"Dr. Paulina Trocki in den Lagern Auschwitz, Neugamme, Bendorf als Ärtzin.", |
Document 1066 - Archif Neuengamme - "Dr. Paulina Trocki in den Lagern Auschwitz, Neugamme, Bendorf als Ärtzin.", 30/12/1956 Document 1067 |
Vorbemerkungen
von Dr. Ball
- Kaduri
zur Besprechung mit Dr. Paulina Trocki: "In den Lagern Auschwitz, Neugamme, Bendorf als Ärtzin." Ich überreiche anbei eine Aufzeichnung nach meinem Stenogramm absichtlich in der form, in der ich sie aufgenommen habe, ohne irgend etwas zu glätten. Frau Dr. Trocki, die bis zum Sommer Ich hatte ursprünglich beabsichtigt, zum Schluss der Besprechung Frau Dr. Trocki zu bitten, sie solle einen Bericht niederschreiben, und daraus erklärt sich die etwas provisorische Form meines Protokolles. Aber im laufe der Unterhaltung ersag ich, dass die Rückherinnerung für Frau Dr. Trocki so aufregend war, dass ich ihr eine spätere eigene Niederschrift nicht zumuten konnte. Anderenseits war die Form der Erzählung, wie sie in meinem Stenogramm gegeven ist, mit ihrer abrupten Form so charakteristisch in psychischen Hinsicht, dass ich absichtlich nichts daran geändert habe. Ich habe aber nachher dieses Protokoll Frau Dr. Trocki zur Durchsicht gegeben, damit direkte Fehler verbessert werden, und habe es von ihr mit den nötigen Korrekturen zurückerhalten. Die beigefügten Abschriften berücksichtigen diese Berichtigungen. Bei dieser psychischen Lage sehe ich davon ab, von Frau Dr. Trocki auch eine Aussage über ihre Zeit in Belgien zu erbitten. Hierüber werden wir demnächst ausführliche Zeugenaussagen erhalten, ebenso wie Dokumentation durch Urkunden. Frau Dr. Trocki ist die Schwägerin (Frau des Bruders) von Frau Schifra Werber, die als Sekretärin in unserem Tel-Aviver Büro arbeitet. Deren Ehemann und sie selber sind sehr aktiv in der belgischer Untergrundbewegung tätig gewesen, und haben ein grosses Archiv mitgebracht, dessen Bearbeitung bevorsteht. Frau Werber hat uns ferner ein mit der Hand geschriebenes Heft von Aufzeichnungen von Frau Dr. Trocki zweks Abschrift übergeben. Das Heft enthält in 14 mit Bleistift handgeschriebenen Seiten eine Schilderung der letzten Tage im Lager Bendorf (ab 6 april 1945), des Transportes aller Lagerinsassen einschliesslich aller Kranken in ein Lager nahe bei Hamburg und dann weiter über Dänemark nach Sschweden und ist in Schweden sofort nach der Ankunft niedergeschrieben. Wir wirden dieses Heft jeztt abschreiben lassen. (Document 1067) Auf den Innendeckel dieses Heftes sind die Personalien wie folgt angegeben:
Frau Dr. Trocki wohnt jetzt in Giwataim, Maonot Paolim. Im Marz 1957 |
Besprechung am 30.12.1956 |
Dr. Trocki Paulina geb. in Kischninew, 28.12.1905 Zahnärstin und Ärztin, 1923 nach Belgien, Ausbildung in Belgien. 31.7.1944 nach Auschwitz geschickt. 3.2.44 schon einmal aufgegriffen, Sammellager Malines, verhaftet aus politischen gründen, Gegen Geld den Abt der Gestapo beseitigt, freigelassen am 9.Juni.1944, auf Grund der Austauschliste Palästina-Deutschland. Am 21.7.1944 wieder verhaftet, aus politischen Gründen, wieder nach Malines; am 31.7.1944 Transport nach Auschwitz (letzter Transport von Belgien). In Auschwitz bis 13.12.1944. Zuerst Arbeit als Ärztin für einen Block (1000 Frauen) in Birkenau. Nachher in anderem Block als Spezialistin für Pneumotorax. Nachher im Arbeitsblock Birkenau, beim Graben von Kartoffeln. Dann in ein anderes Lager, in einen