VORWORT
Mit Fleiß und Ausdauer hat Andre
Hohengarten in jahrelanger Kleinarbeit Unterlagen zur Geschichte des
Sonnenburger Massakers zusammengetragen. Er verstand es meisterhaft, die
spärlichen Quellen fachmännisch auszuschöpfen.
Bemerkenswert ist die leidenschaftslose
Schilderung der grauenhaften Vorgänge. Hervorzuheben ist ferner der Umstand,
daß Hohengarten seine Landsleute nicht in den Mittelpunkt des Geschehens
stellte, sondern ihr Los im Rahmen des erschütternden Schicksals ihrer
Leidensgenossen behandelte. So entstand das Werk, das die engen Grenzen
unserer Lokalgeschichte sprengte.
Neben der Ausrottung des Judentums, der
Abschlachtung ganzer Bevölkerungsschichten in Polen und Rußland, dem
Massenmord an ungezählten zivilen Häftlingen und Kriegsgefangenen wurde
ebenfalls das Blutbad von Sonnenburg nunmehr zum zeitgeschichtlichen Dokument
der unmenschlichen Methoden nationalsozialistischer Verbrecher.
Mit Andre Hohengartens Studie liegt die
erste umfassende Beschreibung der Vorbereitung und Durchführung des
Sonnenburger Massakers vor. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, daß die
Behörden der Bundesrepublik seine Arbeit kaum unterstützten. Besonders die
Haltung des Kieler Landgerichts, vor dessen Schranken die Mörder unter
Anklage standen, wirkt empörend. Es verweigerte dem Luxemburger nicht nur die
Einsicht in die Prozeßakten, sondern Richter Kusche lehnte es sogar ab, das
in öffentlicher Sitzung verlesene Urteil zu seiner Kenntnis zu bringen. Auch
die Adressen der Überlebenden - Opfer und Mörder - wurden ihm vorenthalten.
Hierzu äußerte sich am 9. Juni 1971 Landgerichtsdirektor Hans Eckhardt wie
folgt:
„Ich möchte nicht nur mit Rücksicht auf
die gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch im mutmaßlichen Interesse der
Überlebenden der Sonnenburger Massenerschießung davon absehen, Ihnen deren Adressen
mitzuteilen. Ich muß nach meinem Eindruck davon ausgehen, daß die
Überlebenden diese Ereignisse nicht erneut reproduzieren mögen, und erbitte
dafür Ihr Verständnis." Sogar die Ablichtung eines auskunftsreichen
Gutachtens von Professor Krausnick, der den Richtern Anhaltspunkte für die
geschichtspolitische Beurteilung der Angelegenheit geliefert hatte, wurde
Hohengarten nicht zur Verfügung gestellt. Seine diesbezügliche Anfrage
beantwortete der Kieler Oberstaatsanwalt Bauer, trotz der Einwilligung des
Historikers Krausnick, unter ,,Berufung auf das Strafverfahren".
Die von Hohengarten an Amtsstellen der
Deutschen Demokratischen Republik gerichteten Briefe blieben ebenfalls
ergebnislos, wie auch ein Schreiben an Herrn Aleksandrow, stellvertretender
Generalstaatsanwalt in Moskau, Puschkinstraße 15. Allein die Polen waren
hilfsbereit.
Im eigenen Lande fand der Autor nur beim
„Commissariat au Rapatriement" sachdienliche Auskunft. Von der
Nachkriegsregierung Dupong war eine Militärmission nach Sonnenburg und den
Moorlagern entsandt worden, die ihr einen ausführlichen Bericht über die
dort inhaftierten Luxemburger überreicht hatte. Das Aktenbündel ist jedoch
unauffindbar.
Daß allzu viele Deutsche keinen Eifer an
den Tag legen, um die Verbrechen, die seinerzeit in ihrem Namen begangen
wurden, restlos aufzuklären, dürfte zu verstehen, wenn auch moralisch und
historisch nicht zu billigen sein. Daß jedoch keine luxemburgische Regierung
Schritte unternahm, um das Gemetzel von Sonnenburg schriftlich festzuhalten,
muß als Mangel an Mitgefühl und Geschichtsbewußtsein gewertet werden.
Andre Hohengarten gebührt das Verdienst,
einen wichtigen Beitrag zur Klärung des zeitgenössischen Geschehens geleistet
und eine der vielen klaffenden Lücken unserer nationalen Geschichtsschreibung
ausgefüllt zu haben.
Henri Koch - Kent
I.
Einleitung
Warum gerade Sonnenburg? Diese Frage
wurde dem Autor im Laufe seiner Nachforschungen häufig gestellt. Für dieses
Interesse gibt es zwei hauptsächliche Gründe: Erstens, das persönliche
Interesse an der Angelegenheit - ein Onkel des Autors wird in Sonnenburg
vermißt -; zweitens, obschon im Zuchthaus von Sonnenburg das größte Massaker
an Luxemburgern während des 2. Weltkrieges geschah, waren diese Ereignisse,
als sich der Autor mit ihnen zu beschäftigen begann, in Luxemburg fast unbekannt.
Ohne das bereitwillige Entgegenkommen
einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten und Institutionen hätte diese
Darstellung nicht geschrieben werden können. Es ist jedoch unmöglich,
sämtliche Personen aufzuzählen, die durch ihre Angaben hierzu beigetragen
haben. Stellvertretend für alle mögen zwei Einrichtungen stehen, ohne deren
tatkräftige Hilfe dieses Werk überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Es
handelt sich um den Kreis-Untersuchungsausschuß für Nazi-Verbrechen in
Zielona Gora (Polen) mit Herrn Vize-Staatsanwalt Mnichowski und um das
Commissariat au Rapatriement in Luxemburg mit Herrn Germeaux. Der Autor
möchte sich recht herzlich für deren Unterstützung bedanken.
Leider war die vorliegende Arbeit auch
mit einigen Enttäuschungen verbunden. So beantworteten z. B. eine Reihe von
ehemaligen Sonnenburger Häftlingen, aus irgendeinem unbekannten Grunde, die
ihnen schriftlich gestellten Fragen überhaupt nicht. Es ist verständlich, daß
verschiedene Personen nicht mehr an diese tragischen Ereignisse erinnert
werden möchten, weil sie glauben, nun endlich mit ihren schrecklichen
Erfahrungen aus der Kriegszeit fertig geworden zu sein. Auf der andern Seite wird heute noch immer von den
ehemaligen politischen Häftlingen das mangelhafte Interesse der jüngeren
Generation an ihrem Schicksal bedauert, so daß die negative Haltung in diesem
Falle zum allermindeste seltsam anmutet. Zu bedauern ist ferner die Haltung
des Kieler Landgerichts, vor dem die Sonnenburger Morde verhandelt wurden,
das auch nicht das allergeringste Entgegenkommen zeigte, so daß diese
wichtige Quelle dem Autor leider verschlossen blieb. Dank jedoch dem Verständnis
eines Mannes, der unbenannt bleiben will, war es dem Autor möglich eine Kopie
des sehr ausführlichen und gut dokumentierten Urteils in diesem Verfahren zu
erhalten und für dieses Heft auszuwerten.
Die Unterlagen zu einer
geschichtlichen Arbeit bestehen, in der Regel, aus Akten und Zeugenaussagen.
Besonders günstig liegt der Fall, wenn der Autor auf ein umfangreiches
Aktenmaterial zurückgreifen kann. Dies war jedoch bei der vorliegenden
Schrift nicht möglich. Urkunden und Dokumente über die hier geschilderten
Ereignisse sind nur in geringer Zahl vorhanden. Viele schriftliche Unterlagen
aus dem Reichsjustizministerium sowie alle Unterlagen des Generalstaatsanwalts
beim Kammergericht (Berlin), des Reichsverteidigungskommissars Stürtz, der
Gestapostelle Frankfurt/Oder und des Zuchthauses Sonnenburg/Neumark über die
Erschießungen vom 30./31. Januar 1945 sind entweder vernichtet oder
verschollen. Von den vorhandenen Dokumenten waren dem Autor nicht alle
zugängig, so daß er schließlich als Hauptquellenmaterial auf die Zeugenaussagen
zurückgreifen mußte.
Beim Zustandekommen einer
Zeugenaussage kann man drei verschiedene Phasen unterscheiden:
Wahrnehmungsvorgang, Erinnerung und Wiedergabe1. Schon allein die Wahrnehmung
eines bestimmten Vorganges birgt Fehlerquellen in sich. So nehmen z. B. bei
einem gewöhnlichen Verkehrsunfall 10 verschiedene Zeugen 10 verschiedene
Bilder in sich auf. Selbst wenn der Zeuge das Entscheidende wahrgenommen hat,
bedeutet das noch nicht, daß es auch ins Bewußtsein gelangte.
Schlußfolgerungen schließen die Lücken in der Wahrnehmung oder wahrgenommene
Fakten, die nicht vom Zeugen verarbeitet werden können, gelangen öfters
nicht in sein Bewußtsein. Unangenehmes wird einfach verdrängt. Im vorliegenden
Falle mag vielfach das Bestreben bestanden haben, die schrecklichen Dinge
nicht aufzunehmen, an ihnen vorbeizusehen, sie nicht ins Bewußtsein gelangen
zu lassen oder sie zu verdrängen.
Der gewöhnliche Zeuge
hat schon Schwierigkeiten bei der Errinerung. Eine Reihe der hier verwendeten
Aussagen wurde erst sechsunzwanzig und mehr Jahre nach den Geschehnissen
gemacht. Dabei läßt, je weiter die Ereignisse zurückliegen, mit zunehmendem
Alter das Erinnerungsvermögen nach. Oft prägt sich auch das Wahrgenommene
nicht in die Erinnerung ein, oder es gelangt nur ins Unterbewußte, oder zwar
ins Bewußte, aber vermischt mit unterbewußten Bildern, wobei es verändert oder
auch ganz verdrängt werden kann. Entstehende Lücken werden durch Mutmaßungen
geschlossen und die Auffassung anderer, in der Form von Gehörtem und
Gelesenem, beginnt eine Rolle zu spielen.
Schließlich bringt auch die Wiedergabe
einen Haufen von Fehlerquellen.So wird häufig nicht alles Erinnerte oder
Erinnerliche wiedergegeben, ohne daß diese Unterlassung jedoch immer auf
schlechtem Willen oder nur auf Bequemlichkeit des Zeugen beruht. Der Zeuge
läßt sich auch leicht durch Suggestivfragen beeinflussen, und selten gleicht
ein Protokoll in allen Nuancen der Aussage. In unserm besonderen Falle kommt
noch ein Gefühl von falschverstandener Loyalität hinzu, das die Wiedergabe
verfälscht oder im günstigsten Falle den Zeugen dazu verleitet, seine Worte
auf die Goldwaage zu legen. Verschiedene Zeugen waren selbst tiefer in die
damaligen Ereignisse verstrickt, als sie wahrhaben wollten. Es versteht sich,
daß die Erinnerung ihnen unangenehm ist, sie diese verdrängen oder ihre
Aussage vorsichtig und zurückhaltend machen, allein schon, um nicht selbst in
die Sache hineingezogen zu werden. Diese Bedenken gelten bei den
Zuchthausbeamten, bei den Gestapobeamten von Frankfurt/Oder und den
Mitgliedern des Räumungskommandos. Der Leiter der Stapostelle Frankfurt/Oder
und der Führer des Hinrichtungskommandos, gegen die Anklage erhoben worden
war, dürften schon aus reiner Verteidigungstaktik ihre Mitwirkung
abgeschwächt haben. Schließlich konnten Verbindungen zwischen einigen Zeugen festgestellt werden, was den Verdacht einer Absprache aufkommen läßt.
Oft war es auch nicht möglich, die
Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit einer Aussage durch Vergleich mit
anderen Aussagen zu prüfen, da viele Zeugen inzwischen verstorben sind oder
nicht ermittelt werden konnten, wie das z. B. der Fall für die Mitglieder des
Erschießungskommandos war.
Aus der Enge der zur Verfügung stehenden
Quellenbasis ergeben sich gewisse Ungleichheiten in der Erfassung und in der
Bearbeitung der Problematik. Viele Fragen müssen leider noch offen bleiben.
Trotzdem versuchte der Autor, auf Grund der verfügbaren Unterlagen, ein
einheitliches Werk zu schaffen, das jedoch nicht frei ist von größeren und
kleineren Ungenauigkeiten und Lücken, die Berichtigungen und Ergänzungen
erfordern. Die gesammelten Unterlagen sollen den aktuellen Stand der Forschung
über diesen Themenkreis widerspiegeln und die Ausgangsbasis zu weiteren
Nachforschungen bilden. Der Autor hofft, dieses Ziel erreicht zu haben.
Itzig,
den 1. September 1978
Der
Autor
II.
Das Zuchthaus Sonnenburg/Neumark
2
1° Ursprung und Beschreibung
Sonnenburg, heute Slonsk, war eine kleine
Ortschaft von höchstens 4 000 Einwohnern in der ehemaligen Provinz
Brandenburg, 95 km
östlich von Berlin und 14 km
östlich von Küstrin (Kostrzyn nad Odra)3,
an der Straße Berlin-Küstrin-Schwerin (Skwierzyna)-Posen (Poznan) gelegen.
An Industrie bestand nur eine kleine
Seidenweberei4, und es ist daher verständlich, daß
das Zuchthaus im Geschehen des Städtchens eine große Rolle spielte. Das
Zuchthaus selbst lag schon etwa 600
m außerhalb der Ortschaft, auf der linken Seite der
Straße nach Posen.
An der Jahreswende 1832/1833 errichtete
man die ersten Gebäude des Zuchthauses, das schon während der Kaiserzeit und
später während der Weimarer Republik zu den berüchtigsten Strafanstalten im
damaligen Preußen zählte. Nach dem 1. Weltkrieg und besonders in den Jahren
1920-1928 begegnete man hier neben gewöhnlichen Kriminellen auch inhaftierten
Kommunisten, von denen Max Höltz der bekannteste ist. Durch das
Amnestie-Gesetz vom 14. Juli 1928 wurde ein Teil der politischen Gefangenen
am 16. und 17. Juli entlassen. Ab 1930 war die Anstalt hauptsächlich mit
kriminellen Verbrechern belegt. Wegen der ungenügenden sanitären Bedingungen
brach unter den Häftlingen eine Epidemie aus, welche die Regierung Braun in
Preußen zwang, das Zuchthaus zu schließen (1931).
Nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung wurde am 20. März 1933 beschlossen, das ehemalige Zuchthaus
als Konzentrationslager zu benutzen. Es erhielt die offizielle Bezeichnung
„Staatliches Konzentrationslager in Sonnenburg
N/M" (Neumark)5. Durch den Erlaß des Preußischen Innenministers über die „Vollstreckung der Schutzhaft" vom 14
Oktober 1933 wurde Sonnenburg ausdrücklich als staatliches Konzentrationslager
bestätigt. ,,. . . Staatliche Konzentrationslager sind nur die Läger, die
von mir ausdrücklich als solche bestätigt worden sind. Zur Zeit sind als
Konzentrationslager anzusehen: . . . b) Lager Sonnenburg, Bez Frankfurt a/O.,
. . ."6
Das Lager war bald mit Nazi-Gegnern
gefüllt. So bekannte Persönlichkeiten wie der spätere
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzki und
Willi Kasper, der Leiter der
kommunistischen Fraktion des Landtages, waren hier in Schutzhaft7.
Durch die zur Außenwelt geknüpften Verbindungen gelangte auch Material über
die Verbrechen von Sonnenburg in das „Braunbuch", das Ende August 1933 in Basel in
zahlreichen Sprachen erschien und Einzelheiten über den Nazi-Terror in alle
Welt trug8.
Die Bewachung des Lagers übernahm bis
August 1933 die SA-Abteilung Horst Wessel, um dann von einer SS-Abteilung
unter SS-Obersturmführer Breuming abgelöst zu werden. Jedoch am 23. April
1934 wurde das Konzentrationslager aufgelöst, und die Häftlinge kamen in die
Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen. Sonnenburg selbst wurde wieder
als Zuchthaus in Betrieb genommen9.
,, . . . Zuchthaus Sonnenburg (Neumark)
Sitz: Sonnenburg (NM), Chausseestraße 22, Belegfähigkeit: 656 Männer . . .
Postscheckkonto Berlin 1676 28. Fernsprechanschluß: Sonnenburg (NM) 204.
Zuständige Bahnstation: Sonnenburg (NM)."10
Das Zuchthaus lag etwas abseits und war
durch Gärten von der Straße getrennt. An der rechten Zuchthausmauer führte
ein Privatweg zum anstoßenden, zuchthauseigenen Bauernhof. Von der
Hauptstraße ging man durch eine kurze Kastanienallee zum Zuchthauseingang.
Dem eigentlichen, durch eine hohe Mauer umschlossenen Zuchthausbering waren
drei Gebäude vorgelagert. Der Weg verlief zuerst unter einer Wohnung hindurch.
Rechts vom Haupteingang lag eine andere Wohnung, links davon stand die
Pförtnerwohnung. Dahinter waren Gärten. Durch die äußere Umfassungsmauer kam
man über den Rundgang zum Nordflügel, dem Verwaltungsgebäude. Eine Mauer
verband den Nordflügel links mit dem Westflügel und rechts mit dem Ostflügel.
Ein Steg diente zwischen den Gebäuden als Verbindungsweg. Hinter dem
Westflügel lag ein Hof. Darin befand sich parallel zum Nordflügel ein
Holzgebäude. An die innere Umfassungsmauer waren die Beruhigungszelle und
die Küche angebaut. Das große Arbeitsgebäude bildete den Abschluß. Ein Steg
verband dieses mit dem Nordflügel11.
An der äußeren Umfassungsmauer hinter dem Arbeitsgebäude lagen die
Möhrenmieten, an denen die Erschießungen vom 30./31. Januar 1945 stattfanden12. Neben den Mieten führte eine Tür durch die äußere
Umfassungsmauer zu einer außerhalb des Beringes liegenden Werkstätte. Hinter
Küche und Westflügel im Rundgang lagen andere Silos. Der eigentliche
Zuchthaushof war rechts vom Nordflügel und hinter dem Ostflügel. In dessen
Mitte befand sich die einzige Pumpe des Komplexes. Vom Gefängnishof aus führte
eine Verbindungstür zum Holzhof. Zwischen Gefängnis- und Holzhof stand das
Spital. Vor dem Spital war ein Garten. Gegenüber dem Spital, an der äußeren
Umfassungsmauer, lag die Garage. An der rechten Umfassungsmauer führte der
Diensteingang über den schon erwähnten Privatweg wieder zur Hauptstraße
zurück. An den vier Ecken des Rundganges standen je ein Postenhäuschen.
Nord-, Ost- und Südflügel sowie das Arbeitsgebäude waren vierstöckig. Das
Spital war zweistöckig, während die übrigen Bauten nur ein Stockwerk besaßen13. Stacheldraht befand sich an den Dachrinnen und auf
der Umfassungsmauer14. Die Häftlinge lagen in
Einzel- oder Gemeinschaftszellen 15.
Die Toten der Anstalt wurden auf einem
besonderen Friedhof bestattet, der sich gegenüber dem Bahnhof in einem
Wäldchen befand16. Außer dem Friedhof ist vom
Zuchthauskomplex fast nichts mehr erhalten geblieben.
2° Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Häftlinge
Das Zuchthaus Sonnenburg/Neumark gehörte
zum Oberlandesgerichtsbezirk II Berlin (Kammergericht). Dem Zuchthaus
angegliederd war das Gerichtsgefängnis Sonnenburg/Neumark17.
Ab 1944 war Hanssen Generalstaatsanwalt beim Kammergericht in Berlin
und somit für Sonnenburg zuständig18. Als selbständige
Vollzugsanstalt der Reichsjustizverwaltung wurde Sonnenburg von den
verschiedenen Dienstgraden der Justizaufseher bewacht. Anstaltsvorstand war
zu jener Zeit Regierunesrat Theodor Knops19.
Als stellvertretender Direktor waltete seit 1938 Verwaltungsoberinspektor
Georg Rung20. Das Spital betreute Wladislaus
Totmczek
21, weil es einen hauptamtlichen
Arzt nicht gab. Diese Funktion wurde von Dr. Seidler aus Sonnenburg
nebenamtlich ausgeübt22.
Neben den Beamten taten noch Angestellte
in Sonnenburg Dienst23. Auch einige besonders
vertrauenswürdige Häftlinge waren im Verwaltungsdienst beschäftigt24. Ja,
das Vertrauen in verschiedene Häftlinge ging soweit, daß sie einige Wochen
vor den tragischen Ereignissen zu regelrechten Hilfsaufsehern wurden und
Feuerwaffen erhielten, um im Falle einer Revolte der Gefängnisverwaltung
helfen zu können, die Ordnung wieder herzustellen25.
In den einschlägigen Vorschriften gibt es keine Bestimmung über eine
Selbstverwaltung der Gefangenen. Doch aus verschiedenen Zeugenaussagen geht
hervor, daß die sogenannten Kalfaktoren eine besondere Stellung im Gefängnis
einnahmen26. Das Zuchthaus wurde also nie von der
SS verwaltet.
Die Außenarbeitsstelle von Sonnenburg
bildete das Kommando von Schwerin/Warthe27.
Ob das Gefangenenlager Elberegulierungslager Griebo b/Coswig auch als
Nebenstelle von Sonnenburg diente, wie behauptet wurde, konnte nicht geklärt
werden28.
