebt habe. Und auch von den anderen Häftlingen, die ich kenne, Prügelstrafe ist nicht so wie Pfahlhängen. Bei Prügelstrafe war auch zu beachten, man mußte mitzählen. Es wurden meistens 25 verabreicht. Und das waren Lederpeitschen, meistens innen ausgelegt mit Stahlruten. Also schlugen ziemlich durch. Und ich habe es oft erlebt, daß dann Häftlinge wurden ohnmächtig dabei. Sie zählten nicht mehr mit. Dann wurde abgebrochen. Der SS-Mann [...]war dabei. Alles nach Vorschrift, der stand dabei. Aufführung. Ja, das hat ihm aber nichts genützt. Jetzt hatte der zwölf Schläge hinter sich. Die 13 wurden nachgeholt, und zwar nach sechs bis acht Wochen. Und das war viel schlimmer, denn sofort platzte natürlich die Haut wieder auf. Das war ja viel schlimmer, als wenn er die 25 hintereinander bekommen hätte. Die wurden nachgeholt, sowie er wieder einigermaßen in Schuß war, nach sechs bis acht Wochen.

M.v.A.: Eine SS kommt, kommt in das Kommando für Inspektion. Das muß die Häftlinge [.,.] die Mützen ab. Also die SS, die eigenen Leute das vergessen und die SS ist schlecht diese Tag notieren an dem Appellplatz die Nummer und die Leute kriegen 25. Für was, für was?

H.Sch.: Keine Ehre. Man mußte, wenn man bei der SS vorbei ging, die Mütze abziehen und Hände anlegen usw. Also solche Schikanen, die die Ausländer zum großen Teil gar nicht verstanden haben.

M.v.A.: Wir haben keine Zeitung gelesen.

H.Sch.: Solche Schikanen, und sie halten immer irgend einen Grund, wenn sie auf jemand zukamen, dem was anzuhängen. Wandspind war für zwei Personen ursprünglich, da waren sechs, acht in so einem Spind. Nun sollten sie den aufbauen. Zahnbürsten hatten wir, aber keine Zahnpasta, wohlgemerkt, Dann mußte alles genau ausgerichtet sein. Reine Schikane. Ab Mitte, Ende 42 durften wir dann von zu Hause schicken lassen Pakete. Dann plötzlich Lebensmittelpakete oder Unterwäsche oder Pullover. Sonst keine Obersachen. Gut, da habe ich auch bekommen. Pullover von zu Hause bekommen. Aber Lebensmittel. Wer hatte denn Möglichkeiten, Lebensmittel zu schicken. War doch alles bewirtschaftet. Es gab doch nur noch auf Rationskarten etwas. Es gab einige, die solche Pakete bekommen haben. Dann Tschechen, Polen, logischenweise aus ländlichen Gebieten. Aber meine Eltern aus der Großstadt, war doch völlig unmöglich, daß sie mir was geschickt hätten. Sie hätten es gern getan. Da unten steht, ich darf Bücher empfangen. Das meint er, den Stempel da unten drunter. Das war die Zeit, wo es dann plötzlich hieß, alles für die Rüstungsindustrie, jetzt müssen plötzlich die Häftlinge aufgepeppelt werden, d.h. sie dürfen jetzt plötzlich eine Bücherei einrichten und eine Lagerkapelle gründen. Instrumente mußten von zu Hause geschickt werden. Sie haben nicht eine Mark investiert. Und die mußten dann morgens und abends spielen, wenn die Arbeitskommandos ausrückten und wenn sie wieder zurück kamen, und sonnlags nachmittags in der Freizeit mußten sie spielen. Das war eine Bombenkapelle. Eine Bombenkapelle. Das waren alles Berufsmusiker. Aber vorwiegend waren es Tschechen und Polen, Sonst kam doch keiner rein. Sie hatten sogar zwei Benny Godman dabei. Zwei Holländer, die bei Benny Godman gespielt hatten, Saxophone, ja. Also hervorragende Leute, die konnten alles. Die spielten dann diese damaligen Schlager, wie wir es heute nennen würden. Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei. Da gab es so ein Wunschkonzert am Sonntagnachmittag im Radio. Dies spielten sie alles nach. Ohne Noten. [...] war tschechische Staatskapelle, der durfte dann am Radio sitzen und durfte dann transponieren. Der konnte das sofort. Der halte eine 30 Mann-Kapelle aufgestellt. Das halle den großen Vorteil, die durften tagsüber [...] arbeiten, die durften morgens und abends noch spielen. Fußball durften wir spielen. Boxen. Dieser Wahnsinn, wer war in der Lage, zu der Zeit. Aber es war ein Befehl von Himmler, der mußte ausgeführt werden. Mußte ja, alles mußte .[...] Aber erst im April 44. [...] Hast du noch etwas, was wir zeigen wollen?

Moderatorin: Allerhand.

M.v.A.: Meine Mutter hat mir nach Buchenwald Geld geschickt. Das sind hier die Dokumente. Zahlungsauftrag.

H.Sch.: Hast du das bekommen?

M.v.A.: Nein, ich wissen das nicht. Die SS hat das genommen.

  

Genannte Namen

George Etienne
Lahaut Julien 
Schemmel Herbert
 

Lager

Brüssel
Leuven
Aachen
Neuengamme
Köln (Buchenwald)
Essen
Duisburg
Dachau