Block nur von Ärztinnen. Die Situation war etwas besser, jeder hatte ein sogen. Bett, in 3 Etagen über einander. Essen dasselbe. Keine Arbeit. Von September oder Oktober 1944 an, als er schon zum ende ging, wurden ankommende Kinder in Auschwitz nicht mehr vernichtet (oder nicht alle?). ls ich im August kam, wurden noch von meinem Transport alle Kinder beseitigt. Aber danach blieben sie leben, und ende des Jahres waren in Auschwitz etwa 300 Kinder, in einem Block. Am 6.12.44. wurde es einer Frau zum ersten Male erlaubt ein kind zu bekommen. Die Kinder hatten es gut, da alle Erwachsenen irgendwie für sie sorgten, d.h. alle Häftlinge. Ich wurde eines mittags zum lagerführer gerufen, und mir wurde gesagt, dass ich mit Kindern auf einen Transport gehen mïsste, sie zu begleiten. Ausser mir 3 Schwestern, davon eine eine Laborantin aus Ungarn. Es waren 10 Jungen und 10 Mädchen, im Alter zwischen 6 und 12 Jahren, alles Juden, aber aus den verschiedensten Ländern, zwei waren aus Paris. Ich fragte, weshalb die Kinder verschrickt würden. Man sagte: alles Kinder ohne Eltern. Von den Kindern erfuhgr ich, dass viele der Eltern im Arbeitslager auf Transport geschickt worden waren. Der Transport wurde von einem SS begleitet, 20 Kinder, eine Ärztin, drei Schwestern, er wurde in einem besonderen Wagen einem normalen Zuge angehängt, und es sah in dieser Aufmachung nach aussen für das Publikum normal aus. Bei der Reise mussten wir alle Judenabzeichen abnehmen, damit die Bevölkerung nicht aufmerksam wurde. Um Annäherung an uns zu vermeiden, sagten sie, es sei ein Typhustransport. In dem Transport war ein Kind, aus Paris, 12 Jahre alt, Sohn von Dr. Cohen, nach meiner Erinnerung Direktor des Rothschildhospitals in Paris, und als es die grosse Stadt Berlin vom Zuge aus sah, sagte es: wenn ich irgend eine Adresse wüsste, würde ich von hier fliehen. Der Vater war mit der letzten Versundung von Paris nach Buchenwald geschickt worden. Auf der reise war die Verpflegung ausgezeichnet, es gab Schokolade, Milch. Nach 2 Tagen kamen wir nachts um 10 Uhr im Lager Neugamme an. Es war ein politische Lager, im ganzen ohne Juden. Später gab es im Lager Pakete vom dänischen roten Kreuz für die dänischen Häftlinge. Ich sah, wie jemand weinte, als er die Kinder sah. Ich sprach mit einem Medzinstudenten aus Belgien, so konnten wir französisch sprechen. Er sagte: Männerlager, keine Kinder. Ich fürchte, sie wollen die Kinder zu Kinderversuchen benutzen. Aber es gibt hier auch einen französischen Arzt, (Dr. Felix?), er versucht die Kinder zu Retten. Dieser Medizinstudent arbeitete in der Apotheke. Die Kinder sah ich nie wieder. Wohin sollte man uns bringen? Es gab nur ein Bordell, nu fur deutsche Frauen. Ich mit den drei Schwestern erhielten im Bordell ein Specialzimmer, des verschlossen wurde und das wir nicht verlassen konten. Nur 3 mal täglich zu bestimmter Zeit kam SS Kontrolle. Die Insassen des Hauses konten uns besuchen mit einem passe-partout Schlüssel. Es waren nur 4 berufsmässige Mädchen, das andere normale Frauen, die dazu eingewilligt hatten, um ihr Leben zu retten. Sie waren viel bei uns und sorgten sehr für uns, brachten uns viel und gut zu Essen aus ihrer Küche und da wir keine Bewegung hatten, wurden wir sehr dick. Das dauerte 6 (sechs) Wochen. Ich verlangte, sie sollten die Männer fragen, was aus den Kindern werde. Sie sagten, Weihnachten gäbe