Bis zum 01. September 1939 war das
Zuchthaus mit deutschen kriminellen und politischen Gefangenen belegt, deren
Zahl 656 Häftlinge nie überschritt. Nach Kriegsbeginn trafen auch Polen in
Sonnenburg ein29. Im Jahre 1942 jedoch wurde
Sonnenburg Nacht- und Nebelanstalt und die ersten westlichen Ausländer,
meistens Belgier und Franzosen, tauchten hier auf.
Nacht- und Nebel-Häftlinge (NN-Häftlinge)30 waren Gefangene die Aufgrund des sogenannten Nacht-
und Nebel-Erlasses vom 07. Dezember.1941
verhaftet worden waren. Dieser geheime Erlaß, der von Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, unterzeichnet
ist und daher auch Keitel-Erlaß
genannt wird, behandelte die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder
die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten. Im Begleitschreiben dazu heißt es, daß eine
wirksame und nachhaltige Abschreckung nur durch Todesstrafen oder durch Maßnahmen zu erreichen sei, „die die Angehörigen und die Bevölkerung
über das Schicksal des Täters im Ungewissen
halten. Diesem Zweck dient die Überführung nach Deutschland."
Die Verordnung war zunächst
nur auf die besetzten Westgebiete, d. h. auf
Norwegen, die Niederlande, Belgien und Nordfrankreich und auf das restliche
Frankreich anwendbar31. Eine Ausnahme bildete Dänemark32. Später fielen auch Böhmen, Mähren und die Ukraine unter diese Bestimmungen33. Dagegen wurden Deutsche
oder Deutsche auf Widerruf nicht als NN behandelt34. In
verschiedenen luxemburgischen Veröffentlichungen werden auch Luxemburger als NN-Häftlinge erwähnt. Hierzu sei jedoch gesagt, daß der NN-Erlaß sich nicht auf
Luxemburg bezog. Der gleichen
Meinung war auch Fritz Hartmann, Leiter des Einsatzkommandos
der Sicherheitspolizei und des SD in Luxemburg, vor dem Kriegsverbrecher-Gericht in Luxemburg35. Wie
ist dieser Widerspruch zu erklären?
In der NN-Prozedur war die Gestapo nur berufen, eine zweitrangige Rolle zu
spielen, was Himmler sichtlich nicht behagte. Aus einer Verordnung
des Reichssicherheitshauptamtes vom 18. August 1942 geht hervor, daß die Gestapo sich anschickte, wenn sie es
nicht schon früher tat, ihre eigenen
NN-Transporte nach Deutschland in die Konzentrationslager zu schicken, und dies im Widerspruch zu den
Verordnungen des OKW36. So ist es nicht ausgeschlossen, daß
auch Luxemburger fälschlicherweise von der
Gestapo als „NN" bezeichnet wurden.
Unter
die Bestimmungen der Verordnung fielen: Anschläge gegen Leib und Leben, Spionage, Sabotage,
kommunistische Umtriebe, Straftaten,
die geeignet waren, Unruhe zu stiften, Feindbegünstigung (durch Menschenschmuggel, Versuch in eine feindliche Wehrmacht einzutreten, Unterstützung von feindlichen Wehrmachtsangehörigen)
und unerlaubter Waffenbesitz.
Diese Straftaten waren nur in den besetzten Gebieten abzuurteilen,
wenn für die Täter Todesurteile ergingen und dieselben sofort vollstreckt werden konnten. Im andern Falle
wurden sie nach Deutschland
gebracht, wo sie im „Nacht und Nebel" verschwanden37. Ihr Zustand wird am besten bezeichnet als
„ziviler Tod".
Die für die NN-Fälle in Frage
kommenden Gerichte waren je nach Ursprung des
Falles, das Sondergericht
in
- Köln für das besetzte französische Gebiet,
- Dortmund für das besetzte belgische und niederländische Gebiet
- Kiel für das besetzte
norwegische Gebiet, und
- Berlin für die übrigen
Gebiete38.
Dazu kamen später noch die Sondergerichte
in Essen39, Hamm40
? Nürnberg und Stuttgart41. Aber auch das Volksgericht unter
Präsident Freister urteilte
NN-Gefangene ab und sprach meistens die Todesstrafe aus42.
Wegen der
vielen Bombardierungen mußten ab Frühjahr 1944 die
niederländischen,
belgischen und nordfranzösischen NN-Fälle nach
Schlesien
zur Verhandlung
überwiesen
werden43.
Die gerichtlichen Verhandlungen erfolgten wegen Gefährdung der Staatssicherheit unter strengstem Ausschluß
der Öffentlichkeit44. Es bedurfte der besonderen Zustimmung des Staatsanwaltes, um
ausländische
Zeugen zu vernehmen,
da
verhindert werden
sollte, daß über das Schicksal dieser Gefangenen im Ausland etwas bekannt
wurde. Etwaige Nachforschungen nach den Beschuldigten von nicht zuständigen Dienststellen
waren mit der Feststellung zu
beantworten, ,,daß . . . festgenommen ist und
der Stand des Verfahrens keine
weiteren Mitteilungen erlaubt.
"45
Sollte der Vorsitzende des Sondergerichtes
dem Strafantrag des Staatsanwaltes nicht stattgeben, mußte er es diesem zu erkennen geben. Später war
auch eine Abweichung vom Anklagevertreter
nicht mehr möglich. Wegen
der
absoluten Geheimhaltung wurde auch
vom Wahlverteidiger für
die Angeklagten
abgesehen46. Ja, ab Februar 1943
stand es sogar im Ermessen
des Gerichtsvorsitzenden, NN-Beschuldigte
ihres Rechtsbeistandes
zu berauben47. Es sollten keine Akten
oder Verzeichnisse angelegt werden,
um zu verhindern, daß irgendwelche
Nachrichten über das Schicksal des ausländischen Gefangenen die Außenwelt erreichen
könnten48. Freigesprochene
NN-Gefangene
oder solche, die ihre Strafe verbüßt hatten,
wurden von den
Gerichtsbehörden an die Gestapo zur Schutzhaft ausgeliefert49.
Die NN-Beschuldigten
durften
„weder selbst schreiben noch Briefe, Pakete oder Besuche
empfangen. Auch
ist dafür Sorge zu tragen, daß bei dort eingehenden
Rückfragen
von Angehörigen über den Beschuldigten keinerlei Auskunft gegeben wird"50.
Der Leichnam von hingerichteten
oder verstorbenen NN-Gefangenen wurde der Staatspolizei zur Bestattung überwiesen. Die Gräber diese
Häftlinge
durften nicht durch Angabe der Namen der Verstorbenen gekennzeichnet werden. In andern Fällen dagegen
wurden die Leichen in einem
Konzentrationslager eingeäschert und die Urnen dort aufbewahrt51.
Die weiteren Maßnahmen begriffen die Unterlassung der vorgeschriebenen
Beurkundung von Geburten und Todesfällen im zuständigen Todesamt, die
amtliche Verwahrung irgendwelcher Testamente oder vermachten Eigentums. Außerdem war es verboten,
Abschiedsbriefe zu schreiben oder
irgendwelche Auskünfte an die Angehörigen oder die Presse über Todesfälle
oder Hinrichtungen zu geben52. Hatte jedoch ein zum Tode Verurteilter den
Wunsch
nach dem Anstaltsgeistlichen geäußert, so wurde dem entsprochen.
Der
Anstaltsgeistliche sollte jedoch gegebenenfalls zur besonderen
Geheimhaltung
verpflichtet werden53.
Trotzdem wuchs der Widerstand
in den besetzten Gebieten weiter, so daß
Hitler
noch drastischere
Gegenmaßnahmen verfügte. Am 30. Juli 1944
unterschrieb
er den Erlaß
zur Bekämpfung von
Terroristen und Saboteuren
in
den besetzten Gebieten,
den sogenannten "Terror- und Sabotage"-Erlaß54.
Dieser Erlaß mit seinen
Durchführungsbestimmungen
ließ den
Nacht- und Nebel-Erlaß
gegenstandslos werden55. Weiter befahl
Hitler
im Herbst 1944, daß die Verfahren
gegen die NN-Häftlinge nicht mehr
bei
den Wehrmacht- und Justizgerichten
fortzuführen, sondern, unter
gleichzeitiger
Überstellung der Gefangenen
an die Gestapo, an diese abzugeben
seien. Aus diesem Grunde wurden die
NN-Gefangenen des Berliner
Bezirks ins Konzentrationslager Oranienburg
gebracht56. Dies erklärt
auch, warum die meisten NN-Häftlinge, etwa
800
an
der Zahl, das
Zuchthaus
Sonnenburg wahrscheinlich am 11. November
1944
verließen, um in dieses
Konzentrationslager
überführt zu werden57.
An ihre
Stelle kamen Gefangene, die von einem
Wehrmachtgericht wegen Verstöße
gegen die Bestimmungen des
Militärstrafgesetzbuches verurteilt worden
waren. Besonders bemerkenswert
für diese Häftlingskategorie war, daß
die erlittene Untersuchungshaft
und die in die Zeit des Krieges fallende Vollzugszeit nicht auf die Strafzeit anzurechnen waren. Die
Wehrmachthäftlinge
kamen
aus den
sogenannten
Moorlagern im Emsland und zwar
über das Durchgangslager II
Aschendorfermoor aus den Lagern I Börgermoor, III Brual-Rhede, IV Walchum, V Neusustrum und VII
Esterwegen,
bei den
Häftlingen
berüchtigt als die
„Hölle am Waldesrand"58, in denen zu
jener Zeit besonders der Strafvollzug an verurteilten Soldaten, Wehrmachtbeamten und
verurteiltem Wehrmachtgefolge vollzogen wurde59. „Die Mehrzahl
der verurteilten Soldaten wird mit Kuhlarbeiten im Moor, mit Straßen- und Wegebau, Verlegung von Fernkabeln und anderen schweren und gefährlichen
Arbeiten beschäftigt Die Kost ist
schmal . . . Der Verkehr mit der Außenwelt ist weitgehend eingeschränkt. Im übrigen fehlt dem Vollzug die
geforderte Härte nicht. Schärfste Ordnung und strenge Disziplin sind Merkmale dieser Verwahrung"60. Das Resultat dieser
Behandlung war auch dementsprechend
„Etwa 1/4 aller von mir untersuchten Gefangenen haben
Spuren von Mißhandlungen gezeigt .
. . Die geringen Kartoffelrationen von nur 350 Gramm täglich wirken sich sehr schlecht aus, so
daß der Ernährungszustand
durchweg ungünstig ist."61
Auf einer Besprechung der für das Emsland und
Umgegend zuständigen
Staatsanwälte im Mai 1944 wurde beschlossen, bei Frontnäherung, die
unzuverlässigen Elemente weiter ins Landinnere zu bringen62. In
einer ersten Phase wurden im
Laufe des Monats Juni 1944 die gefährlichen Elemente (asoziale Gefangene, Sicherungsverwahrte,
Ausländer, zivilgerichtlich Verurteilte, usw.) aus dem Emsland
abtransportiert63. Am 20. Juni 1944 begann man auch die Effekten
und Wertsachen der zurückzulassenen
Gefangenen
zu verlagern(64).
Später
rechnete
Hitler
sogar mit einer alliierten Landung in der
Deutschen Bucht, so daß er am 29. August 1944 den Ausbau der gesamten Küste von der
dänischen
bis zur holländischen Grenze sowie der bisher noch nicht
ausgebauten
Nord-
und Ostfriesischen
Inseln befahl65. Das Emsland war
also unmittelbar
bedroht. Diese Bedrohung nahm mit den alliierten
Luftlandungen
bei Arnheim
und Nimwegen (17.
September 1944) und mit der
Einnahme
von Aachen
(21. Oktober 1944)
konkretere Formen an. Aus diesem
Grunde scheinen
im Laufe des Novembers 1944 sämtliche nichtdeutschen
und sonstige
unzuverlässigen Strafgefangenen, die bei der damaligen
Lage als eine Gefahr für die
Sicherheit der Truppe und der Bevölkerung angesehen
wurden,
ins Zuchthaus
Sonnenburg überführt
worden zu sein.
Hierunter
befanden sich
sämtliche in den
Moorlagern einsitzenden Luxemburger,
deren genaue
Zahl sich
jedoch nicht mehr feststellen ließ. Wohl
erwähnt ein
Bericht
vom 01. November
1944 die Gegenwart von
99
Luxemburgern66.
Leider
wissen wir nicht, ob bis zum Transporttag nicht noch Ab-
und
Zugänge von Luxemburgern zu verzeichnen waren. So kamen bereits wieder einige Tage nach
der Abreise der Häftlinge nach
Sonnenburg vier Luxemburger im Aschendorfermoor an67. Ein
Zeuge berichtet auch, daß im November 1944 einem
Luxemburger die Flucht von
einem Arbeitskommando im Lager
II
Aschendorfermoor gelang68.
Sichere Feststellungen über die Zusammensetzung der Häftlinge in Sonnenburg
im Augenblick der hier behandelten Ereignisse nach Nationalität, nach Art
der Delikte sowie nach der Höhe der verhängten Strafen waren nicht mehr möglich. Mit Sicherheit konnte
aber festgestellt werden, daß
sich unter den Häftlingen auch Schwerverbrecher, wie Mörder und
Gewaltverbrecher, befanden. Welchen Anteil sie aber in der Gesamtzahl
darstellten, war nicht mehr herauszufinden. Die Angaben des Anstaltsleiters Knops
zu diesem Punkte sind unzuverlässig und in sich auch widersprüchlich. Während er noch in seiner
richterlichen Vernehmung 1957 angab,
daß auch einige NN-Verurteilte im Zuchthaus waren, sagte er später, 1962, in einer
Vernehmung vor dem Staatsanwalt aus, daß sich 1945 keine politischen Häftlinge aus dem Ausland mehr
dort befunden hätten69.
Dies stimmt aber nicht; man braucht nur an die beiden verurteilten Mitglieder
des französischen Widerstandsnetzes „Alliance" zu denken70. Es sei denn, man nimmt an, daß Knops eine
andere als die übliche Auffassung von politischen und kriminellen Gefangenen hatte. Weiter mag der Anstaltsleiter von
Sonnenburg versucht haben,
seine Beteiligung an der Aussonderung der Häftlinge zu verharmlosen, indem er
sämtliche Häftlinge als
kriminelle
Verbrecher darstellte.
Auch für das Kieler Landgericht gab es zur Zeit der
Erschießungen keine verurteilten NN-Gefangenen in Sonnenburg, weil es von der
falschen Auffassung ausging, daß für die ins Reich gebrachten NN-Gefangenen die Aburteilung in einem Strafverfahren
nicht zu erwarten war71. Das Gericht kannte z.B. die Bestimmung
nicht, nach der die NN-Gefangenen von Sondergerichten in Köln, später
Breslau, Dortmund, Kiel und Berlin verurteilt wurden72. Dagegen
zitiert das Kieler Landgericht in einem andern Zusammenhang einen Aktenvermerk
über die Zusammensetzung der Gefangenen vor der Räumung des Gefängnisses
Cottbus, in dem 12
NN-Gefangene aufgeführt werden73.
Da wiederholt ganze Gruppen von
Häftlingen in andere Anstalten verlegt oder ins Konzentrationslager überführt
wurden, mußte es dem einzelnen Zuchthausbeamten schwerfallen, über die
Zusammensetzung der Häftlinge
nach Delikt und Nationalität erschöpfende Auskunft zu geben. Sicher ist, daß die meisten Gefangenen
ausländischer Herkunft waren. Folgende Ausländer saßen in Sonnenburg ein:
Belgier, Dänen, Franzosen,
Holländer, Jugoslawen, Luxemburger, Norweger, Polen, Russen und Ukrainer.
Über den Anteil der kriminellen und
der politischen Häftlinge lagen
keine zuverlässigen
Angaben vor. Man kann wohl der Aussage von Betriebsleiter Blauert folgen, wenn er angibt, es hätten sich alle
Arten von Gefangenen dort befunden. Er gibt die Sicherungsverwahrten mit etwa 200 an, die Schwerverbrecher mit etwa 80 (im
Westflügel) und eine unbestimmte
Anzahl Wehrmachtsträflinge74.
Auch an den verhängten Strafen läßt sich erkennen, welche Häftlinge vorwiegend in
Sonnenburg einsaßen. Fast sämtliche Luxemburger, völkerrechtswidrig in
die Wehrmacht gezwungen, waren wegen Fahnenflucht
zu Strafen von 4-15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Dagegen gab es auch einige
Fälle
von Wehrkraftzersetzung mit Strafen von 3-5 Jahren Zuchthaus75.
Bei
den in Kiel vernommenen Zeugen konnten folgende Vergehen festgestellt werden: Sabotage (3 Jahre Freiheitsentzug), Schwarzhandel (9 oder 18 Monate), Diebstahl (1 Jahr Zuchthaus),
Wirtschaftssabotage
(3 Jahre
Zuchthaus), Beteiligung an der Vernichtung von für
die
Front bestimmten
Postpaketen
(10 Jahre Zuchthaus), Diebstahl und
Weitergabe einer
Decke
bei Räumungsarbeiten (15 Jahre Freiheitsentzug)76,
gewerbsmäßiger Handel mit
Lebensmittelkarten (4 Jahre Zuchthaus),
Rassenschande und Judenbegünstigung (2 1/2 Jahre Zuchthaus)77,
Geschlechtsverkehr
mit einer minderjährigen Polin (4
1/2 Jahre
Zuchthaus)78. Es saßen also in
Sonnenburg nicht nur Gefangene ein, die wegen
ganz bestimmter Delikte
verurteilt worden waren, wie z. B. politische
oder schwere kriminelle
Straftaten, sondern auch Häftlinge, die aus
unserer heutigen Sicht als leichte
Fälle angesehen werden müssen, damals aber
zu
harten Strafen verurteilt
wurden.
Das Zuchthaus besaß eine
Belegfähigkeit
von
656
Personen79. Die
Stärke
der Belegung wechselte häufig und dürfte im Januar 1945
auf etwa 1 000 Häftlinge geschätzt werden. Genaue Angaben waren leider nicht
aufzutreiben80.
Anfangs wurden die Gefangenen im Zuchthaus
Sonnenburg mit Flechten
und Anfertigen von Strohschuhen und
Strohtaschen beschäftigt81.
Später entstanden dann Werkstätten, in
denen verschiedene Fabriken und
Unternehmen Nebenstellen
einrichteten. Dies geschah zu einem unbekannten
Zeitpunkt, wahrscheinlich infolge der Bedürfnisse der Kriegswirtschaft.
Auf jeden Fall hieß
es bereits in einem Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 10. Juli 1939 über die 2. Sitzung des
Reichsverteidigungsrates, des höchsten Gremiums für Fragen der Kriegsvorbereitung,
vom
23.
Juni
1939: „Der GBW (= der Generalbevollmächtigte für die Wirtschaft, Reichsminister Funk) wird beauftragt, diejenige Arbeit, welche den Kriegsgefangenen, den im Gefängnis,
Konzentrationslager und Zuchthaus verbleibenden Menschen zu übertragen ist, festzulegen"82.
An Firmennamen sind bis jetzt
bekannt: Heidenreich, AEG und
MWF83. Von
diesen wissen wir aber nur, daß Heidenreich eine Fabrik für Bienenzuchtgeräte im Zuchthaus unterhielt84.
Dagegen gab es eine ganze Reihe von
Werkstätten, deren Inhaber nicht in Erfahrung zu bringen waren:
„Das mechanische Atelier" = Herstellung von
kleinen Geschossen.
„Die Schreinerei" = Herstellung von
Kisten für Geschosse, Holzvertäfelung
für
Flugzeuge, usw.
„Die Trennerei" (von
einem
deutschen Unternehmer geführt) = Auftrennen von Zelten, unbrauchbaren
Regenmänteln,
Hosenträgern,
usw.85.
„Das Mika"
(Glimmer) = Spaltung
von Glimmer für Flugzeugkondensatoren86.
„Die
Bindfäden" = Aussondern
von gleich dicken Bindfäden aus Papier
und Anfertigen
von frischen Knäueln87.
„Die Kürschnerei" = Herstellung
von Sätteln,
Fallschirm- und Gewehrriemen88.
„Die Kricke" = Reparieren von
Hebewerkzeugen. „Die
Kabel" = Herstellung von Kabel für
die Unterseeboote. „Die
Stanzstelle" =
Verbesserung von
Geschossen89. „Die
Schneiderei"90.
Außerdem gab es noch Kommandos zum
Transport der
Geschoßkisten, zur
Herstellung von „Fahnen" aus Holz, von Signallampen
für die Wehrmacht,
für das Richten von
alten, verbogenen Nägeln,
für die Arbeit auf dem
zuchthauseigenen landwirtschaftlichen Gut91.
Neben der
Beschäftigung im Innern des Zuchthauses
bestanden auch noch Außenkommandos92.
Sie arbeiteten
z.
B.
in den landwirtschaftlichen Betrieben
der Umgegend und bei der Firma
Becker
in Schwedt, kehrten jedoch
abends ins
Zuchthaus zurück93.
Über die Arbeit bei der Firma
Becker
war jedoch nichts
in
Erfahrung
zu bringen. Ein
weiteres Kommando war in der
Pulverfabrik in
Lemtitz (Lemierzyce) beschäftigt94.
Das Kommando in Schwerin/Warthe,
das in einer Munitionsfabrik beschäftigt war, dessen Leiter Bercholz
hieß, bildete eine Ausnahme
Diese Gefangenen schliefen in Schwerin und kamen nicht nach Sonnenbürg zurück95. In welcher Beziehung
dagegen Griebo b. Coswig zu Sor
nenburg stand, konnte noch nicht geklärt werden. Die Gefangenen blieben auch hier im Lager und waren mit
Regulierungsarbeiten der Elbe betraut96.
Die Arbeitszeit dauerte gewöhnlich
12 Stunden. Gearbeitet wurde ter unhygienischen Bedingungen in zwei Schichten:
einer Tages- und einer Nachtschicht97. Verschiedenen Häftlingen gelang es „wegen
ein wandfreier Führung"
in die Verwaltungsbüros des Zuchthauses und der Betriebe zu kommen98. Welche Kriterien
für diese „einwandfreie Führung" angewandt wurden, bleibt unbekannt.
Die Nahrung war von schlechter
Qualität und völlig unzureichend Morgens: 200 gr trockenes Brot; mittags: 1 Ltr. Suppe, Rüben, getrocknetes Gemüse, Kohl, usw.; abends
3/4 Ltr. Suppe der selben Art99. In den Betrieben, welche Gefangene beschäftigten, waren
diese Zustände bekannt. Einzelne Betriebsführer ließen den Gefangenen
heimlich Brot und andere
Lebensmittel zukommen, obschon dies verboten war, oder versuchten in den Betrieben Mahlzeiten auszuteilen100.
Die vorgeschriebene
Zuchthaus-Kleidung war der übliche gestreifte Anzug (gelbe Streifen auf schwarzem Grund); dazu
kamen Strümpfe und Holzschuhe.
Diese Kleidung scheint aber nicht immer ausgeteilt worden zu sein. So erhielten z. B. politische Häftlinge
alte polnische Uniformen.
Das Wechseln der Wäsche geschah nur sehr unregelmäßig, und die Gefangenen waren vom Ungeziefer geplagt101.
Die Häftlinge lebten in Einzel-
oder meistens in überfüllten Gemeinschaftszellen102. Besonders gefährliche Gefangene, wie z. B.
die Mitglieder des „Reseau
Alliance", waren tags und nachts mit Handschellen gefesselt103. Dies war nach der
Strafvollzugsordnung vom 22. Juli 1940 zulässig, wo es im § 178 heißt:
,,1. Ein Gefangener darf gefesselt werden, wenn er versucht hat zu fliehen oder sich das
Leben zu nehmen, oder
wenn er eine Gewalttat gegen Personen oder Sachen begeht, und wenn demgegenüber die Maßnahme unerläßlich ist, um den
Gefangenen zu beruhigen oder
einem neuen Fluchtversuch oder Selbstmordversuch oder einer neuen Gewalttat vorzubeugen.
2. Fesseln dürfen an den Händen
oder an den Füßen angelegt werden . . ."104
Dieselbe Strafvollzugsverordnung
sah unter anderm auch folgende Bestimmungen für die interne Bestrafung von Gefangenen vor: Auschalten der Zellenbeleuchtung bis zu 4 Wochen,
Einschränkung der Rationen bis zu zwei Wochen auf einmal, einfacher und strenger Arrest105.
Gewalt konnte z. B.
angewendet werden, wenn die Gefangenen einzeln oder geschlossen Widerstand
leisteten, einen Wärter angriffen, anzugreifen drohten, ihn anderswie
bedrohten, und schließlich bei Einzel- oder Massenflucht oder -fluchtversuch106. Diese Bestimmungen wurden von
verschiedenen Wächtern, wie z. B.
„Pieds geles" alias „Pieds nickeles", sehr strikt ausgelegt, und
Schläge und Fußtritte für die Häftlinge waren an der Tagesordnung.
Demgegenüber gab es aber auch unter dem Wachpersonal brave Leute, die nur ihre Pflicht taten. Auch
Häftlinge, die eine Sonderstellung
einnahmen, und hier waren es besonders deutsche Kriminelle, zögerten nicht, ihre Mitgefangenen zu
mißhandeln107. Ähnlich verhielten sich verschiedene deutsche Vorarbeiter der Betriebe, die Gefangene beschäftigten108.
Die schlechte und unzulängliche Kost, die schwere und ungewohnte Arbeit, die schlechten hygienischen Bedingungen,
die kalten Zellen, das ungewohnte feuchte Klima und das überfüllte Zuchthaus lasteten schwer auf der Gesundheit der Häftlinge. Dazu kamen noch
die schweren seelischen Spannungen, unter denen besonders die politischen
Gefangenen, wegen ihrer vollständigen Isolierung und der Unsicherheit ihres
weiteren Schicksals, litten. Niemand wußte etwas
über das Ende seiner Haft und das Los
seiner Lieben. Sie sahen die häufigen Abreisen ihrer Mithäftlinge nach einem unbekannten Ort, von wo sie nicht
mehr zurückkehrten. Unter
ähnlichen Spannungen litten später die Wehrmachtgefangenen. Es ist also verständlich, daß die Krankheitsfälle
häufig waren. Diese wurden im Revier behandelt, das zwischen dem Gefängnis und
dem Holzhof lag. Sämtliche vorliegenden Aussagen reden übereinstimmend von der
ausgesprochen schlechten Behandlung in der Krankenstation109.
Auch die Sterblichkeitsrate lag für
ein Zuchthaus außergewöhnlich hoch110. Leider läßt sie sich nicht mehr genau feststellen,
und man muß sie schätzen.
Für den Zeitraum vom 01. Januar 1944-31. Dezember
(111)1944 konnten bis jetzt im Zuchthaus Sonnenburg 231 Todesfälle notiert werden111. Auf eine durchschnittliche
Belegschaft von 1 200112, das ist, um der Uberbelegung des Zuchthauses Rechnung zu
tragen, die fast doppelt Belegfähigkeit der Anstalt113,
bezogen, ergibt dies eine Sterblichkeit quote von 192,5%o. Nach dem
„Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich, Jahrgang 1938 - Internationale
Übersichten", Seite 19, aho letzten
normalen Jahr vor dem Kriege, war die natürliche Sterblichkt Deutschland nur
11,8 %o114. Sonnenburg übertraf diese um
das 16fache. Die
durchschnittliche Monatssterbequote für die Strafanstalt lag 1994 bei
1,60%, sie näherte
sich also der durchschnittlichen
Todesquote von 2,09%, für die
im August 1943 bestehenden Konzentrationslager115.
Fest steht
auf jeden Fall, daß,
bis zu den tragischen Ereignissen
vom 30./31. Januar
1945,
in Sonnenburg keine Hinrichtungen stattfanden.
Diese Feststellung
wird auch durch die Aussage von Vize-Direktor
Georg
Rurig
bestätigt116.
3° Die militärischen Ereignisse
Am 06. Januar 1945 bat
Churchill Stalin, die von der deutschen Ardennenoffensive bedrängten
Alliierten durch einen Angriff im Osten zu entlasten. Stalin verlegte daraufhin den bereits
auf den 20. Januar festgesetzten
Großangriff auf den 12. Januar vor. Die russische Offensive wurde geleitet von Marschall Rokossowski und
General Tschernjakowski gegen
Ostpreußen, von Marschall Schukow gegen Berlin und von Marschall Konjew gegen Breslau (Wroclaw). Der Angriff aus dem südlichen Weichselbrückenkopf bei
Baranow riß die
deutsche Mittelfront auf, und die Rote Armee eroberte die noch von den
Deutschen in Polen besetzten Gebiete
(11.-17. Januar 1945 Warschau (Warszawa), 19. Litzmannstadt (Lodz) und
Krakau (Krakow). Auch die andern Fronten117 schoben sich jetzt in Ostpreußen und Schlesien auf das
Reichsgebiet vor. (19. Januar Tilsit, 20. Wloclawek, 22. Alienstein
(Olsztyn), 26. Hindenburg(Zabrze) in
Oberschlesien, 28. Memel). Am 25. Januar wurden die „Festungen" Posen (Poznan) und Thorn
(Torun); ein Tag später
Graudenz (Grudziadz)
eingeschlossen118. Auch am 25. Januar erfolgte die Umbenennung der deutschen Heeresgruppen: Heeresgruppe Süd
blieb bestehen; aus Heeresgruppe A wurde Heeresgruppe Mitte, eingeschoben wurde
die Heeresgruppe Weichsel; Mitte
wurde Nord, und aus Nord bildete man die Heeresgruppe Kurland. Zum
Befehlshaber der neugebildeten Heeresgruppe
Weichsel ernannte Hitler den Reichsführer SS Heinrich Himmler119.
Im Oder-Warthe-Bogen gingen die Sowjets am 26. und 27.
Januar 1945 wieder offensiv vor. Die
letzte deutsche Verteidigungsstellung vor Sonnenburg war der sogenannte Tirschtiegel (Trzciew)-Riegel, etwa 60 km von Sonnenburg
entfernt. Dieser lief im Norden etwa 75 km östlich von Küstrin an einer Seen-Reihe entlang und stützte sich oberhalb von
Glogau (Glogow) auf die Oder. Die zahlreichen
Seen und Flüsse dieser Gegend
bildeten aber kein allzu großes Hindernis, daß sie zu dieser Zeit so stark vereist waren, daß sogar schwere Panzer
ohne Gefahr darüber fahren konnten.
Am 26. Januar 1945 berichtete das Kriegstagebuch des Ober-kommandos der Wehrmacht: „Schwächere
(feindliche) Kräfte bei Tirschtiegel
und bei Konitz"120. Ein Tag später: „Die
Tirschtiegel-Stellung wurde bezogen,
d. h. die letzte vor der Oder-Warthe-Stellung"121. Danach: „Am Tirschtiegel-Riegel
keine
Angriffe" (28. Januar 1945)122. „Im Raum von Tirschtiegel
feindl.(iche)
Bereitstellungen" (29. Januar 1945)123 Doch
schon am nächsten Tag lautete die Eintragung: „Den Tirschtiegel-Riegel hat er (=
Feind) durchstoßen. Ein Gegenangriff -schlug nicht durch. Kämpfe bei
Züllichau und Schwiebus. Aufgesessene Inf(anterie) ist bereits zur Stelle. Der Feind steht
jetzt vor der Oder- Warthe-Stellung,
bei der unklar ist, ob Kräfte zu ihrer
Besetzung bereits herangeführt wurden.
Nördlich des Riegels stieß der Feind gleichfalls vor bei Meseritz. Spitzen von ihm erreichten
Berlinchen"124. Am 31. Januar: „Nach Durchbruch des Tirschtiegel-Riegels
schob sich der Gegner an Züllichau heran.
Er gelangte bei Meseritz bis zum Truppenübungsplatz. Kämpfe bei Landsberg
und vor Berlinchen; er drang
weiter in Richtung Soldau vor"125. Bereits am 01.
Februar erreichten russische Kräfte nordwestlich von Küstrin die Oder und
bildeten in den Vormittagsstunden bei Kienitz
einen wichtigen Brückenkopf. Die Eintragung hierzu lautete: ,,Südostwärts Odereck konnte der Feind
zurückgeworfen werden. Es gelang
ihm aber, den Tirschtiegel-Riegel zu durchstoßen; er kam bis zum Oder-Warthe-Riegel vor.
Schwiebus wurde
abgeschnitten. Der Gegner drang in
den Sternberger Forst ein und besetzte Meseritz und Schwerin. Kämpfe bei
Küstrin. Nördlich davon kam er bis an
die Oder"126. Vom 01.-03. Februar 1945 rückte die Rote Armee
über Reppen (Rzepin) auf Kunersdorf
(Kunowice) bei Frankfurt/Oder vor und bildete nördlich davon einen kleinen Brückenkopf. In einer
Tagesmeldung vom 02. Februar hieß es: ,,Feindangriffe von Südwesten
und Westen auf Sonnenburg führten zur Einschließung der Besatzung"127.
Das Kriegstagebuch seinerseits wußte am 02. Februar zu melden: „Bei Meseritz
Kämpfe... Nordost-wärts Frankfurt a.d.O. kam der Gegner bis Bischofssee.
Sonnenburg ging verloren. Bei Küstrin wurde
der Feind abgewiesen"128.
Auch nach den polnischen Unterlagen fand die
Eroberung Sonnenburgs am 02. Februar 1945 statt, und zwar durch
Einheiten der 8. Garde-Armee der 1. Weißrussischen Front129.
Dieses Datum wird auch von Henryk Muszynski,
Wally Seidler und von Gertrud Leppin bestätigt130. Des weiteren meldete der amtliche Kriegsbericht der Obersten Heeresleitung der Sowjetarmee vom 03. Februar 1945 die
Einnahme von Sonnenburg131. Der damalige Ortsgruppenleiter von
Sonnenburg, Städter, der noch
am 03. oder 04. Februar 1945 sich unbehelligt nach Westen abgesetzt haben will, muss sich in diesem Punkte geirrt
haben132
4° Die zuständigen Dienststellen.
In die Ereignisse von Sonnenburg waren das
Reichsjustizministerium, das
Reichssicherheitshauptamt und der Reichsverteidigungskommissar für Brandenburg
verwickelt
a) Das
Reichsjustizministerium (s. Organisationsschema)
Reichsjustizminister war seit dem 20. August 1942
der frühere Präsident des
Volksgerichtshofes Dr. Otto Tbierack. Als sein Vertreter amtierte
seit 01. Januar 1944 Staatssekretär Herbert Klemm, der aus der Parteikanzlei, früher Stab des Stellvertreters
des Führers, und wahrscheinlich mit der Protektion Bormanns, in das Reichsjustizministerium kam,
wo er die Abteilung II-Schulung leitete133. Er galt als
persönlicher Vertrauensmann des Reichsjustizministers134. Die hier interessierenden
Abteilungen des Ministeriums
trugen die Nummern
IV, V
und
XV.
Abteilung
IV
betraf das
Strafrecht, Abteilung
V
den Strafvollzug und Abteilung
XV
(geheim), deren
Bildung fast gleichzeitig mit der Ernennung Thieracks
erfolgte,
beschäftigte sich mit der
Abgabe von Justizgefangenen, vor allem
von sogenannten Asozialen, an das
Reichssicherheitshauptamt zur Überweisung in ein Konzentrationslager. 1942
übernahm Erich Vollmer die Abteilung IV135. Ministerialdirektor Karl
Engert war ab
November 1942 Leiter der
Abteilung XV, und ab Mitte 1943 leitete er auch statt des Ministerialdirigenten Marx die Abteilung V.
Engert
amtierte seit 1935 oder 1936 als Vertreter des Präsidenten des Volksgerichtshofes, und er war
Vorsitzender des 2. Senats. Thierack brachte ihn von seiner früheren
Tätigkeit mit in das
Justizministerium. Einer der Referenten der Abteilung V war Ministerialrat Dr. Eggensperger, der das
Zentralbeschaffungsamt führte, welches den
gesamten Materialeinkauf für die Vollzugsanstalten besorgte. Auch Senatspräsident Hecker war
Referent der Abteilung V und für die
Anstaltsräumungen bei Feindbedrohung zuständig.
Wegen der wachsenden Bombardierungen Berlins
mußten, nach einer Anordnung
vom Sommer 1943, die Spitzenbehörden des Reiches aus der Reichshauptstadt evakuiert werden. Aus diesem
Grunde hatte die Abteilung V des Reichsjustizministeriums ihren Sitz teils in
Templin, teils in Prenzlau, jeweils nördlich von
Berlin. Jedoch behielt jede Abteilung ihren Verbindungsbeamten in Berlin. Für
die Abteilung
V
war dies Eggensperger.
Aber auch Hecker
weilte öfters in Berlin, obwohl sein Dienstsitz eigentlich Prenzlau
war.
Er hatte sich im Reichsjustizministerium ein Zimmer eingerichtet136.
Die Gefängnisse und Zuchthäuser unterstanden dem
Generalstaatsanwalt, in dessen
Bezirk sie lagen137. Für den Strafvollzug in Sonnenbure war der Generalstaatsanwalt Kurt-Walter Haussen
beim Kammergericht in Berlin zuständig. Haussen arbeitete bis 1943 im Stabe des
Stellvertreters des Führers
(dieser Stab wurde Parteikanzlei), und ab 1944 als Generalstaatsanwalt beim Kammergericht. Er hatte den
Dienstrang eines SS-Sturmbannführers.
Über 5 Jahre war er persönlicher Referent des Reichsleiters Martin Bormann und daher mit
manchem Gauleiter gut bekannt. Nachdem
seine Dienstwohnung in Berlin ausgebombt worden war, wohnte Haussen mit seiner Familie im ersten
Stock der Dienstwohnung im Zuchthaus Sonnenburg. Der Zuchthausleiter seinerseits bewohnte das Erdgeschoß138.
b) Das Reichssicherheitshauptamt (s.
Organisationsschema)
Für das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) war
Heinrich Himmler verantwortlich, der im Januar 1945 den Höhepunkt seiner Macht erreicht hatte und eine Reihe von Funktionen auf sich
vereinigte: Reichsführer SS (seit 06. Januar 1929), Chef der deutschen Polizei (seit 17. Juni 1936),
Reichs- und Preußischer Minister des Innern (seit 25. August 1943),
Befehlshaber des Ersatzheeres (seit 20. Juli 1944) und Kommandeur der Armeegruppe Weichsel (seit 25. Januar 1945)139. Die
verschiedenen, Himmler unterstehenden Dienste der SS und der Polizei
waren am 01. Oktober 1939 im Reichssicherheitshauptamt zusammengefaßt
worden. Die Bezeichnung
,,Reichssicherheitshauptamt" sollte jedoch nur intern gebraucht
werden. Für die Beziehungen mit fremden Dienststellen lautete die Bezeichnung weiter „Der Chef der
Sicherheitspolizei und des SD" oder
„Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei", später auch „Der Reichsminister des Innern"140.
Das Reichssicherheitshauptamt setzte sich zuerst
aus sechs, später aus sieben Ämtern zusammen141. Die hier
interessierenden Ämter waren das Amt
III - Deutsche Lebensgebiet, es war mit der Bevölkerungsbeobachtung beauftragt, und das Amt VI -
Auslandsnachrichten, beide allgemein bekannt unter der Bezeichnung „Sicherheitsdienst" (SD), ferner das
Amt V - Kriminalpolizei und besonders Amt IV-
Gestapo. Die zwei letzteren zusammen
bildeten die Sicherheitspolizei (Sipo).
Geführt wurde seit 1943 das
Reichssicherheitshauptamt von SS-Obergruppenführer Dr. Ernst Kaltenbrunner, der unmittelbar Himmler unterstand. Die einzelnen Amtsleiter waren: SS-Brigadeführer Otto Ohlendorf
(Amt III), SS-Brigadeführer Walter Schellenberg
(Amt VI), Oberst der Polizei Friedrich Panzinger (Amt V
seit 1944) und schließlich SS-Gruppenführer
Heinrich Müller (Amt IV)142.
Am 13. November 1937 veröffentlichte der
Reichsinnenminister eine Verordnung, die vorsah, daß im Mobilisierungsfalle
sämtliche dem Reichsführer SS und
Chef der deutschen Polizei unterstehenden Kräfte innerhalb eines Wehrkreises
bzw. eines SS-Oberabschnitts einem einzigen Chef, dem von Himmler ausgewählten
„Höheren SS- und Polizeiführer" (HSSPF), unterstellt wurden. In einem Rundschreiben vom 18. Dezember 1939 stellte Himmler die Höheren
SS- und Polizeiführer als seine Vertreter in den Wehrkreisen (später dann auch in den besetzten Gebieten) vor, deren Aufgabe es war, die
vorbereitenden Maßnahmen, die in die Kompetenz der SS, der Ordnungspolizei, der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes fielen, zu ergreifen. Im Falle einer Sonderaktion
übernahmen sie den Befehl über die Waffen-SS und über alle Hilfsorganisationen
der Polizei. Himmler unterließ es jedoch sorgsam, den Zuständigkeitsbereich
der Höheren SS- und Polizeiführer deutlich abzugrenzen, was bald zu Kompetenzschwierigkeiten mit den
Gauleitern führen sollte143.
Der im Jahre 1936 bei jedem Wehrkreiskommando und
bei jeder Gauleitung eingesetzte
Inspekteur der Sicherheitspolizei war der Vorgesetzte der Sipo und des SD auf seinem Gebiet. Am 23.
September 1939 wurde dieser Posten
in „Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD" (IdS) umbenannt144.
Der für Frankfurt/Oder und also auch für
Sonnenburg zuständige
Inspekteur war Dr. Fischer145.
Die Kripoleitstellen und Kripostellen sowie die
Stapoleitstellen und die Stapostellen unterstanden dem
Reichssicherheitshauptamt, konnten jedoch Weisungen vom zuständigen Höheren SS- und Polizeiführer sowie vom Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD
erhalten146. Seit Juli 1944 führte SS-Obersturmbannführer Heinz Richter
kommissarisch die Staatspolizeistelle in Frankfurt/Oder147.