es viele Geschenke für die Kinder. Die Laborantin und die Schwestern wurden vor mir weggebracht; ich war dort die Letzte. Sie schickten mich nach Bendorf ins Lager (Bei Magdeburg) zur Arbeit als Ärztin. Am 21.1.45 kam ein Arzt aus Neugamme dorthin zu einer Operation, ich fragte ihn nach den Kindern, er sagte sie sind in Spital, es geht ihnen gut. Nach dem Kriege, nach der befreiung, las ich in einer belgischen Zeitung von einem Prozess in Deutschland, den sie den "Prozess Neugamme" nannten. Er interessierte mich, und ich hob den Bericht auf. Dort stand über einen Arzt und 20 Kinder, es handelte sich darum, dass der Arzt die 20 Kinder ermordet hatte, und ein französischer Arzt sagte in deisem sinne als Zeuge aus. Es wurde gesagt, dass bakteriologische Versuche mit Tuberkulose an den Kindern gemacht worden sind, und dass es sich um eine Gruppe von 20 Kindern gehandelt habe, davon 2 aus Paris. Der Arzt hat sie in einem Keller getötet. Einige Eltern, die wussten, dass ich ihre Kinder begleitet hatte, fragten bei mir an, Obwohl nach der Schilderung der Gruppe im Prozess - 20 Kinder, davon 2 aus Paris - bei mir kein Zweifel bestand, dass es meine Gruppe war, gab ich erst keine Antwort, aber dann kam eine Verwandte der eltern, und dieser habe ich den Zeitungsausschnitt mitgegeben, daher habe ich ihn nicht mehr. In Bendorf war ich anfangs die einzige ärztin, ausserdem ein deutscher Sanitäter; später kamen noch zwei ärztinnen - eine von Warschau (eine Arierin) und die zweite von Prag. Die Frauen arbeitetten dort in Salzgruben. Ich wurde nicht hinuntergeschickt. Sie mussten durch einen dunklen 5 km langen Tunnel bis zur Arbeit gehen, viele verletzten sich dabei, und da keine ärztliche Hilfe war, so wurden diese kleinen Wunden oft zu schwersten Krankheiten (Flegmonen). Aber man schickte sie durch den Tunnel, um sie der Bevölkerung nicht zu zeigen, und wegen eventueller Fliegerangriffe. Ich schlug vor, dass ich zeitweisse unten arbeitete, um sofort zu verbinden, damit die Wunden nicht so schwer wurden. Das kam nicht zustande. Man nahm zuerst an, dass - wie in Auschwitz - die Kranken zurückgelassen würden, und ich wollte mit ihnen bleiben. Aber zuallerletzt kam der Befehl, dass auch die Kranken dem Transport anzuschliessen seien. Es gehörte dazu auch eine Gruppe jüdische Frauen aus Holland, die in Bendorf war, und die die "Philipsgruppe" genant wurde. (200) Ich war in Bendorf bis zum 10.April 1945, dann wurden wir evakuiert, ueber 3000 Frauen, in ein Lager neben Hamburg, später durch Dänemark an die schedischen Roten Kreuz im Zusamenhang mit der Bernadotte-Aktion übernommen. Aber da lebten von diesem Transport nur noch 1000 Frauen. Am 4. Mai bin ich nach Schweden gelangt. Meine ganze aufgabe als Ärztin im transport war, überall zu versuchen, etwas Wasser zu bekommen. Es gab durch den Mangel Todesfälle und Ausbruch von Geisteskrankheiten, folie du soif, ärztlich konnte ich garnicht helfen, da überhaupt nichts an ärztlichem Material vorhanden war. Ich verlangte von einem SS ein Fenster zu öffnen, da im Wagen gar keine Luft mehr war. Er sagte: sie werden sterben, dann haben wir weniger Leute zu führen. Wir fuhren in Begleitung von einem SS Transportführer. Es war schon die Auflösung. Aber die letzten Tage bekamen wir nichts zu essen, sehr viele starben im Zuge. Januar 1957 |
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