Sein Stellvertreter war Franz
Herget148.
c) Der Reichsverteidigungskommissar
Hitlers Erlaß vom 30. August 1939 schuf
den „Ministerrat für Reichverteidigung", der sich wie folgt zusammensetzte: Göring -
Vorsitzender,
Hess
- Stellvertreter des Führers, Frick - Generalbevollmächtigter für
die Reichsvcrwaltung, Funk -
Generalbevollmächtigter für die Wirtschaf, Lammers - Chef der Reichskanzlei und
Keitel - Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Der Rat konnte Verordnungen
mit Gesetzeskraft lassen. Am 01. September 1939 unterschrieb er die
Verordnung über die Bestellung von Reichsverteidigungskommissaren, wonach
gemäß § 1 für jeden Wehrkreis ein Reichsverteidigungskommissar (RVK) ernannt
wurde, der als ausführendes Organ des obigen Ministerrates gedacht war. Zu
Reichsverteidigungskommissaren wurden ausschließlich
Gauleiter ernannt, die schon Staatsämter innehatten. Für den Wehrkreis III
(Berlin) war dies Emil Stürtz, Oberpräsident der Provinz Brandenburg149.
Am 22. September 1939 erschien
eine Durchführungsverordnung, welche den Begriff des Beauftragten des
Reichsverteidigungskommissars schuf. Im Wehrkreis III erhielt Görlitzer
diesen Posten für den Gau Berlin150. Jedem Reichsverteidigungskommissar
wurde ein sogenannter Verteidigungsausschuß mit beratender und
unterstützender Funktion beigegeben151. Am 16. November 1942 glich man
schließlich die bisherigen Reichsverteidigungsbezirke an die Reichsgaue an,
und man ernannte die Gauleiter einheitlich zu
Reichsverteidigungskommissaren152. So blieb Stürtz bis zum Kriegsende
Reichsverteidigungskommissar im Gau Kurmark/Mark Brandenburg153.
Die
Reichsverteidigungskommissare konnten in fast alle Sphären des täglichen
Lebens eingreifen, denn die Reichsverteidigung hatte Vorrang vor allen
Verwaltungsaufgaben. Ein Erlaß Hitlers vom 31. Januar 1943 gab z. B. dem
Reichsverteidigungskommissar die weitesten Befugnisse in Sachen
Dienstpflicht. Eine Durchführungsverordnung des Reichsinnenministers
beauftragte die Reichsverteidigungskommissare, das den Wehrkreisen
auferlegte Abgabensoll an Wehrpflichtigen zu liefern154.
Laut Hitlers Erlaß vom 13. Juli
1944 hatten die militärischen Oberbefehlshaber ihre Anforderungen im zivilen
Bereich an den „Reichsverteidigungskommissar für das Operationsgebiet"
zu richten155. Als die Rote Armee in das Reichskommissariat Ostland eindrang,
wo der schleswigholsteinische Gauleiter Hinrich Lohse als Reichskommissar
amtierte, erklärte Hitler, gemäß seinem Erlaß vom 13. Juli 1944, am 27. Juli
1944 das Reichskommissariat zum Operationsgebiet der Heeresgruppe Nord unu
dem Generalobersten Schörner und stellte ihm Lohse als Reichsverteid
gungskommissar zur Seite156.
Nach dem Attentat vom 20. Juli
1944 dehnte Hitler die Kompetenzen der Reichsverteidigungskommissare noch
weiter aus. Sein 2. Erlaß vom 20. September 1944, der den ersten vom 13. Juli
1944 aufhob, entzog den
militärischen Befehlshabern auch formell die
oberste vollziehende Gewalt und
übertrug sie - rein militärische Belange ausgenommen - dem Reichsverteidigungskommissar für das Operationsgebiet, den von Fall zu Fall
selbst zu bestellen er sich vorbehielt. Nur noch in den unmittelbaren Kampfzonen waren die oberen militärischen
Kommandoführer berechtigt, zivilen Dienststellen des Staates und der Gemeinden Weisungen zu erteilen, die zur Durchführung des Kampfauftrages erforderlich
waren.
Der Reichsverteidigungskommissar
für das Operationsgebiet konnte
nunmehr für sämtliche
Dienststellen des Staates
und der Gemeinden verbindliche Rechtsvorschriften erlassen. In
Polizeiangelegenheiten bediente
er sich des zuständigen Höheren SS- und
Polizeiführers157. Im Zuge
der
seit Januar 1945 in den
Ostgauen notwendig werdenden
Evakuierungsmaßnahmen erlangten
die Reichsverteidigungskommissare schließlich
die
Stellung von beinahe
souveränen Potentaten. Hitler hatte sich lediglich die
Festlegung der Räumungstermine
vorbehalten158.
III.
Die Räumung der Vollzugsanstalten
1° Die gelenkte
Justiz
Mit der
Arbeit des Justizministeriums
unzufrieden, trug sich Hitler schon seit
dem Tode von Justizminister
Gürtner
im Jahre
1941 mit dem Gedanken,
dieses Ministerium
überhaupt abzuschaffen. Aus diesem Grunde
hatte er bisher keinen Nachfolger für
Gürtner
ernannt159. Später änderte er
jedoch seine Absichten, und so
konnte Goebbels nach einer Besprechung
bei Hitler in der ,, Wolfsschanze" am 20. März
1942 in sein Tagebuch notieren, daß Hitler vorhabe, „demnächst den Reichstag einzuberufen und
sich von ihm eine Blankovollmacht zum
Vorgehen gegen die Saboteure, vor allem aber auch gegen Vernachlässiger
ihrer Pflicht in dienstlichen
Funktionen
geben zu lassen
..."
160.
Dies
geschah dann auch am 26. April
1942 in der Krolloper, während der sechsten
und zugleich der letzten Sitzung
des am 10. April 1938 gewählten
„Großdeutschen Reichstages". Bei dieser
Gelegenheit lies Hitler
sich auch zum „Obersten Gerichtsherrn" machen161.
Nun sah er im
Reichsjustizministerium kein Hindernis mehr für seine Pläne und er ernannte sogar
am
20. August 1942 den damaligen Präsidenten des Volksgerichtshofes, Staatsminister a.D.
Dr. Thierack, zum neuen Reichsminister der Justiz162,
den er mit besonderen Vollmachten ausstattete. „Zur Erfüllung der Aufgaben des
Großdeutschen Reiches ist eine starke Rechtspflege erforderlich. Ich
beauftrage und ermächtige daher den Reichsminister der Justiz, nach meinen
Richtlinien und Weisungen im Einvernehmen mit dem Reichsminister und Chef der
Reichskanzlei und dem Leiter der Parteikanzlei eine nationalsozialistische
Rechtspflege aufzubauen und alle dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Er kann hierbei von bestehendem Recht abweichen"163.
In einem Brief vom 09. September 1942 an den neuen
Präsidenten des
Volksgerichtshofes, Freisler, überbot Thierack
seinen Führer noch: ,,Im allgemeinen
muß sich der Richter des Volksgerichtshofes daran gewöhnen, die Ideen und Absichten der Staatsführung
als das Primäre zu sehen, das
Menschenschicksal, das davon abhängt, als das Sekundäre"164.
Wie diese Ideen und Absichten aussahen, geht aus einer Rede des
Führers auf einer Volkskundgebung im
Berliner Sportpalast zur
Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks
am 30. September 1942 hervor. ,,. . . in einer Zeit, in der die Besten unseres Volkes an der Front eingesetzt werden
müssen und dort mit ihrem Leben
einstehen, in dieser Zeit ist kein Platz für Verbrecher und für Taugenichtse,
die die Nation zerstören! . . . Und vor allem, es soll sich kein Gewohnheitsverbrecher
einbilden, daß er durch ein neues
Verbrechen über
diesen Krieg hingerettet wird. Wir werden dafür
sorgen,
daß
nicht nur der
Anständige
an der Front unter Umständen sterben
kann, sondern daß der
Verbrecher und Unanständige zu
Hause unter keinen
Umständen diese Zeit
überleben
wird!"165
Kurz nach dem Amtsantritt
von Thierack schlug
das Reichsjustizministerium
vor, Justizgefangene mit
Gefängnisstrafen bis
zu fünf Jahren in die
Einheiten des „Afrika-Korps"
und in die SS-Sonderkommandos im
Westen zu überführen.
Die Kandidaten
sollten
einzig und allein die vorgeschriebenen
Bedingungen des Alters und
der Diensttauglichkeit erfüllen
sowie für
Gemeinverbrechen, außer Homosexualität,
verurteilt worden
sein166. Dieser
Vorschlag wurde anscheinend jedoch
nicht angenommen,
da kein Beweis über diese
Rekrutierungen gefunden
werden konnte.
Thierack
begann seinen Amtsantritt mit
einer
außergewöhnlichen
Konzession an die SS und die Polizei. Am 18.
September
1942
trafen sich
Thierack
und
sein neuer Staatssekretär Dr.
Rothenberger
mit Himmler,
SS-Gruppenführer Streckenbach und
SS-Obersturmbannführer
Bender in
Himmlers
Hauptquartier
in Winniza
(Ukraine),
um einen Vertrag abzuschließen,
dessen wichtigste Punkte
lauteten:
„Auslieferung
asozialer Elemente
aus dem Strafvollzug
an Reichsfuhrer
SS zur
Vernichtung
durch
Arbeit.
Es werden restlos ausgeliefert: die Sicherungsverwahrten,
Juden,
Zigeuner, Russen und Ukrainer,
Polen über
3 Jahre Strafe,
Tschechen
oder Deutsche über 8
Jahre Strafe nach Entscheidung des Reichsjustizministers. Zunächst sollen die
übelsten asozialen
Elemente unter letzteren ausgeliefert werden . . .
Es besteht
Übereinstimmung darüber, daß in Rücksicht
auf die von der Staatsführung für die
Bereinigung der Ostfrage beabsichtigten Ziele in Zukunft Juden, Polen, Zigeuner, Russen und
Ukrainer nicht mehr von den
ordentlichen Gerichten, soweit es sich um Strafsachen handelt, abgeurteilt
werden sollen, sondern durch den Reichsführer SS erledigt werden . .
."167.
Die
Übergabe
der Strafverfolgung der Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer an die
Sicherheitspolizei sollte anfangs 1943 erfolgen, und
ein entsprechendes Rundschreiben war schon an die
interessierten Dienststellen verschickt
worden. Jedoch ganz unerwartet stieß dieser Plan auf den heftigen Widerstand der Gauleiter von
Ostpreußen (Koch), Oberschlesien (Bracht), Danzig (Forster),
des Warthelandes (Greiser) und des Reichsinnenministeriums, so daß er nicht zur Ausführung kam168.
Dagegen verlief
die
Auslieferung, wie in Erfahrung zu
bringen war, reibungslos.
In einem
Zeitraum von einem halben Jahr
übergab das Reichsjustizministerium
dem
Chef der
Konzentrationslager Pohl 12 658 Häftlinge
verschiedener
Nationalität169. Am 16.
November 1944 schien die Übergabe
der ,,Asozialen"
weitgehend abgeschlossen zu sein,
so daß die
Juristen
sich
treffen konnten,
um
über das Thema „Museum äußerlich asozialer
Gefangenen" zu diskutieren.
Im entsprechenden Konferenzbericht hieß es:
„Während verschiedener
Besuche
in
den Strafanstalten, wurden
immer Gefangene
beobachtet,
die,
wegen ihrer körperlichen Charakteristiken,
kaum die Bezeichnung
Mensch verdienen; sie
sehen eher
aus wie
Mißgeburten
der Hölle. Solche Gefangenen
sind zu photographieren. Es ist
geplant, daß sie auch auszuschalten
sind. Verbrechen und Urteil sind
belanglos. Nur solche
Photographien
sollten
vorgelegt werden,
die klar
die
Mißgestalt zeigen"170. Ob
die geplante Maßnahme auch durchgeführt
wurde, war jedoch
nicht
mehr
festzustellen.
So geriet also der
Strafvollzug immer
weiter in die Hände
der SS und die
ordentliche Rechtspflege
wurde fast
vollständig verdrängt. Es war also ein Leichtes, die
Auffassung,
daß
kein politischer
Gegner und kein Asozialer
den Krieg überleben sollte, zu verwirklichen.
Da ein Vordringen alliierter
Streitkräfte
auf das Reichsgebiet immer mehr in den Bereich der Möglichkeit geriet, mußte auch
das damit zusammenhängende
Problem der Gefangenenevakuierung zwischen den zuständigen Dienststellen besprochen
werden. Die früheste bis jetzt bekannte derartige Besprechung fand im Mai 1944 unter dem
Vorsitz des Höheren
SS- und Polizeiführers Hamburg, Georg Hennig Graf v. Bassewitz-Bebr statt.
An der Konferenz nahmen die Generalstaatsanwälte von Celle, Oldenburg, Hamburg,
Naumburg (?), Kiel und der Beauftragte des Reichsjustizministeriums für die
Strafgefangenenlager Emsland, Dr. Richard Thiel,
teil.
Es wurde beschlossen, im Falle
einer Frontnäherung alle unzuverlässigen
Elemente,
und besonders die für Aufruhr in der Wehrmacht
Verurteilten,
nach Celle zu
bringen und die anderen Gefangenen den
Alliierten zu
übergeben171.
Jedoch erst in einem
geheimen Schreiben des Kommandeurs der Emslandlager vom 22. März
1945 an die Vorsteher
sämtlicher Lager wurden
diese aufgefordert, eine Liste
von den Gefangenen vorzubereiten
und auf
dem
laufenden zu halten,
die,
wenn nötig, aus den Lagern weiter landeinwärts
gebracht würden. Es
gibt aber Hinweise,
daß diese Namensliste bereits
vor diesem Datum aufgestellt
wurde172. Im März 1945
wurden auch
sämtliche
unzuverlässigen
politischen
Gefangenen aus allen Lagern im
Lager VII-Esterwegen gesammelt,
um von hier aus nach Celle gebracht
zu
werden. Die übrigen
Gefangenen
dagegen
sollten den alliierten Truppen
überlassen werden173. Im Durcheinander,
hervorgerufen durch
die sich rasch
nähernde Front, blieb
die Ausführung
dieses
Planes in seinen Ansätzen
stecken. Die im Lager
II-Aschendorfermoor
stattgefundenen Erschießungen
dagegen gehen auf das
Konto
eines
deutschen Deserteurs; sie waren
nicht vorgesehen174.
Anders
dagegen verlief die Räumung
des Polizeigefängnisses Fuhlsbüttel, für
das auch der Höhere SS- und
Polizeiführer Graf
v. Bassewitz-Behr zuständig war.
Die leichten
Fälle wurden aus Fuhlsbüttel
entlassen, der
größte
Teil
der Häftlinge
nach
Kiel abtransportiert. 13 Frauen und 58 Männer kamen
in
die Polizeihaftabteilung des
Konzentrationslagers Neuengamme und wurden zwischen dem 21. und 23. April 1945
im Bunker erhängt175.
Doch auch in Ostdeutschland machte man sich Gedanken
über eine eventuelle Räumung
dieser Gebiete. So berichteten die Regierungsprasidenten von Oppeln (Opole) und
Kattowitz (Katowice), Dr. Mehlhorn und Springorum,
über eine wichtige Besprechung, die an Ort und Stelle am 20. Juli 1944
unter Leitung des Staatssekretärs Stuckart vom Reichsinnenministerium
stattfand. Sie diente der Regelung jener Aufgaben, die beim Herannahen oder beim
Eindringen der Russen in Schlesien entstehen würden. Hierbei wurde
besonders auch eine Evakuierung der Bevölkerung eingehend besprochen176.
Das
älteste, erhalten gebliebene Dokument,
das die Räumung von Gefängnissen der Sicherheitspolizei und des SD betraf, ist ein als geheime Reichssache bezeichnetes Schreiben des
Kommandeurs der Sicherheitspolizei
und des
SD
für den Distrikt
Radom
vom 21. Juli 1944 an die Außenstelle in
Tomaschow (Tomaszow
Mazowiecki) über eine Verordnung
des Befehlshabers
der Sicherheitspolizei
und des SD im
Generalgouvernement.
Hier heißt es unter
anderm:
„
Mit Entlassungen bitte ich zurückhaltend zu
sein.
Soweit es die
Frontlage
erforderlich macht, sind rechtzeitig
Vorkehrungen für eine Totalräumung
der Gefängnisse zu
treffen. Bei
überraschender
Entwicklung der Lage,
die einen Abtransport der Häftlinge
unmöglich macht, sind die
Gefängnisinsassen zu
liquidieren, wobei die
Erschossenen nach
Möglichkeit
beseitigt
werden müssen. (Verbrennen,
Sprengung der Gebäude u. ä.).
Gleichermaßen ist eintretendenfalls mit
den noch in der
Rüstungsindustrie oder an anderen
Stellen beschäftigten
Juden
zu verfahren. Unter allen Umständen
muß
vermieden
werden, daß
Gefängnisinsassen oder
Juden vom Gegner,
sei
es
WB
oder Rote Armee,
befreit werden bzw.
ihnen lebend in die Hände
fallen"177.
Daß solche Befehle auch ausgeführt wurden,
beweisen
z.
B.
die Ereignisse
in Bialystok und Radogoszcz
178. Am 15
.
Juli 1944
wurden hundert
Insassen des
Gestapo-Gefängnisses Bialystok ermordet.
Zu diesem Zeitpunkt
war SS-Obersturmbannführer
Dr. Herbert
Zimmermann
Leiter der
Sicherheitspolizei
und des SD in Bialystok179. In
der Nacht vom
17. zum 18.
Januar 1945 töteten Wachmannschaften,
verstärkt durch Selbstschutz,
SS und Soldaten der Luftwaffe,
etwa 2 000 Insassen des
„Erweiterten
Polizeigefängnisses Radegast".
Radegast (Radogoszcz) ist ein Vorort von
Litzmannstadt (Lodz). Die
Anstalt, die unter der Leitung vom Oberleutnant
der Schutzpolizei W'alter Pelzhausen
stand, war völlig
überfüllt, da kleinere
Häftlingsgruppen
aus evakuierten Orten dorthin gebracht worden waren.
Die
Wächter begannen
stockwerkweise die Gefangenen, sei es in ihren Zellen, sei es auf dem
Gefängnishof, zu erschießen und zu erschlagen.
Die
Häftlinge wehrten sich verzweifelt mit
Ziegelsteinen, Pritschenteilen,
Brettern und ähnlichem, so daß die Polizei und
SS sich aus dem Gebäude zurückziehen mußten. Daraufhin steckten diese die Anstalt in Brand und schössen die
ausbrechenden Häftlinge nieder. Sie verließen
das Gelände erst, als das Gebäude bis auf die Grundmauern abgebrannt war.
Als die Russen am 19. Januar die Ruine betraten, trafen sie auf einige Überlebende, denen es durch
halsbrecherische Flucht über die Dächer, durch Verstecken im Wasserbehälter
und in abgelegenen Winkeln gelungen war zu überleben180.
Nach den
übereinstimmenden
Aussagen von SS-Obergruppenführer Oswald Pohl, Chef des
SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, und eines ehemaligen Ordonnanzoffiziers
von Pohl, hatte Himmler schriftlich angeordnet, daß im Falle der Feindannäherung
die örtlich zuständigen
Höheren
SS- und
Polizeiführer die Befehlsgewalt über die Konzentrationslager hätten und für deren
Räumung verantwortlich
seien.
Es
scheint,
daß
dieser Befehl Mitte Januar 1945 erging. Dagegen hatte
Pohl
bereits bei einem
Besuch im Herbst 1944
im KL-Auschwitz vom
Kommandanten,
SS-Sturmbannführer
Richard Baer, Räumungspläne vorgelegt
bekommen,
die Baer gemeinsam mit dem zuständigen Höheren
SS- und Polizeiführer
von Schlesien,
SS-Obergruppenführer
Schmauser,
ausgearbeitet
hatte181.
Später
befahl Hitler persönlich,
kein Lagerhäftling in
der südlichen Hälfte
Deutschlands dürfe
lebend in die Hände
des
Feindes fallen und alle Konzentrationslager
seien
vor
dem Eintreffen
alliierter
Streitkräfte in die Luft zu sprengen.
Derselben Meinung war
auch Kaltenbrunner, während
Himmler
dagegen,
Anfang 1945, die etwa
500 000 in den Lagern
inhaftierten
„ Arier" und 200 000
Juden
als Handelsobjekt mit den Alliierten benutzen wollte182.
Diese
Widersprüche
und auch die
Auflösungserscheinungen
gegen Kriegsende erklären die verschiedene Behandlung der einzelnen Lager. Einige
Beispiele: Vor Beginn der Evakuierung der zahlreichen Nebenlager in das Hauptlager
Mauthausen wurden vielfach kranke
und marschunfähige Häftlinge getötet183. Die Häftlinge der
Kommandos Gusen
I
und
II
sollten beim Nahen der Alliierten
in die Stollen eingeschlossen
und diese anschließend mit Dynamit gesprengt werden. Ähnliche Pläne sollen auch
für Mauthausen, Ebensee und Dora-Mittelbau bestanden haben, die auch nicht
zur Ausführung gelangten184.
3° Die geheimen Richtlinien rur die
Räumung von
Justizvollzugsanstalten
Auf diesem Hintergrund entstanden die geheimen
„Richtlinien für die Räumung von
Justizvollzugsanstalten im Rahmen der Freimachung bedrohter Reichsgebiete", die
am 05. Februar 1945 an den Generalstaatsanwalt in Linz verschickt wurden. Das
hierzu benutzte Anschreiben
V
s2 100 / 45 g ist
durch den
Abteilungsleiter der
Abteilung
V
Engert
unterzeichnet. Angaben
über Herkunft
und Verfasser sind
nicht ersichtlich, da es sich bei dem
Dokument um eine
Durchschrift handelt, die weder Datum noch
Unterschrift trägt.
Mit
der Räumung der
Justizvollzugsanstalten feindbedrohter Gebiete war der
zuständige
Generalstaatsanwalt
beauftragt.
Die einzelnen Räumungsmaßnahmen
waren „wegen
der erforderlichen Kenntnis der örtlichen
Verhältnisse und der
notwendigen
Zusammenarbeit
mit den örtlichen
Verwaltungs- und
Parteidienststellen
weitgehendst
der persönlichen Initiative"
der beteiligten
Generalstaatsanwälte
überlassen.
Die
Richtlinien
konnten nur
Fingerzeige geben.
Die Freimachung feindbedrohter Gebiete dagegen lag in den Händen
der
Reichsverteidigungskommissare.
Der Generalstaatsanwalt des
Freimachungsgebietes
hatte daher umgehend mit
dem zuständigen Reichsverteidigungskommissar
Verbindung aufzunehmen und mit ihm und
seinen
Dienststellen „gemeinsam die für
die Räumung der Vollzugsanstalten
notwendigen
Maßnahmen festzulegen und ihre rechtzeitige Durchführung
sicherzustellen."
Die
Freimachung erstreckte sich nicht nur auf die
Gefangenen,
sondern auch auf
das
Aktenmaterial, sowie auf alle sonstigen
wesentlichen Sachwerte der
Anstalten. Die Durchführung der
Freimachung hatte mit den vorhandenen
Aufsichtskräften und
dem
sonstigen
Anstaltspersonal zu
erfolgen.
Auf Grund eines
Generalfreimachungsplanes
waren Einzelfreimachungspläne aufzustellen,
die alle
Einzelheiten genau
festlegten.
"9. Freimachung von
Gefangenen
a) Mittel und Auswahl
Die Freimachung kann durch Rückführung, Abgabe an andere Stellen
oder Entlassung erfolgen. Anzustreben ist die Zurückführung oder Abgäbe
an andere Stellen. Entlassungen dürfen nur insoweit erfolgen, als hierdurch eine Gefährdung der
Öffentlichkeit nicht zu befürchten ist. Im einzelnen ist zu sagen:
aa) NN-Gefangene sind auf keinen Fall zu entlassen. Sie sind beschleunigt
nach besonderer Anweisung in nichtbedrohte Gebiete zu verlegen.
bb) Ausländer
dürfen nur entlassen werden, wenn sie seit Jahren im Reichsgebiet ansäßig, besonders zuverlässig und die Voraussetzungen zu h erfüllen.
cc) Juden, Judenmischlinge 1. Grades und Zigeuner sind nicht zu entlassen.
dd)
Polen, die
Schutzangehörige sind, wird eine Entlassung
nur unter den
Voraussetzungen
zu
h
bei
Anlegung schärfsten Maßstabes in Frage kommen.
Gleiches gilt für
Protektoratsangehörige. Bei zu
mindestem zu 1
Jahr Straflager verurteilten
Polen kommt evtl. auch eine
Überstellung an die
Polizei unter Unterbrechung
der Strafvollstreckung in Frage,
sofern
hierüber ein
Einvernehmen mit
dem Befehlshaber der
Sicherheitspolizei
und des SD erzielt
wird.
ee) Wehrmachtgerichtlich Verurteilte
sind
ebenfalls nicht zu entlassen.
Im Einvernehmen mit der
Vollstreckungsbehörde und
den örtlichen
Wehrmachtdienststellen kann jedoch bei
kurzen Strafresten eine Abgabe zur
Truppe in Frage kommen.
ff)
Polizeigefangene sind der Polizei zu
überstellen.
gg)
Bei Untersuchungsgefangenen ist im
Einvernehmen mit den Staats-
und
Amtsanwaltschaften zu prüfen,
ob im Hinblick
auf die Persönlichkeit
des Gefangenen und die ihm zur Last gelegte
Tat eine Entlassung ohne Gefährdung der
Staatsinteressen und der Bevölkerung erfolgen
kann. Soweit Gefangene nach a-f von der
Entlassung auszuschließen sind, gilt dies
auch für Untersuchungsgefangene.
hh) Sonstige
Gefangene
kommen für
eine vorzeitige Entlassung in
Frage, wenn sie
nur kurze Strafen oder
Strafreste,
Zuchthaus oder Gefängnis, zu
verbüßen
haben und ihre
Persönlichkeit die
sichere Gewähr für eine reibungslose
Einordnung in die
Volksgemeinschaft bieten. Die Strafe bezw.
der Strafrest soll 6, bei
sorgfältigster Auswahl 9 Monate nicht übersteigen, es sei
denn, daß
es
sich
bei
den Straftaten um
offensichtlich enmalige
Entgleisungen (Fahrlässigkeitsdelikte, Affekthandlungen,
Knegswirtschaftsvergehen)
handelt.
Von
der Entlassung in jedem Falle
auszuschließen sind asoziale und
staatspolitisch gefährliche Gefangene, Gewohnheitsverbrecher und Gefangene, die auf
dem Weg hierzu sind, Gefangene, für die Überhaft notiert ist sofern nicht
die Stelle, für die sie notiert ist, zustimmt. Gefangene, die bei der
Entlassung der Staatspolizei zu überstellen sind, unbestimmt Verurteilte, die noch
nicht entlassungsreif erscheinen und daher noch nicht für eine probeweise Entlassung
vorgesehen sind, sowie alle sonstige Gefangene, die wegen charakterlichen
Abartigkeiten und Mängel (schwere Psychopathen usw.) keine Gefahr für eine reibungslose
Eingliederung in die
Volksgemeinschaft bieten.
Bei der Prüfung der Entlassungsfähigkeit
ist insbesondere zu bedenken, und dies gilt
vor allem
bei Jugendlichen und sittlich
nicht gefestigten Frauen
und
Mädchen,
daß
die
Aufhebung der gewohnten Ordnung und die
Schwierigkeiten
des
Sichdurchschlagens nach Hause für
labile Naturen
besondere Gefahren in
sich schließen."
Die Gefangenen waren
sofort in
entlassungsfähige, zu überstellende und
zurückzuführende
aufzugliedern und
listenmäßig zu erfassen und diese
Listen waren beständig auf
dem laufenden zu halten. Ebenso
waren die
Transporte
weitgehendst und
in
allen Einzelheiten vorzubereiten.
Hierzu gehörte z. B. die Ausrüstung
der Gefangenen,
persönliches Gepäck,
Decken, Ersatzwäsche und
Kleidung, sonstiges Gepäck, Personalakten,
zum wenigsten die aus ihnen
herausgetrennten
Vorblätter und
Vollstreckungsunterlagern,
Medikamente,
Proviant
usw.
,,c)
Durchführung der Freimachung
Sobald die Räumung angeordnet wird, ist die
Freimachung den
festgelegten
Plänen entsprechend
durchzuführen. Vielfach
werden allerdings die
Verhältnisse Abweichungen und
Improvisationen
notwendig
machen. Läßt
sich
die
Rückführung der Gefangenen in dem
vorgesehenen Umfang aus
irgendwelchen Gründen nicht mehr
durchführen,
so
sind die nicht ausgesprochen
asozialen und
staatsfeindlichen
Gefangenen
noch so rechtzeitig
zu entlassen,
daß
sie nicht in Feindeshand
fallen, die vorgenannten Elemente sind dagegen
der Polizei
zur Beseitigung zu
überstellen oder, wenn
auch dies nicht
möglich,
durch
Erschießen
unschädlich zu machen. Die Spuren der
Unschädlichmachung
sind sorgfältig zu
beseitigen"
185.
Es ist kaum vorstellbar,
daß
bei der Abfassung
politisch so bedeutsamer Richtlinien, wie die Räumung der feindbedrohten
Anstalten, nicht eine
besondere Absprache zwischen Reichsjustizministerium und Reichssicherheitshauptamt
vorausgegangen war. Leider konnten hierüber weder Dokumente gefunden noch Aussagen
gesammelt werden, wenn man von
zwei im weitesten Sinne vergleichbaren Absprachen
absieht. Beim ersten
Dokument handelt es sich um die schon erwähnte
„Korrektur bei nicht genügenden Justitizurteilen durch polizeiliche
Sonderbehandelung“
186. Als weiteres Beispiel für die
Zusammenarbeit von Justizeminister und Reichsführer SS in seiner Eigenschaft
als Generalbevoolmächtigter für die Reichsverwaltung sind die
„Verordnung zur weiteren Anpassung der Strafrechtspflege an die Erforgernisse
des totalen Krieges“ und eine Urkunde von Ende 1944 „Geheimschaftlige
Richtlinien des Reicsjustiz-ministers und Reichsführers SS – 4611 IV a 4 154
b/44“ zu erwählen187.
Staatssekretär Klemm will die
Richtlinien erst nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches gesehen haben, was aber
unglaubhaft ist. Die
Abgabe von Justizhäftlingen
an die Polizei und ihre Tötung war eine so einschneidende
Maßnahme für den Strafvollzug, daß Klemm unmöglich diese Richtlinien
nicht kannte. Diese Feststellung wird auch nicht durch die Behauptung von Klemm erschüttert, daß Minister Thierack von 1942-1945 sich die Leitung der Abteilungen Strafrechtspflege
(IV)
und
Strafvollzug
(V)
wegen der politischen und kriegswichtigen Bedeutung der Strafsachen
selbst
vorbehalten habe. Obschon die
formelle Unterstellung
zwar
bestehen
blieb,
habe
Klemm selbst kaum Gelegenheit gehabt, in
Strafvollzugssachen eine Entscheidung zu fällen oder
vom Minister um seine Meinung gefragt
zu
werden. Der Leiter
der Strafvollzugsabteilung,
Engert,
sei eng
mit Thierack
bekannt und 20 Jahre älter als
der Staatssekretär
gewesen.
Daher
habe Engert
ihn
beständig übergangen und unmittelbar bei
Thierack
Vortrag
gehalten, wobei Klemm nur als Zuhörer beiwohnte.
Eggensperger
dagegen gab an, daß
Klemm
der persönliche
Vertraute des
Reichsjustizministers war,
der ihn
als Staatssekretär in sein Ministerium holte188.
Hierzu kommt noch,
daß Klemm den
Doktor-Titel nicht besaß
und beim zweiten Staatsexamen die Bewertung „kaum genügend" erhielt, was,
normal betrachtet, eher disqualifizierende Umstände für einen so wichtigen Posten waren189.
Im
September
1944 wurde er auch
zum stellvertretenden
Leiter des NS-Rechtswahrerbundes ernannt, und zwar durch Thierack, der
damals dessen Führer war. Schließlich war er von [933 bis März 1935 Persönlicher
Referent und Adjutant des Sächsischen Justizministers
Thierack190.
Weiter gibt Klemm völlig unglaubhaft an, daß er sich überhaupt nicht dabei gedacht
hätte, selbst wenn er gehört hätte, daß die Sonnenburgei gefangenen der
Gestapo übergeben wurden, da die Polizei ja für das transportwesen verantwortlich
gewesen sei (gemeinsamer Runderlaß de, Keichstuhrers SS und Chefs der
Deutschen Polizei vom 24. April 1939).
Auch sei die Gestapo wohl die einzige noch im Kampfgebiet
verbliebene Polizei gewesen191.
Hier stellt sich sogleich die Frage, warum denn die
übrigen Zuchthausinsassen vom Zuchthauspersonal abtransportiert wurden,
wie dies übrigens in der Regel auch
durch die Richtlinien vorgesehen war192? Im Widerspruch dazu steht auch der Vermerk Klemms
vom 03. Februar 1945 über die Räumung der Anstalt Gollnow
(Goleniow). Aus dem Vermerk ist
ersichtlich, daß es für die Behandlung der Gefangenen, genau wie in den
Richtlinien, drei Möglichkeiten gab. Ein Teil konnte entlassen werden, ein
anderer Teil war abzutransportieren, während die restlichen Gefangenen
der Polizei zu überstellen waren. Staatssekretär Klemm wußte bestimmt, daß die überstellten Gefangenen zu
„beseitigen" waren. Alle andern Behauptungen Klemms sind
unglaubhaft. Sie erklären sich aber, wenn
man bedenkt, daß er vom Militärgericht
III
in
Nürnberg wegen der Ereignisse
in Sonnenburg verurteilt wurde und er nichts unterließ sich von dieser Beschuldigung
reinzuwaschen193. Leider geht aus dem Vermerk
nur hervor, daß der Staatssekretär über das
Schicksal der Häftlinge von Gollnow
Bescheid wußte; dagegen schweigt sich das Dokument über Sonnenburg aus. Man
darf aber sicher annehmen, daß dies auch der Fall für Sonnenburg war.
Senatspräsident Hecker, Sachbearbeiter
der Abteilung
V
im Reichsjustizministerium,
will auch erst bei einer Vernehmung im Nürnberger Juristenprozeß von den geheimen Richtlinien erfahren haben.
Er mußte jedoch zugeben, daß sie in der
Abteilung
V
bearbeitet wurden.
Hecker selbst will
Richtlinien entworfen haben, die aber nicht mit den vorliegenden übereinstimmen und
die bei Besprechungen mit Generalstaatsanwälten im Norden und im Westen
entstanden seien. Die hierbei entwickelten Richtlinien hätten jedoch nur
Fingerzeige geben können. Die Ausführung der einzelnen Maßnahmen dagegen sei
Sache der Generalstaatsanwälte gewesen. Auf die Frage nach dem Verbleib der nicht
verlegten Gefangenen,
antwortete er nur allgemein, ohne auf den Sinn der Frage, nämlich die Tötung von Gefangenen,
einzugehen.
Dies klingt wenig
überzeugend. Vielmehr
ist anzunehmen, daß Hekker
bei seiner Stellung im Ministerium diese Richtlinien,
wenn nicht selbst entworfen,
doch wenigstens daran mitgearbeitet und sie später auch angewandt hat.
Schließlich versandte sein Abteilungsleiter Engert die geheimen Richtlinien, die
das unmittelbare Arbeitsgebiet von
Hecker
betrafen, an andere Stellen.
Seine ausweichende Antwort
über das weitere
Schicksal der nicht
verlagernden Gefangenen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch er genau Bescheid wußte. In einer aufgefundenen
handschriftlichen Notiz von ihm über die
Verteilung und Zusammensetzung der Gefangenen in Cottbus, heißt es u. a.:
„1413 Ausl.
146 z.T.V.
12 NN
135 ... anschl. SV .
. .",
und am Schluß
angekreuzt:
„400 Marsch 400 Liquidieren"194.
Der
Abteilungsleiter
Engert
von der für
die Räumung von Justizvollzugsanstalten
zuständigen
Abteilung
V
im
Reichsjustizministerium gibt in
seiner richterlichen Vernehmung
vom 05. Januar 1949 zwar zu, am 05.
Februar 1945 die
geheimen Richtlinien
an
die Generalstaatsanwälte in
Linz
und in Graz gesandt zu haben195.
Die Weisungen erklärt Engert mit
einer Anordnung durch den
Reichsjustizminister Thierack auf
einer Abteilungsleiterbesprechung.
Thierack
soll eine Weisung des
Reichsverteidigungskommissars
erhalten haben, im letzten
Augenblick und bei höchster
Gefährdung die „Asozialen"
entweder durch
die Polizei oder
SS-Angehörige,
soweit solche zur
Verfügung standen, und
schließlich
durch das
Wachpersonal der
Anstalt erschießen zu lassen. Im übrigen
bestreitet Engert
zu wissen, in welcher Abteilung und von wem die
Richtlinien aufgestellt
wurden. An den Anweisungen für die Erschießungen
in
Sonnenburg will
Engert
nicht
beteiligt gewesen sein.
Die
Angaben Engerts sind nicht
überzeugend. Er
selbst war im Nürnberger
Prozeß, Militärgerichtshof
III,
wegen der
Tötungen in Sonnenburg angeklagt,
schied aber nach einigen
Verhandlungstagen krankheitshalber aus dem
Prozeß aus196. Er hatte
also
wichtige Gründe,
nicht verdächtig zu
erscheinen.
Völlig unglaubhaft
ist, daß er als für den Strafvollzug zuständiger Abteilungsleiter
nicht
wußte, wo und von wem so bedeutsame
Richtlinien verfaßt wurden. Außerdem gibt er über ihre Entstehungsgeschichte nur
einige Vermutungen wieder. So dürfte ihm bestimmt bekannt gewesen sein, daß der Reichsverteidigungskommissar dem
Reichsjustizminister keine Weisungen erteilen konnte197.
Dr. Eggensperger, Referent der Abteilung V im Reichsjustizministerium,
der sich nicht an die Richtlinien erinnerte, schloß jedoch aus ihrem Inhalt und ihrem Umfang, daß sie aus der Zusammenarbeit
mehrerer Abteilungen entstanden. Auch seine Angaben
über seine
Unkenntnis sind zweifelhaft,
weil er als Verbindungsmann des Ministeriums zu den ausgelagerten Stellen
mit vielen wesentlichen Vorgängen befaßt worden sein mußte, die nicht zu seinem
eigentlichen Arbeitsbereich gehörten198.
Die in den Richtlinien vorgesehene
Tötung ohne rechtskräftiges
Todesurteil begründete Engert mit dem Staatsnotstand. Er wies auf den Zusammenbruch 1918
hin, bei dem zahlreiche Menschen von Zuchthäuslern in Bayern erschlagen
worden sein sollen199. Diese Begründung entbehrt jeder Grundlage. Die
detaillierte Darstellung von Allan
Mitchell „Revolution in Bayern 1918/1919.
Die Eisner-Regierung und die Räterepublik", München 1967 (amerikanische
Ausgabe: Princeton University Press 1965) enthält
nichts
dergleichen. Auch Prof. Dr. Thilo
Vogelsang
vom
Institut für
Zeitgeschichte
in
München verneinte
dies auf Grund seiner
Kenntnisse
der
Zusammenhänge
in
Bayern200.
Was
mag nun aber die Verantwortlichen
bewogen
haben, verschiedene
Häftlingsgruppen erschießen zu
lassen? Das
Kieler
Landgericht vermutete, daß
die geheimen Richtlinien im wesentlichen
von
dem
Gedanken getragen
waren, alle Maßnahmen
danach zu treffen,
was
der Sicherheit
dienlich war
und ob zu erwarten
war, daß die Gefangenen sich bei
ihrer Entlassung
reibungslos eingliedern lassen würden oder nicht.
Ausnahmen
bildeten die
kategorische
Behandlung von Juden und Zigeunern201.
Wie
das Gericht angab, lagen bei den Juden und Zigeunern
andere Beweggründe
vor.
Jedoch führte es diesen Gedankengang nicht
weiter. Bekanntlich
wurde
diese Häftlingsgruppe nur wegen ihrer
Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Rasse verfolgt und
getötet. Doch bei den
Tötungen
der andern
Häftlingskategorien war
die Sicherheit der
Zivilbevölkerung und der
Truppe kaum der Hauptgrund,
sondern wahrscheinlich
waren auch in diesem
Falle nationalsozialistische Ideen
ausschlaggebend.
Hatte
doch Hitler bereits
1942 prophezeit, ,,daß der Verbrecher
und Unanständige zu
Hause
unter
keinen Umständen diese
Zeit überleben wird"202. Hierzu gesellte sich
noch die Angst der Wärter,
Vorarbeiter und
Zivilisten
vor der Rache der
Gefangenen, denen
gegenüber sie sich oft genug schändlich benommen
hatten.
Die am 05. Februar 1945
nach
Linz verschickten Richtlinien müssen, wegen der komplexen
Materie und wegen der Zusammenarbeit von verschiedenen Behörden, eine gewisse
Entwicklung durchlaufen haben, so daß sie bestimmt schon vor den Ereignissen in
Sonnenburg bekannt waren. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie
bereits vor dem 05.
Februar
1945 an andere Generalstaatsanwälte verschickt wurden.
Eine konkrete Tätigkeit
von Reichsjustizminister Tbierack im Zusammenhang mit den Tötungen in Sonnenbure
konnte nicht festgestellt werden. Sein Erlaß vom 12. Februar 1945, in dem es heißt:
„...Wehrunwürdigen Strafgefangenen ist im weiten
Umfange einde zu bewähren
. . . Ausgenommen (=von der Beurlaubung) sind Gefangene,
deren Entlassung der
Schutz der
Öffentlichkeit
verbietet und die
zu Jugendgefängnis verurteilt worden sind. Ausländer wer
Benehmen mit der Polizeibehörde auf
freien Fuß gesetzt, sonst der Polizei überstellt
, betraf nur die Entlastung der Strafanstalten203. Deseleichen können die im Rei.chsjustizministerium verfaßten
geheimen Richtlinien nur
allgemeine Hinweise auf die Kenntnis des Ministers geben Thierack trägt
selbstverständlich die beamtenrechtliche und politische Verantwor tung für die Handlungen der ihm unterstellten
Ministerialbeamten und der
nachgeordneten Behörden.
Der Sachverständige
des Kieler Landgerichtes, Prof. Dr. Krausnick kam zu der
Überzeugung,
daß es sich bei den
geheimen Richtlinien um eine Art
Schubladenverordnung
handelte, die von Fall zu Fall
eventuell erst
kurz
vor
dem Ernstfall, den
einzelnen
Generalstaatsanwälten als Richtlinien
dienen sollten und
auf Grund dessen Einzelanweisungen durch die
Generalstaatsanwälte
im Benehmen mit den
weiter
zuständigen Stellen
zu erteilen waren204.
Des weiteren hätten
auch
die von Senatspräsident
Hecker
angeblich entworfenen
Richtlinien nur
Fingerzeige
geben können205.
In den geheimen Richtlinien
selbst steht
deutlich:
„Diese Richtlinien
können nur Fingerzeige
geben .
. .
Vielfach
werden allerdings die Verhältnisse
Abweichungen und
Improvisationen
notwendig
machen .
. . Die
einzelnen Räumungsmaßnahmen
selbst müssen . . .
weitgehendst
der
persönlichen
Initiative der beteiligten
Generalstaatsanwälte überlassen werden"206.
Nicht Beamte des
Reichsjustizministeriums,
sondern solche nachgeordneter
Behörden
entschieden also, wann diese Richtlinien angewandt
werden und welche
Gefangenen entlassen,
zurückgeführt
oder der Polizei
überstellt
werden sollten. Die
Entscheidungen waren
damit weitgehend
der
persönlichen
Initiative der beteiligten Generalstaatsanwälte überlassen
und
von dem Eindruck bestimmt, den die Verantwortlichen im jeweiligen
Gebiet von der Lage und von den Getangenen hatten.
Wie solche Anweisungen aussahen,
ist aus den Verfügungen
des Generalstaatsanwalts
in
Linz vom 07. April 1945 an die Vorstände der Vollzugsanstalten
im Bezirk Linz sowie
aus den Verfügungen vom 14 April
1945 an die Oberstaatsanwälte in Linz, Ried, Steyr und
Wels
sowie an den Vorstand
des Zuchthauses Garsten, des Arbeitshauses Suben und der Haftanstalten Linz,
Ried und Wels vom gleichen Datum ersichtlich.
Der Generalstaatsanwalt in Linz verfügte
am 07. April 1945 an die Vorstände der selbständigen Vollzugsanstalten seines
Bezirks, „über Anordnung des Gauleiters", welche Häftlinge zu
beurlauben waren und welche nicht. „Nicht zu beurlauben sind Ausländer, Judenmischlinge
1. Grades und Zigeuner.
Insoweit ergeht noch eine besondere Verfügung. Protektoratsangehörige sind nicht
als Ausländer zu behandeln, soweit sie
nicht politische
Häftlinge sind"207.
Am
gleichen Tag hatte der
Generalstaatsanwalt
in Linz eine Rücksprache beim
Gauleiter, in deren
Folge
unter
anderm auch die sofortige Entlassung
der
Kriegswirtschaftsverbrecher
angeordnet wurde208.
Eine der schon erwähnten Verfügungen
des Generalstaatsanwalts in Linz
vom
14. April 1945 an die
Oberstaatsanwälte und an die Vorstände der
selbständigen
Vollzugsanstalten
seines
Bezirks betrifft die Freimachung
von Sachwerten. Es werden
die einzelnen Transportmittel bestimmt
und es wird
angeordnet, was an
Sachwerten
abzutransportieren war.
„Oberster Grundsatz der Freimachung ist:
Nichts
darf dem Feind in die
Hände fallen. Die Freimachung von
Sachwerten erfolgt
in
erster Linie
durch
Zurückführung und gegebenenfalls durch Vernichtung."
Alle in
Betracht kommenden
Maßnahmen waren frühzeitig
zu
planen
und vorzubereiten209.
Die andere Verfügung des
Generalstaatsanwalts in Linz
vom gleichen Tage
an die Vorstände des Zuchthauses in
Garsten, des
Arbeitshauses in
Suben,
der
Haftanstalten in Linz, Ried und Wels behandelt die
Räumung von
Gefangenen im Falle der
Feindbedrohung. Ausländer
waren der Polizei,
wehrmachtgerichtliche Straf- und Untersuchungsgefangene
waren dem
Ortskommandanten
beziehungsweise dem
Kommandeur
einer Truppe
zu übergeben.
NN-Gefangene
durften
nicht
in Freiheit gesetzt werden210.
In einer weiteren
Verfügung
des
Generalstaatsanwalts
in Linz an den Vorstand des Zuchthauses
Garsten
vom 02. Mai 1945 wird der zu beurlaubende
Gefangenenkreis
näher
bestimmt und die zu
treffenden Maßnahmen
motiviert211.
Aus dem Bezirk des
Generalstaatsanwalts in Linz waren jedoch keine
Überstellungen von Häftlingen an
die Polizei und deren spätere Erschießung in Erfahrung zu bringen212. In
anderen Fällen dagegen kennen wir Erschießungen von Gefangenen bei Räumungen
von Straf- und Untersuchungshaftanstalten, ohne daß aber hier zu erfahren
war, ob die geheimen Richtlinien
Grundlage dieser Aktionen waren. Allerdings legen die Ge samtumstände es nahe, daß den zuständigen
Generalstaatsanwälten diese Vorschrift
bekannt war und sie sich danach richteten. So haben z. B. verschiedene
Ereignisse bei Räumungen von Justizvollzugsanstalten in den Oberlandesgerichtsbezirken Königsberg,
Danzig
(Gdansk), Kattowitz (Katowice),
Breslau (Wroclaw) und Stettin (Szczecin) Ähnlichkeiten mit den
geheimen Richtlinien in dem wesentlichem Punkte, daß ein Teil der Häftlinge entlassen, ein anderer der Polizei
übergeben, während die restlichen
Gefangenen nach Westen in Marsch gesetzt wurden. In einigen Fällen handelte man nicht nach den Richtlinien und
man ließ verschiedene Gefangene, meist
kranke und marschunfähige, einfach zurück, ohne daß von einer
Entlassung
die Rede ging. Bei den der
Polizei übergebenen Gefangenen
soll es sich um
„gefährliche Gefangene", z. T. auch um
Ausländer
gehandelt
haben. Das
weitere
Schicksal dieser Gefangenen ist nicht in allen
Fällen bekannt
geworden. In einigen
Fällen wurden sie sofort erschossen,
in andern wurden
auch noch Gefangene während des Rückmarsches
erschossen. Hierbei
soll
es sich um kranke oder marschunfähige, erschöpft
liegengebliebene Häftlinge
gehandelt haben. Es gibt sogar einige Fälle,
in denen die Polizei einfach
die Übernahme der
Gefangenen ablehnte. So
erreichten am 25. Januar
1945 115 polnische Gefangene aus
Wadowitz
(Wadowice) das
Stammlager
Teschen
(Cieszyn), wo sie der Polizei übergeben
werden sollten. Weil
diese jedoch bereits ihre Gefangenen abtransportiert
hatte, nahm sie keine neuen mehr
an. So wurden die Gefangenen
einfach bis auf 10 Mann entlassen.
In
Brieg lehnte am 22.
Januar 1945
die
Gestapo
die Übernahme von
NN-Gefangenen
ab, und diese wurden auch
mit nach Westen in Marsch
gesetzt. Auch in Gollnow (Goleniow) weigerte
sich am 15. März 1945
die Polizei, 100
Gefangene anzunehmen.
In Teschen seinerseits hatte ein
Anstaltsvorsteher, entgegen den Weisungen des
Generalstaatsanwaltes,
fast 500 Gefangene
entlassen. Der Leiter
der Strafanstalt
Wronke
(Wronki) zog mit all
seinen Gefangenen nach
Westen, wie wir später noch genauer sehen werden. Aus dem Zuchthaus Gollnow
wurden
am 13. Februar 1945 auf Veranlassung des Zuchthausvorstehers unter anderem 34
Gefangene ohne Zustimmung des Generalstaatsanwalts abtransportiert, die als „gefährliche Gefangene"
der Polizei überstellt werden sollten. Der
Vorsteher will in Übereinstimmung mit
dem Beauftragten des Inspekteurs der Sicherheitspolizei und des SD gehandelt haben, was dieser jedoch abstritt. Am
11. Februar 1945 wurden 104
polnische Häftlinge des Zuchthauses Fordon (Fordon) gegen den Wil lcn des Reichsverteidigungskommissars, der die
Polen der Polizei über
stellt haben wollte, vom Jugendgefängnis Naugard i.P. nach Coswig (Sachsen-Anhalt) transportiert213.
In einer andern Gegend Deutschlands, in Weimar, dagegen
setzte sich am 01. April 1945 der zuständige
Generalstaatsanwalt mit der Gestapo in Verbindung,
um die leichten Fälle der Justizhäftlinge zu entlassen und die übrigen, die sogenannten Todeskandidaten, die
normalerweise zum Tode verurteilt
worden
wären,
im
letzten
Augenblick zu entlassen oder den Amerikanern
zu überlassen. Der
Chef der Sicherheitspolizei,
Hans-Helmut
Wolff,
wollte
jedoch die
Todeskandidaten
ausgeliefert haben, um sie zu
erschießen. Er berief sich
hierbei auf strikte Weisungen
aus dem
Reichssicherheitshauptamt,
laut
denen
diese Häftlinge auf keinen Fall in die
Hände des Gegners fallen dürften.
Die Aussonderungen der Opfer
dagegen
sollte
der Staatsanwalt,
wegen seiner guten Kenntnisse der einzelnen
Anklageschriften, vornehmen.
Der
Vorgesetzte des Staatsanwalts
willigte in dieses Vorgehen ein,
gab jedoch seinerseits
Anweisungen für die
Gefangenenauswahl,
nach denen
dann
gehandelt wurde. Die Gestapo
ihrerseits wählte im Polizeigefängnis die
„Todeskandidaten"
für die Hinrichtung
aus, die zusammen mit den
Justizhäftlingen erschossen
werden
sollten.
Später stellte sich jedoch
heraus, daß eine weit größere Anzahl
Häftlinge, und
nicht nur „Todeskandidaten",
erschossen worden waren214.
Es fehlen konkrete Hinweise, daß die geheimen
Richtlinien die Grundlage für die
Räumung des Zuchthauses in Sonnenburg bildeten. Die großen Ähnlichkeiten zwischen dieser und den Richtlinien deuten jedoch darauf hin, daß sie zu jener Zeit
bestanden haben und auch angewandt wurden. Richter, Leiter der
Stapostelle in Frankfurt/Oder, und Nickel, Leiter des Erschießungskommandos, wollen die Richtlinien
nicht gekannt haben, was das Kieler
Landgericht ihnen glaubte215. Es konnten hierfür auch keine Gegenbeweise gefunden werden.
Vergleich zwischen den
wichtigsten Bestimmungen der geheimen Richtlinien
und den Ereignissen im Zuchthaus Sonnenburg
Geheime Richtlinien
Sonnenburg
-
Der Generalstaatsanwalt und der
Reichsverteidigungskommissar hatten gemeinsam die notwendigen Maßnahmen festzulegen und durchführen
zu lassen.
-
Die Freimachung erstreckte sich auf die
Gefangenen, das Aktenmaterial
und die wesentlichen Sachwerte.
-
Die Durchführung der
Freimachung wurde durch die Aufsichtskräfte und
das sonstige Personal der Anstalt ausgeführt.
-
Die Freimachung erfolgte durch:
a)
Rückführung
a) Rückführung
b)
Abgabe an
andere Stellen b) Abgabe an andere Stellen
c) Entlassung
- Listenmäßige
Erfassung der Gefangenen in:
a) entlassungsfähige
b)
zu
überstellende b) zu überstellende
c) zurückzuführende
c) zurückzuführende
- Ließ
sich die Rückführung der Gefangenen in dem vorgesehenen Umfang nicht mehr
durchführen, so waren
a) die nicht
ausgesprochen asozialen und
staatsfeindlichen Gefangenen zu entlassen;
b)
die andern
der Polizei zu
überstellen oder,
b) Der größte Teil der Gefangegenen wurde
wenn dies unmöglich war, durch Erschießung der Polizei übergestelt und
erschossen.
unschädlich zu machen
c)
die Spuren der Unschädlichmachung c) Dieser Punkt war undurchfürbahr
- Die Freimachung von Sachwerten erfolgte durch
a)
Rückführung
a) teilweise Rückführung
b)
Vernichtung
c)
Lähmung (Herausnahme wichtiger
Teile)
IV.
Das Massaker
1° Die Ereignisse außerhalb
Sonnenburg
Da die Front immer näher rückte,
mußten
verscheidene Behöorden sich mit dem Problem einer Raümung des Zuchthauses Sonnenburg
befassen. Der Staatssekretär Klemm vom Reichsjustizministerium gab vor dem
Militärgericht in Nürnburg zu, daß er mit Generalstaatsanwalt Hanssen
vor
dem 30. Januar 1945
über
Sonnenburg gesprochen hatte. Hierbei soll jedoch nur über die angebliche
Übertragung der Befehlsgewalt über das auf Himmler geredet
worden sein, wobei sich Klemm für einen Kaumungsbefehl nicht
zuständig und Haussen an den Reichsverteidigungskommissar
verwiesen habe216.
Doch seine Stellung als Staatssekretär und als Vertrauter des
Reichsjustizministers
erlaubte Klemm bestimmt eine größere
Kenntnis über
die vorgange in Sonnenburg, als er
zugeben will. Schließlich stand er ja als Beschuldigter
vor dem Militärgericht, und einer der
Anklagepunkte
waren die Morde in
Sonnenburg. Aus einem Aktenvermerk
vom 03. Februar 1945 über
die Räumung des Zuchthauses
Gollnow
geht auch hervor, daß Klemm genau
über die Evakuierungen
der
Zuchthäuser Bescheid
wußte.
"1 .Vermerk:
Die vom Generalstaatsanwalt
Stecker am 2. Februar erbetene Ermächtigung
wurde heute durch
Vortrag Herrn Minister zur Entscheidung unterbreitet.
Herr Minister
entschied
wie folgt:
Aus dem Zuchthaus
Gollnow
sollen
die ungefährlichen Gefangenen zur gegebenen Zeit entlassen werden. Die Prüfung soll insbesondere bei
politischen Gefangenen (auch Heimtücker)
einschränkend sein. Alle Entlassungen haben unauffällig zu erfolgen.
Die
Prüfung, ob ein Gefangener
ungefährlich ist, soll entsprechend dem Vorschlag des
Reichsverteidigungskommissars im Benehmen mit Herrn Pietsch und
außerdem mit dem höheren SS- und Polizeiführer Stettin erfolgen.
Die politisch
wichtigen Gefangenen sind möglichst sofort abzutransportieren, insbesondere
politisch
wichtige Tschechen.
Alle nicht entlassenen
Gefangenen, deren Abtransport im Räumungsfalle nicht möglich ist,
sind in diesem Augenblick der Polizei zu überstellen.
2.
Diese
Anordnung wird
inhaltlich versuchsweise durch Kurier nach
Stettin
gebracht und außerdem
dem RSHA zur
Übermittlung an den Generalstaatsanwalt
durchgesagt
werden. Ferner wird versucht,
Generalstaatsanwalt
Stettin auch
telefonisch
zu
unterrichten.
Berlin, den 3. Februar 1945
gez. Klemm"
Es folgen mehrere handschriftliche
Zeichen217.
Ja, sogar am 11. Februar 1945
ordnete er selbst die Freimachung des
Gefängnisses
in Bautzen an, durch Entlassung
von gewissen Gefangenen
und die Verlagerung der übrigen
nach Waldheim, und um
Ostern 1945
befahl
er die Räumung des Gefängnisses in Rodenfeld und
wies die Direktorin
an, wie sie über die
Gefangenen zu entscheiden
habe218.
Wir wissen nicht, ob Hanssen die
nach den Richtlinien
dem Generalstaatsanwalt
des Freimachungsgebietes
zustehenden
Aufgaben zur Vorbereitung
der Freimachung
getroffen hatte. Hierzu
gehörten die
Fühlungnahme mit dem
Reichsverteidigungskommissar,
um mit ihm gemeinsam die
für die Räumung der Anstalt
notwendigen
Maßnahmen festzulegen
und ihre rechtzeitige
Durchführung
sicherzustellen.
Obwohl
Hanssen
dienstliche
und persönliche Bindungen
zu
Sonnenburg hatte, scheint es eher, als
ob
er
nur die direkt vom
Reichsverteidigungskommissar oder über das
Reichsjustizministerium erteilte Anordnung weitergeleitet habe.
Denn nach den
Richtlinien
lag die Freimachung
feindbedrohter Gebiete in den Händen der
Reichsverteidigungskommissare219. Diese waren auch Inhaber der
vollziehenden Gewalt im Operationsgebiet. Die Befugnisse des militärischen
Oberbefehlshabers beschränkten sich dagegen nur auf die unmittelbare
Kampfzone. Eine Begrenzung der beiden Zonen geschah im Einvernehmen zwischen Reichsverteidigungskommissar und
Oberbefehlshaber220.
„Nur
in einer Kampfzone von 20 km
Tiefe war die Wehrmacht gegenüber den
Dienststellen der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare
weisungsberechtigt"221.
Nach den vom Chef des OKW unterzeichneten und vom
Führer genehmigten Richtlinien sollte die Räumung
dort „wo eine einigermaßen feste Front besteht, in einer Tiefe von 30 km eingeleitet werden,
wo nur eine stützpunktähnliche oder keine Front besteht, in einer Tiefe von 60 km von den feindl. Pz-Spitzen"222.
Aus einem Fernschreiben vom 28. oder 29. Januar 1945 des Reichsführers SS Heinrich Himmler
in seiner Eigenschaft als Befehlshaber der Weichselarmee an das Reichsinnenministerium und den Gauleiter Oberpräsident Stürtz, geht auch hervor, daß
Sonnenburg noch nicht zur „unmittelbaren
Kampfzone", sondern zum „Operationsgebiet" gehörte.
„1. Ich ordne an, daß
zunächst aus einer 15 km
breiten Zone westlich Tirschtiegel-Riegel
geregelt und organisiert Frauen und Kinder evakuiert werden.
2.
Alle militärischen Stellen sowie alle
Dienststellen von Partei und Staat sowie die ganze männliche Bevölkerung
bleibt in diesem Gebiet.
3.
Die Leiter aller militärischen und zivilen Dienststellen
müssen sich darüber klar sein, daß
das Verlassen ihres Platzes ohne Befehl die Todesstrafe nach sich
zieht ..."
Obwohl Gauleiter Stürtz
in dem Schreiben nicht als Reichsverteidigungskommissar
bezeichnet wurde, kam das Kieler Landgericht zur Erkenntnis, daß es sich an ihn in seiner formellen
Zuständigkeit als Reichsverteidigungskommissar richtete223. Da
diese Anordnung lediglich eine Zone
15 km
westlich des Tirschtiegel-Riegels betraf und Sonnenburg etwa
70
km
Luftlinie weiter westlich davon liegt, ist es sicher, daß im Raum Sonnenburg die Befehlsbefugnisse
in einem Operationsgebiet galten. Dies ergibt
sich auch aus dem Vermerk Eggenspergers vom 31. Januar 1945, in dem vom „Festungskommandanten
Küstrin" die Rede ist und wo es weiter heißt, „daß mit einem Panzerdurchstoß der Russen auf Sonnenburg im Laufe dieser Nacht zu rechnen ist"224.
Die Angaben des Staatssekretärs Klemm, Heinrich
Himmler habe die Verantwortung für das Zuchthaus Sonnenburg
übernommen, ist für sich gesehen wenig
überzeugend. Dies würde auch nicht die weitere Tätigkeit des
Generalstaatsanwalts in dieser Angelegenheit erklären. Senatspräsident Hecker
vom Reichsjustizministerium hat bestritten, davon
gehört zu haben. Auch
Dr. Eggensperger, Referent im selben Ministerium, wußte nichts von
dieser Unterstellung. Er hielt es jedoch nicht für ausgeschlossen, „daß
damals
alles möglich war"225.
Der General
der Waffen-SS
und
SS-Obergruppenführer Gottlob Berger
sagte
1962 aus, der
Reichsführer
SS und
Oberbefehlshaber der Heeresgruppe
Weichsel
habe in
seiner Gegenwart dem
Leiter des Reichskriminalamtes,
Polizeioberst
Panziger,
Amtschef
V
im Reichssicherheitshauptamt,
den Befehl erteilt, für
eine Erschießung der „Schwerverbrecher"
im Zuchthaus
Sonnenburg
zu sorgen. Vom Kieler Landgericht befragt,
konnte sich. Berger nicht mehr
an diese Aussage erinnern und gab an,
wenn er eine derartige Aussage
gemacht habe, so sei sie nicht
richtig.
Das Gericht folgte der
letzten
Aussage226.
Urkunden, die einen direkten
Eingriff
Himmlers in die Sonnenburger
Ereignisse nachweisen, sind nicht
aufgefunden
worden. Es ist sogar sehr
gut möglich,
daß Himmler, der
seit
dem 25. Januar 1945 Oberbefehlshaber
der Weichselarmee war,
sich
zu dieser Zeit
überhaupt nicht in Berlin,
sondern
in seinem Hauptquartier in
Deutsch-Krone
(Walcz), rund
240
km nordöstlich von
Berlin, aufhielt227.
Jedoch
war der Reichsführer SS für
Anordnungen, wie sie für Sonnenburg
erfolgt sind, nicht
ganz ausgeschaltet. Nach
dem
2. Führererlaß über die
Befehlsgewalt in einem
Operationsgebiet innerhalb
des
Reiches vom 20.
September 1944 oblag dem
Reichsführer SS „die
reichseinheitliche
Ausrichtung aller nach
diesem Erlaß von dem
Reichsverteidigungskommissar
zu treffenden Maßnahmen"228. Er
hatte also Befugnis
zum Eingreifen.
Das bedeutet aber wiederum nicht, daß er in
jedem
Einzelfall eingreifen
mußte und eingegriffen hat. Hierauf bezieht sich
offensichtlich der Vermerk Eggenspergers vom 31. Januar 1945. „Entsprechend der Anordnung des
Reichsverteidigungskommissars,
Gauleiter
Stürtz . . . eine Anordnung, die vom
Reichsführer SS genehmigt
worden ist"229. Es
bestehen aber Zweifel für
die erwähnte Genehmigung
durch Himmler. Der Ausdruck
„genehmigt" kann
verschieden
gedeutet werden.
Sowohl Eggensperger
als auch Haussen
können
ihn
als Ergebnis eines Denkprozesses
auf Omind erhaltener
Informationen von sich aus und auch unzutreffend verwendet haben230. Nach dem schon erwähnten 2.
Führererlaß vom 20. September 1944 brauchte
der Reichs Verteidigungskommissar für Maßnahmen,
die zu seiner Zuständigkeit gehörten, keine „Genehmigung" durch Himmler.
Letzterer konnte lediglich intervenieren, wobei die Gesichtspunkte, die eine solche Intervention
verursachten, durchaus nicht in
der vom
Reichsverteidigungskommissar angeordneten Maßnahme zu liegen brauchten.
In Polizeiangelegenheiten hatte
sich der Reichsverteidigungskommissar des zuständigen Höheren SS-
und Polizeiführers zu bedienen231, der jedenfalls dem Inspekteur der
Sicherheitspolizei und des SD gegenüber weisungsbefugt war. Nach einem
Runderlaß des Reichsführers SS und
Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern vom 24. April
1939 (Dienstvorschrift für den Gefangenentransport PDV 28, RMBL i
V.
1939
Bl. 1096 g)
war der Transport von Justizstrafgefangenen
Sache der Polizei. In diesem Zusammenhang führte das
Kieler Landgericht auch fälschlicherweise
die geheimen Richtlinien an, obschon diese im allgemeinen für die Räumung der Anstalten nur zuchthauseigenes Personal vorsahen232. Es ist also
verständlich, daß sich der Inspekteur der Sicherheitspolizei
und des
SD, Dr. Fischer,
mit der Sonnenburger Angelegenheit befaßte233.
Es
bestand also eine
Anordnung des Reichsverteidigungskommissars,
Gauleiter
Stürtz, für die Anstalten
des Bezirks des Generalstaatsanwalts beim
Kammergericht in Berlin zur
Auslagerung von Gefangenen. Obschon
diese
Anordnung nicht erhalten
blieb, konnte der Reichsverteidigungskommissar
auf Grund des
2.
Führererlasses
vom 20. September 1944 und
der Richtlinien eine
solche geben234. Auch
der von Eggensperger
am 31.
Januar 1945 diktierte Vermerk235
legt
es
nahe, daß
Stürtz
eine Anordnung
zur Räumung des Zuchthauses
in Sonnenburg
und
zur Tötung eines
Teils der
Gefangenen
zur Durchführung über
das Reichssicherheitshauptamt an
den
Höheren SS- und Polizeiführer oder
den Inspekteur der Sicherheitspolizei
und des SD an die
Staatspolizeistelle in
Frankfurt/Oder weitergeleitet hat.
Man muß aber hierbei die Äußerung
Eggenspergers
in Betracht ziehen,
daß
damals
Zuständigkeiten
keine
allzu große Bedeutung mehr beigemessen wurde, weil
die Unruhe
bereits ungeheuer groß war und niemand mehr
die Zuständigkeitsfragen genau prüfte236. Jedoch war dieser
Befehlsweg, nach den damaligen Begebenheiten und Vorschriften, der
wahrscheinlichste.
Daß
die Räumung von Zuchthäusern auch im Reichssicherheitshauptamt besprochen
wurde, beweist die Aussage des SS-Standartenführers Martin Sandberger, des
Gruppenleiters
VI
A im RSHA, nach
der, im Februar
1945, der Gruppenleiter
VI
B,
SS-Standartenführer Steimle, ihm folgendes erzählte: Bei einer
täglichen Amtschefbesprechung, bei der
Steimle Schellenberg
vertrat, „habe
Müller, (Amtschef
IV) Kaltenbrunne
eine Liste von
Personen vorgelegt, die in oder bei Berlin in Haft waren und
bei denen Kaltenbrunner entscheiden
sollte, ob sie nach Süddeutschland
überführt oder erschossen werden sollten, da die russischen Armeen sich
Berlin näherten. Steimle wußte nicht, um was es sich handelte.
Kaltenbrunner
machte die
Entscheidung in äußerst flüchtiger und oberflächlicher Form, und Steimle empörte
sich mir (= Sandberger) gegenüber über die Leichtfertigkeit dieses
Verfahrens. Daraus schloß ich, daß Kaltenbrunner eine Anzahl von
Erschießungsbefehlen gegeben hat, denn wäre die Evakuierung angeordnet
gewesen, dann wäre nicht von Leichtfertigkeit des
Verfahrens
gesprochen worden"237.
Nach
Himmlers
geheimen
Durchführungsbestimmungen vom 06. Januar
1943 für die Exekutionen
von KZ-Häftlingen, Fremdarbeitern und andern
erfolgte.die Befehlsdurchgabe
für die
Hinrichtungen „mittels
Schnellbriefes oder FS (=
Fernschreibens) an die zuständige
Staatspolizei-leitstelle
bezw. den Kommandeur
der
Sicherheitspolizei und des SD.
Diese Dienststelle hat von der
Anordnung zu verständigen:
1.
den Höheren SS- und
Polizeiführer,
2.
den
Befehlshaber bezw. den
Inspekteur der
Sicherheitspolizei und des
SD.
Die Anordnung wird gezeichnet
vom Chef des Amtes
IV des RSHA
oder von einem besonders
Beauftragten."
Die Hinrichtungen außerhalb der Konzentrationslagers
waren "an einem
geeigneten, von außen
nicht einzusehendem Orte (Steinbruch,
Waldstücke
usw.) vorzunehmen.
Innerhalb von Dörfern, Gehöften
usw. werden
sie nur in besonders
bestimmten Ausnahmefällen
vollzogen. Bei der
Auswahl des Exekutionsplatzes
sind nach Möglichkeit die
Anregungen des
zuständigen Bürgermeisters und Ortsgruppenleiters
sowie berechtigte
Bedenken der
Grundstückeigentümer zu berücksichtigen."
Weiter war, falls
keine andere Weisung vorlag, die
Öffentlichkeit
von
der Exekution auszuschließen238.
Die Einlassung von Richter zeigt auf das
Reichssicherheitshauptamt hin. Auch sein
Stellvertreter Herget behauptete,
es sei ein geheimes Fernschreiben von
dort gekommen, in dem
eventuell auf die
Erschießung
hingewiesen
worden sei.
Piper
dagegen
sprach
von
der Verwunderung der Beteiligten,
daß es sich
nicht
um
eine Anordnung des
Reichssicherheitshauptamtes
gehandelt
habe.
Es liegt jedoch
am
nächsten, daß Richter den Tötungsbefehl vom
Reichssicherheitshauptamt
bekommen hat. Dies
bedeutet aber nicht,
daß
die
Entscheidung
auch
dort gefaßt wurde. Vielmehr spricht manches dafür,
daß die
Anordnung durch ein
Zusammenwirken
von Reichsjustizministerium,
Reichsverteidigungskommissar und Generalstaatsanwalt
zustande kam und auf dem Dienstwege an die Staatspolizeistelle Frankfurt/Oder
weitergegeben wurde.
Eggensperger
gab an, daß nach seinem Eindruck der Erschießungsbefehl sicher von
„oben" kam und nicht von Haussen stammte. Dies verhinderte jedoch nicht, daß derselbe Eggensperger
nach einem Telefongespräch mit
Hanssen niederschrieb ,,. . . habe ich (= Hanssen) deshalb heute abend die
Gefangenen
von Sonnenburg einem Kommando der
Geheimen Staatspolizei
übergeben
lassen . . ."
Dies würde bedeuten, daß
Hanssen
die
Aktion in
Sonnenburg
ausgelöst hatte239.
Jedoch dürfte dieser
Übergabe
eine
Weisung des
Reichsverteidigungskommissars
vorausgegangen
sein, der hierin durch
den
2.
Führererlaß vom 20. September
1944 und
durch die Richtlinien
gedeckt
wurde240.
Zwei
oder drei Tage vor dem
30. Januar 1945 erhielt Richter ein persönlich
an ihn gerichtetes
Fernschreiben,
das
von Himmler unterzeichnet war,
mit dem Befehl, sofort das Zuchthaus
von Sonnenburg, vor
Eintreffen
der
Roten Armee, durch Erschießen der Häftlinge
zu
räumen,
weil ein
Rücktransport wegen des auf den
Straßen herrschenden
Verkehrschaos nicht
mehr möglich sei.
Weiter hieß es, daß es sich um Schwerverbrecher
handele,
die sich bei ihrer Freilassung
sofort auf die Zivilbevölkerung
stürzen
und morden und plündern
sowie die Sicherheit der Truppe
gefährden
würden. Anschließend
wurde Richter persönlich für die Durchführung des Befehls verantwortlich
gemacht241.
Das
entsprechende Dokument, das wahrscheinlich aus der Abteilung
IV
des
RSHA kam, blieb
unauffindbar, so daß
wir hier und auch für die
späteren
Vorgänge in
Frankfurt/Oder im wesentlichen auf die
Aussagen
von
Richter
und Nickel
angewiesen sind. Die Einlassungen der
beiden sind insgesamt,
aber auch in
Einzelheiten, nicht überzeugend
und zum Teil sehr
widersprüchlich. Ganz gewiß lautete der Befehl
nicht auf die Liquidierung sämtlicher
Zuchthausinsassen, da schließlich
eine Auswahl stattfand und nicht
alle Häftlinge getötet wurden.
Auch wurden bereits vor der Ankunft der SS
die Vorbereitungen
für
einen
Transport von etwa 200
Gefangenen und 150
Beamten
mit ihren
Familien
getroffen242. Wahrscheinlich hieß es daher, daß
die
zu übergebenden „asozialen und
staatsfeindlichen"
Gefangenen zu töten seien, während Richter und
Nickel, ebenso wie einige
Wächter des Zuchthauses, für sich das Verdienst in Anspruch nehmen wollen, die etwa
150 Überlebenden gerettet zu haben.
Zumindest ungewöhnlich ist ferner auch die
längere Begründung des Tötungsbefehls. Es wurde überhaupt kein Gefangener
entlassen, obschon
dies nach den Richtlinien
vorgesehen war243, so daß keine Gefahr für die Bevölkerung und die Truppe bestand.
Das Verkehrschaos verhinderte auch nicht, daß noch etwa zwei bis drei Tage später der
Konvoi mit den überlebenden Gefangenen sich ohne Schwierigkeiten von
Sonnenburg absetzen
konnte. Außerdem gab es auch noch die Möglichkeit einer Rückführung mit der
Eisenbahn, die Sonnenburg mit
Küstrin verband und heute noch verbindet.
Der Oberregierungskriminalrat und Leiter der Kripostelle
Frankfurt/Oder,
Wünsche,
fand eines frühen Morgens ein
möglicherweise vom Reichssicherheitshauptamt beim Nachtdienst eingegangenes
Ersuchen in seinem Büro vor, in dem
angeordnet wurde, das Zuchthaus Sonnenburg, wegen der am Nachmittag dieses
Tages zu erwartenden Annäherung des Feindes, zu räumen. Wünsche schickte
einen Beamten mit der telegraphischen
Anordnung
zur Stapostelle, um
in Erfahrung zu bringen, was zu tun sei. Der
Beamte kam
ohne das Schreiben zurück und berichtete, bei der Stapo
sei auch eine
derartige Anordnung,
und die Räumung würde durch
Erschießen der Häftlinge
vollzogen werden.
Wünsche
glaubt,
daß der
Hinrichtungsbefehl
nicht den Ausdruck
„Erschießung",
möglicherweise
aber den Ausdruck „Sonderbehandlung"
enthalten habe244.
Dies ist
gut möglich, denn
öfters versuchten die
Nationalsozialisten die direkten
Ausdrücke, wie „töten" und
„ermorden"
in ihren schriftlichen
Befehlen
zu
vermeiden. An ihrer Stelle gebrauchten
sie Ausdrücke, die dazu
neigten, das Töten
entweder zu rechtfertigen
oder zu verschleiern,
wie: abdirigieren,
entziehen, entnehmen, abziehen,
abtransportieren, aufheben,
abschieben, auffliegen, auslöschen,
auflösen, abholen,
erledigen, fertig
werden,
entlassen245, Aktionen, Sonderaktionen,
Säuberung,
Großsäuberungsaktionen,
Ausschaltung, Aussiedlung,
Vollzugstätigkeit,
Exekutionsmaßnahme,
entsprechend behandelt,
der
Sondermaßnahme
zugeführt,
sicherheitspolizeiliche Maßnahmen, sicherheitspolizeilich durchgearbeitet, usw.246.
Eines Nachts vor dem 30. Januar
fand auch ein Telefongespräch zwischen der Behörde des Generalstaatsanwalts am
Kammergericnt in Berlin und der Kripostelle in
Frankfurt/Oder in der
Bischofsstraße statt. In diesem Gespräch hieß es, das Zuchthaus Sonnenburg sei zu
verlegen und die schweren
Fälle zu exekutieren247. Es war nicht zu klären, warum die Generalstaatsanwaltschaft
sich an die recht unbedeutende und personalmäßig schwach besetzte und zudem
für diese Angelegenheit nicht zuständige Knminalpolizeistelle wandte. Anders dagegen würde der Fall liegen, wenn das Ersuchen
vom Reichssicherheitshauptamt gekommen wäre, das
so auf verschiedenen Wegen versuchte, einen
Befehl durchzugeben, den es unbedingt ausgeführt sehen wollte, wie dies z. B. der Fall für die Räumung
des Zuchthauses Gollnow war248.
Richter
wollte trotz der angeblichen Drohung in dem
Fernschreiben, mit dem Leben für die Durchführung
des Befehls zu haften, diesen nicht weitergeben. Er habe Nickel, der ihm als
fähiger Kommissar bekannt war, kommen lassen und ihm den Befehl gezeigt. Die
Behauptung Ariers, er habe Nickel ausgewählt, weil er ihm persönlich
näher gekommen war249, ist unglaubwürdig, da Nickel erst seit Anfang
Januar 1945 in
Frankfurt/Oder tätig
war.
Außerdem wird dies auch von Nickel bestritten250.
Richter
will
den Befehl außer
Nickel
jedem andern
gegenüber geheim gehalten
haben.
Er
eröffnete
Nickel,
daß
er den letzten Auslösungsbefehl für den
nächsten Tag erwarte und
daß er ihn für die Durchführung
des Befehls
auserwählt
habe. Zunächst
ließ er jedoch noch die Frage offen, ob er ihn endgültig
zur Durchführung
des Auftrages
bestimmen werde. Daraufhin
widersprach Nickel unmittelbar
der Übernahme dieser
Aufgabe251.
Auf Veranlassung
Richters
fuhr Nickel auch nach
Sonnenburg. Dies sagte
Richter
aus, und
Nickel
bestätigte es in einer
polizeilichen Vernehmung
von 1962. Später
widerrief
Nickel
diese
Aussage unter der Begründung,
er habe damals
Richter
decken wollen.
Wahrscheinlich glaubte Nickel,
mit der neuen Aussage,
die
diese
Fahrt nach Sonnenburg zu seiner eigenen
Sache machte, sich in ein
günstigeres
Licht
zu setzen252.
Zuerst fuhr
Nickel mit dem Zug
nach
Küstrin
zu seiner Familie. In
Küstrin
jedoch
ließ er sich vom Chef des Kommandos
der Schutzpolizei einen
PkW nach Sonnenburg geben. Im
Zuchthaus habe er
sich mit dem Anstaltsleiter
Knops
unter vier Augen
unterhalten253.
Über den Inhalt dieses Gespräches
konnte nichts Sicheres
festgestellt
werden.
Nach Richter
sollte
Nickel
dem
Direktor den Befehl
zeigen,
um ihn zu bewegen, das Zuchthaus zu räumen254.
Nickel
seinerseits
will Knops angedeutet
haben, was
den zu lebenslanger
Strafe
und den
zum
Tode verurteilten Häftlingen bevorstehe. Dieser sei entsetzt gewesen, habe es aber
abgelehnt, das Zuchthaus
zu evakuieren. Der Anstaltsleiter erklärte dagegen zuletzt am 29. August 1962, daß
Nickel in Zivil in Sonnenburg erschienen sei und von der Übernahme des
Zuchthauses durch die SS berichtet habe. Mehr wollte er sich nicht mehr
erinnern können255. Möglich ist aber auch, daß bereits bei dieser
Gelegenheit über den Kreis der zu Erschießenden und über die Auswahl der
Gefangenen gesprochen wurde. Es war aber nicht mehr mit
Sicherheit herauszufinden, ob die Auswahl der
Todeskandidaten auf hö herer Ebene
stattfand oder bereits vorher vom Anstaltsleiter oder erst später vom SS-Kommando an Ort und Stelle erfolgte.
Jedoch einiges deutet darauf hin, wie wir
noch sehen werden, daß
auf Grund allgemeiner Richtlinien der Anstaltsvorsteher schon eine erste
Aussonderung vornahm, die dann später nach Beratung mit den Mitgliedern des
Exekutionskommandos abgeschlossen
wurde.
Einige Tage vor dem 30. Januar
sprach Nickel beim Obergefreiten Geiseler in
Küstrin vor, der zu
der Heeressanitätsstaffel (Standortlazarett) in
Frankfurt/Oder gehörte. Beide
kannten sich von früher, wo sie Nachbarn und ihre Väter bei der Reichsbahn angestellt
waren. Nickel erzählte
Geiseler
von
einem unangenehmen
Befehl, den er nicht mit seinem
Gewissen
vereinbaren
könnte.
Inwieweit
Nickel
Geiseler
hierbei
einweihte, war nicht mehr
zu klären. Da Nickel
beabsichtigte, wegen des
Tötungsbefehls und
wegen
des zu erwartenden
Kriegsendes
unterzutauchen, bat er Geiseler um
eine Uniform und um ein neues
Soldbuch. Beide
vereinbarten, daß
Nickel
sich
auf einer Insel im Dehmsee
bei Fürstenwalde verstecke, wobei
Geiseler
für die Ernährung
sorgen
sollte.
Geiseler besorgte auch die Uniform
und das Soldbuch. Aber die
Benutzung des Soldbuches
scheiterte, weil
ein entsprechendes
Amtssiegel
nicht
greifbar war. Die Uniform war jedoch
nach Ansicht der Beteiligten
ohne Soldbuch nicht verwendbar.
Als
Geiseler
wenige
Tage später das
Dienstsiegel
besorgt hatte, erklärte Nikkei,
daß es schon zu spät sei256.
Vor
dem 30. Januar rief, auf Grund
eines
Anrufes des Generalstaatsanwalts,
der Inspekteur der Sicherheitspolizei und
des
SD,
Dr. Fischer, bei
Richter
auf der Dienststelle an. Das Gespräch
wurde von Franz
Her-get,
Kriminalrat im Hauptquartier der
Gestapo in
Frankfurt/Oder, angenommen und
auf Richters
Apparat umgelegt. Das
Thema dieses Gespräches war
Sonnenburg, ohne daß sich dessen
genauer
Inhalt
jedoch feststellen
ließ. Auf jeden
Fall
hat Dr.
Fischer
nachgefragt,
ob der Befehl ausgeführt worden sei. Als Richter
die Frage
verneinte, wies der Inspekteur darauf hin, daß die Anweisung auf
der
Stelle auszuführen
sei und daß eine Befehlsverweigerung
Richter
den
Kopf kosten würde257.
Soweit Richter in seiner
Aussage, die aber mit Vorsicht zu genießen ist, da es sich hierbei ganz gut um eine
Schutzbehauptung handeln kann. Andererseits ist es aber nicht ausgeschlossen, daß Richter
noch etwas Zeit gewinnen
wollte und sich erst durch den Anruf des Inspekteurs zur Auslösung des Befehls
gezwungen sah. Denn trotz seiner Vergangenheit als Führer des Einsatzkommandos 8 in Mogilew (Rußland), das
Massenerschießungen
vornahm, scheint Richter niemals alle Skrupel überwunden
zu haben. So ist in seinen
Personalakten vermerkt, daß er im Osten führungsmäßig als Kommandeur versagt habe und daß der Chef der
Einsatzgruppe D ihn als den Typ des Menschen bezeichnet habe, der als Kommandoführer nicht geeignet sei258.
Jedenfalls ist er auch als Vorgesetzter für
die Ermordung von etwa 70 kranken und schwachen Häftlingen der Krankenbaracke des ihm unterstellten
Arbeitserziehungslagers Schwetig (Swiecko) verantwortlich259.
Am Morgen des 30. Januars beordnete
Richter Nickel wieder zu sich und befahl,
die Hinrichtungen in Sonnenburg so schnell wie möglich durchzuführen. Nickel will
sofort energisch widersprochen haben, wobei es zu einem heftigen Wortwechsel
gekommen sei. Richter soll Nickel darauf aufmerksam gemacht haben, daß
er sich der Befehlsverweigerung schuldig mache. Er habe nachdrücklich auf die
Befehlsausführung bestanden, und Nickel blieb nur zu gehorchen übrig260.
Beide wollen also nur unter Zwang den Tötungsbefehl ausgeführt haben. Auf den
Befehlsnotstand
als
Entschuldigungsgrund für Verbrechen während des
III.
Reiches
berufen sich viele.
Aus diesem Grunde ist die Frage nach
dem Kriege
von den deutschen Schwurgerichten immer wieder geprüft
worden. Dabei ergab
sich, daß der
NS-Staat im allgemeinen und die SS im
besonderen
Befehlsverweigerung und Ungehorsam häufig hart
bestraften.
In
keinem Falle
konnte
jedoch nachgewiesen werden, daß die Verweigerung
eines Exekutionsbefehls
härtere Folgen hatte
als Beförderungs-
und
Auszeichnungssperre,
Versetzung in die
Heimat beziehungsweise
an die
Front
oder ein Vermerk
in
die Personalakte: der Betreffende habe sich als „zu
weich" erwiesen. Im
Gegenteil, eine
solche Weigerung war
gewöhnlich
ohne
irgendwelchen
Nachteil
für den Betreffenden261. Am 23. März
1944 um 15.45 Uhr
verübten Mitglieder
der „Resistenza" einen
Bombenanschlag gegen 156
Soldaten der
II.
Kompanie des 3. Bataillons vom
SS-Regiment Bozen in der
Via Rasella in Rom. 22
Soldaten starben
auf der Stelle,
während
weitere
11
in den nächsten
Stunden ihren schweren
Verletzungen erlagen.
Einen
Tag später, zwischen 15.30 und 20.00 Uhr, erschoß die SS
in den
Ardeatinischen
Höhlen 335 Geiseln im Alter zwischen 14 und 75
Jahren
- Arbeiter, Künstler, Diplomaten,
Anwälte, Angestellte,
Ärzte, Kaufleute, Schüler und einen katholischen Priester.
Als der General Kurt
Mälzer,
Stadtkommandant in
Rom, Dobbnck,
Kommandeur
des 3. Bataillons, den Auftrag gab, mit seinen Leuten die Geiselerschießungen
vorzunehmen, weigerte sich dieser. Dobbricks Befehlsverweigerung gelangte zwei
Tage später auf dem Wege einer ofhzul len Beschwerde von SS-Obersturmbannführer
Herbert Kappler, Chef des Sicherheitsdienstes in Rom, zu General Karl Wolff,
Höherer SS- und Polizeiführer für Italien. Jedoch gegen Dobbrick wurde
nichts unternommen. Er blieb weiterhin Kommandeur
des 3. Bozener Bataillons.
Daraufhin rief Mälzer
das Hauptquartier der
14 Armee an, wo er mit Oberst Wolfgang Häuser sprach. Er forderte die
sofortige Bereitstellung eines Exekutionskommandos. Oberst Häuser, der
kurze Zeit spater zum General befördert wurde, weigerte sich ebenfalls, so
daß schließlich Kapp-ler
mit seinen Leuten die Erschießungen ausführen mußte262.
Die Nationalsozialisten wußten sehr gut, daß nicht jedermann für diese „Arbeit" geeignet war. Wohl
arbeiteten sie häufig mit Drohungen gegenüber
den Befehlsverweigerern, andererseits brauchten sie diese jedoch nicht durch drakonische Strafen zu
zwingen, denn es gab deren genug, die bereit waren, die verbrecherischen
Befehle auszuführen. In der Regel gehorchten die zu verbrecherischen
Hinrichtungen Befohlenen ohne Widerspruch
oder gaben den Versuch, sich der Befehlsausführung zu entziehen, auf einen bloßen „Anpfiff"
hin, sofort auf, wie dies auch im Falle
Richter und Nickel zutraf263.
Die weiteren Ausführungen der beiden
zu dieser Unterredung haben sich als falsch erwiesen. So will Richter Nickel angewiesen
haben, den Holzgaswagen,
Marke Citroën, der „bei jedem Meter stehenblieb", für die Fahrt nach
Sonnenburg zu benutzen. „Mit Sicherheit haben Sie eine Panne. Wenn nicht, müssen Sie
eben trotzdem eine haben; sie dürfen auf keinen Fall ankommen, so befehle ich
Ihnen, sämtliche Insassen des Zuchthauses im Einvernehmen mit dem Direktor zu
retten." Jedoch nach den übereinstimmenden Aussagen von Baudis und
List, die beide der
Fahrbereitschaft
der Stapostelle Frankfurt/Oder angehörten, gab es keinen LkW, der besonders betriebsuntauglich gewesen wäre. Alle Fahrzeuge
der Dienststelle waren den damaligen Umständen entsprechend diensttauglich. Das Kommando fuhr ja auch ohne
Schwierigkeiten von Frankfurt/Oder
nach Sonnenburg und zurück264.
Laut Nickel habe die
Auseinandersetzung zwischen ihm und Richter damit geendet, daß Richter
klar und deutlich die Verantwortung für die Durchführung des Befehls
aufgeteilt habe. So sei Nickel nur für den
Iransport für das Kommando hin und zurück
verantwortlich gewesen. Alles wejtere sei
einem Untersturmführer zugeteilt worden, dessen Name er nicht kenne. Dazu ist zu sagen, daß es zur
militärischen Regel gehört, dem
Ranghöchsten das Kommando zu übertragen, und es wurde festgestellt, daß Nickel
als Obersturmführer den ranghöchsten SS-Dienstgrad aller Kommandoangehörigen
hatte. Ob er zugleich auch als Kriminalkommissar den höchsten
Polizeidienstgrad hatte, konnte nicht geklärt werden. Dies ist jedoch gut möglich, da gewöhnlich SS- und Polizeigrad parallel liefen. Gegen diese
Behauptung spricht auch das spätere Auftreten von Nickel in
Sonnenburg. So führte der Anstaltsleiter Knops aus, daß er nur mit Nickel verhandelt habe. Dies
hätte sich bestimmt erübrigt, wenn Nickel nur die Verantwortung für
die Hin- und Rückfahrt getragen hätte. Auch Richter gab an,
nichts von einem Untersturmführer als Verantwortlichen für die Exekution gehört zu haben265.
Auch die weitere Angabe Nickels,
laut dem Fernschreiben sei ein zweites Kommando direkt von Berlin aus nach
Sonnenburg in Marsch gesetzt worden, ist nicht
glaubhaft.
Wenn ein Kommando aus Frankfurt/Oder Sonnenburg infolge Kriegseinwirkung nicht erreichen sollte, bestanden noch weniger
Chancen für ein
anderes Kommando
aus Berlin. Ein zweites Kommando
ist auch nie in
Sonnenburg
angekommen. Richter seinerseits
weiß auch
nichts
von einem zweiten
Kommando.
Wahrscheinlich wollte
Nickel
hiermit zu erkennen geben, daß
ein anderer die Tat vollbracht hätte, wenn
er sie nicht selbst
begangen
hätte266.
Es
war unmöglich
herauszufinden, wer
das
Kommando
bei der Stapostelle
in Frankfurt/Oder
zusammenstellte. Wenn man
Richter
folgen will, nicht
er selbst habe die Auswahl der Leute angeordnet,
sondern
Nickel überlassen,
so muß er als
Verantwortlicher für die Durchführung
des Befehls diese
Auswahl zumindestens mit Nickel näher
erörtert
haben.
Dagegen
ist
der Hinweis Nickels,
selbst zur Auswahl von Leuten
nicht in der
Lage gewesen
zu sein, unglaubhaft.
Obschon er erst seit kurzem
wieder in Frankfurt/Oder
Dienst tat, war er
wegen seines Dienstranges
und
der
hinter ihm
stehenden Autorität vonRichter
sehr wohl in der Lage,
sich die geeigneten
Leute auszusuchen267.
Das nach
Sonnenburg geführte
Kommando umfaßte
etwa
20 Mann. Die genaue
Zahl
war
nicht mehr feststellbar,
da die
verschiedenen Aussagen
voneinander
abweichen268.
Auch die Zusammensetzung
des
Erschießungskommandos blieb unklar. Nach Richters
Ansicht
gehörten
zum
Kommando
Angehörige von aufgelösten Stapostellen, die aus östlichen Gebieten nach
Frankfurt/Oder gelangt
waren. Etwas präziser dagegen war Nickel, der angab, daß sich das Kommando zur Hälfte
aus SS-Führern und aus Wachmannschaften zusammensetzte, die aus den
Arbeitserziehungslagern (AEL) gekommen
seien269.
Etwa 4
km südöstlich von Frankfurt/Oder lag das AEL-Schwetig, das aber erst am 31. Januar 1945, also nach den
Exekutionen in Sonnenburg
geschlossen wurde270. Dagegen war das
AEL-Brätz
(Brojce), das auch Frankfurt/Oder unterstand, bereits am 23.
Januar 1945 geräumt worden271. Arbeitserziehungslager im Warthegau,
der zu dieser Zeit bereits für die
Deutschen verloren war, befanden sich in Hohensalza (Inowroclaw),
Litzmannstadt (Lodz), Ostrowo (Ostrow) und
in Posen-Lenzingen (Junikowo)272.
Es ist also gut möglich, daß einige Mitglieder der hier frei gewordenen Wachmannschaften z. T. das
Erschießungskommando von Sonnenburg stellten.
Gemäß Inschrift auf dem Denkmal zu
Ehren der Opfer von Sonnenburg nahmen außer SS auch Wlassow-Soldaten am Massaker
der Häftlinge teil273. Hier handelt es sich aber
um eine Fehldeutung verschiedener Aussagen. Die Wlassow-Soldaten waren nach
dem russischen General Andrej Wlassow,
Befehlshaber der 2. sowjetrussischen Panzerarmee,
die im Juli 1942 kapitulierte, benannt. 1944 und 1945 leitete Wlassow eine
von den Deutschen
gebildete
antistalinistische russische politische Organisation, das
„Komitee zur Befreiung
der Völker
Rußlands" (KONR = Komitet
Oswoboshdenija Narodow
Rossii). Die Bezeichnung
Wlassow-Soldaten wird
allgemein für
sämtliche
Einheiten,
die im Rahmen der Wehrmacht und
der SS auf Seiten der
Deutschen, an der Ostfront, auf
der Krim sowie
in
Jugoslawien, in Polen, in
Frankreich, in Belgien, in Deutschland
und in der
Tschechoslowakei im Einsatz
waren, gebraucht.
Diese Soldaten wurden
auch
zur
Bewachung der
großen
Verbindungswege, zur Partisanenbekämpfung
und zu sogenannten
Befriedungsaktionen verwendet. Insgesamt belief
sich ihre Zahl auf
etwa 800 000 Mann. Im engeren Sinne des Wortes
handelte es sich aber nur
um die Truppen der „Russischen Befreiungsarmee"
(ROA = Russkaja
Oswoboditelnaja
Armija), die sich aus zwei Divisionen, der 600. (russ.) Infanterie-Division
und der 650. (russ.) Infanterie-Division,
zusammensetzte. Die 600. (russ.) Inf. Div. wurde im
März 1945 zweimal, jeweils für einige Tage, an der
Ostfront eingesetzt. Die andere
Infanterie-Division dagegen kam nicht zum Einsatz274.
Die Frau des Zuchthausarztes,
Wally Seidler, weiß von vielen Wlas-sow-Reitern in Sonnenburg. Nach ihren Informationen
jedoch ermordete die Gestapo die
Gefangenen275. Der Ortsgruppenleiter von Sonnenburg, Städter, traf am frühen Morgen des 31. Januar 1945 vor dem Zuchthausgelände Soldaten an, mit denen er sich nicht verständigen
konnte. Möglicherweise handelte es
sich hier um Wlassow-Soldaten. Auch der Betriebsleiter Blauert stieß
vor der Anstalt auf deutsches Militär, bei dem es sie imindest teilweise um Wlassow-Soldaten handelte276. Es gibt
also kein Augenzeugen, der die Wlassow-Soldaten auf die Gefangenen schießen
sah. Wenn auch Richter und Nickel in ihren Aussagen über die Zusammensetzung des
Erschießungskommandos vage blieben, so wäre doch bestimmt den
Zuchthausbeamten, schon allein wegen der Sprache, aufgefallen, wenn Wlassow-Soldaten zum
Kommando gehört hätten. Aber keiner des Wachpersonals erwähnte diese Einzelheit.
Dagegen wurden diese
Soldaten nur in der Ortschaft oder vor dem Zuchthaus angetroffen. Um welche Einheit es
sich hierbei handelte, war nicht herauszufinden. Wir wissen nur, daß kurz nach dem
09. Februar 1945 einige russische Panzerjagdkommandos der 600. (russ.)
Infanterie-Division mit Fahrrädern und Panzerfäusten ausgerüstet und an die Oder in
Marsch gesetzt wurden277.
Die Mitteilung von Henryk Muszynski, der nur gehört haben will,
daß Wlassow-Soldaten zum Wachpersonal
gehörten und auch das Massaker ausführten, ist
also falsch278.
Falsch ist ferner der Hinweis auf Soldaten der
Wehrmacht als
Exekutionskommando279.
Es ist
anzunehmen, daß das
SS-Kommando auf seiner Fahrt nach Sonnenburg
von
dem Regierungsgebäude,
in dem die Stapo ihren Sitz hatte, abfuhr, wie
dies in der Regel
geschah.
Der
Behauptung Nickels, entgegen der sonstigen
Gewohnheit von der Garage
abgefahren zu sein,
steht die Aussage
von Baudis, dem
Fahrdienstleiter
für
den Fahrzeugpark der Stapo, entgegen,
der sich nicht an die Abfahrt eines größeren
Kommandos erinnerte,
obwohl ihm die Abfahrt
den Umständen nach
hätte
auffallen müssen.
Außerdem war es
unmöglich, einen Grund zu finden,
warum man von
der allgemeinen Regel abwich. Weiter bestritt
Richter
mit der Garage
ein Telefongespräch geführt zu haben, in dem
er
Nickel
gegenüber die
verzögerte
Abfahrt
nach Sonnenburg als Sabotage bezeichnete,
wie Nickel angab.
Besondere
Schwierigkeiten bei
der Abfahrt gab es nicht. Der
mit Holzgas betriebene
LkW konnte ordnungsgemäß gestartet
werden. Die Fahrt wurde nur
mit einem LkW
unternommen. Wenn
Glasneck
von
2 LkW spricht, wird es
sich sicher um einen
Erinnerungsfehler handeln, denn das Kommando
war
nicht
so groß, daß
unbedingt
zwei Fahrzeuge gebraucht
wurden. Es ist
auch
nicht
ersichtlich,
weshalb Nickel die Mitnahme eines weiteren
LkWs
verschweigen sollte. Auf der
Fahrt nach Sonnenburg
kam es durch verstopfte Straßen gelegentlich zu Stockungen. Dem Kommando
begegnete bereits zurückflutendes Militär. Es erreichte das Zuchthaus in
Sonnenburg am späten Nachmittag des 30. Januar 1945 nach Eintritt der Dunkelheit280.
Es war dies der Tag, an dem der Führer von der Reichskanzlei aus seine letzte
Rundfunkansprache an das deutsche Volk hielt und sein Vertrauen in den Endsieg
nochmals ausdrückte281.
2°
Die Ereignisse in Sonnenburg
Die ersten Anzeichen der sich nähernden Front waren für Sonnenburg die mit Flüchtlingen
vollgestopften Straßen. Im Laufe des Januars 1945 trafen im Zuchthaus eine Anzahl Frauen aus
Grodno
(Grodno) ein282. Ende Januar 1945 füllte sich die Sonnenburger
Anstalt mit geflüchteten Beamten und Häftlingen. So waren die Beamten nebst
Angehörigen und Häftlingen der Anstalt Lentschütz (Leczyca) und noch einiger
kleineren Anstalten dort
untergebracht283.
Am 25. Januar 1945 erreichte der Anstaltsleiter
des Gefängnisses Wronke, Jörg,
mit einer ersten kleinen Gefangenengruppe das Zuchthaus Sonnenburg. Um 20.45
Uhr gab er von hier aus einen telefonischen Bericht über die Evakuierung der
Wronker Anstalt an
Senatspräsident
Hecker
der Abteilung
V
des
Reichsjustizministeriums durch. Über dieses Gespräch fertigte Hecker einen
Aktenvermerk an284.
Bei Aufgabe der Anstalt
Wronke waren 1 098 männliche und 650 weibliche, hauptsächlich polnische
Gefangene vorhanden285. Der Anstaltsleiter Jörg hatte vom
Generalstaatsanwalt in Posen die Weisung erhalten, einige Entlassungen vorzunehmen, und zwar
Häftlinge mit kurzen Freiheitsstrafen
oder mit einem geringen Strafrest. Die genaue Höhe war Jörg nicht mehr
erinnerlich. Richtlinien, nach denen Gefangene mit erheblichen Strafen der Polizei zu übergeben waren,
waren ihm nicht bekannt286.
Auf Grund der erhaltenen Weisung wurden 230 Männer und 310 Frauen entlassen. Auf Marsch gingen 818 Männer
und 310 Frauen, während 50 Männer und 30 Frauen in Waggons verladen wurden. Unterwegs
wurden weiter vom Vorstand etwa 70 Männer und 100 Frauen, von den Leitern der einzelnen Züge etwa
80 bis 100 Männer entlassen.
Selbstverständlich
benutzten die Gefangenen die während des Marsches für sie günstigen Fluchtgelegenheiten,
besonders solange sie sich noch
auf von Polen besiedeltem Gebiet befanden. So entwichen bereits in Zirke
(Krs. Birnbaum) etwa 150
Gefangene und eilten in die Wohnungen der
Polen. Da die Bevölkerung eine drohende Haltung einnahm, war ein gewaltsames
Herausholen aus den Gebäuden nach Angaben der Transportführer, VerwaltungsInspektor Sülau und
Verwaltungs-Inspektor
Friedrich,
nicht angängig. Später
flüchteten noch etwa 188 Gefangene. Auf
der Flucht wurden 10 Männer erschossen, während unterwegs zwei Manner verstarben287. Man
darf aber annehmen, daß die Zahl der erschossenen Gefangenen hoher lag, als in
diesem Bericht angegeben wurde und daß weitere
Erschossene als entwichen oder als entlassen geführt wurden. So findet man z. B.
keine Erwähnung von erschossenen Frauen, obschon die Polin Jozefa Gadomska, die
am Konvoi teilnahm, aussagte, daß die
kranken Frauen, die nicht mehr weiter konnten,
erschossen wurden288.
Jedenfalls soll der Restbestand
der Wronker Belegschaft am 25. Januar 1945 540 Männer und 58 Frauen
betragen haben289. Bis zur Ankunft des
gesamten Wronker Trecks in
Sonnenburg dürften noch zwei
weitere
Frauen geflohen oder erschossen
worden sein, da am 30. Januar 1945 nur
noch 56 Wronker Frauen geführt wurden290.
Inzwischen jedoch befand sich das
Gros des Trecks unter Oberinspektor Knappe noch
in Schwerin/Warthe, an der Außenarbeitsstelle
von Sonnenburg; andere
Teile
dagegen lagen noch
weiter rückwärts bis Birnbaum. Die
Gefangenen
sollten
mittels der drei
vorhandenen Lastkraftwagen (einer aus Sonnenburg,
einer
aus Brandenburg-Görden und einer
aus Wronke) im Laufe
der nächsten Tage
nach Sonnenburg geschafft werden,
um dort zu bleiben,
bis
der
Weitertransport
möglich war. Zu dieser Zeit standen noch
etwa 50 männliche und
etwa 26 weibliche Wronker Aufsichtskräfte zur
Verfügung.
Der zweite
Lastkraftwagen aus
„den besetzten Ostgebieten", der nach
Wronke
geschickt worden war,
um
Teile des
Zentrallagers zu bergen,
mußte
in
Wronke bewegungsunfähig zurückbleiben,
während der Fahrer sich
in Sonnenburg meldete291.
Die
Wronker Häftlinge
wurden, sobald sie in Sonnenburg
eintrafen, in der Anstalt
aufgenommen und getrennt von den
Sonnenburger
Gefangenen gehalten.
In den folgenden Tagen
verhandelte Jörg mit
dem
Reichsjustizministerium,
um eine
Transportmöglichkeit für
seine Gefangenen zu erhalten. Der
Treck hatte bis dahin schon etwa 118 km zurückgelegt,
und er wollte es nicht
verantworten, mit den
erschöpften
Gefangenen weiterhin
zu Fuß zu marschieren.
Schließlich
wurde Jörg mit Hilfe von Direktor Knops ein
Sonderzug genehmigt292.
Etwa um die gleiche Zeit weilte
der Generalstaatsanwalt Hanssen, der unmittelbare Vorgesetzte von Anstaltsleiter Knops, zu einem Besuch
in Sonnenburg293, wo er bekanntlich mit
seiner Familie in einem Teil der Dienstwohnung im
Zuchthaus Sonnenburg wohnte, nachdem seine Dienstwohnung in Berlin ausgebombt worden war294. Bei dieser
Gelegenheit teilte er Knops mit, daß die Gestapo in
Frankfurt/Oder mit dem Zuchthaus befaßt werde. Ob Knops außerdem
erfuhr, wie er in einer Vernehmung 1961 durch den Staatsanwalt angibt, daß die
Vollzugsgewalt auf
Himmler,
beziehungsweise auf die Gestapostelle in
Frankfurt/Oder
übergegangen sei und daß er sich künftig deren
Weisungen zu fügen habe, muß bezweifelt werden. Besonders, da Knops beschuldigt
wurde, an den damaligen Vorgängen
beteiligt gewesen zu sein. Es ließ sich auch nicht mehr feststellen,
ob schon bei dieser Gelegenheit oder erst später die Evakuierung des Zuchthauses erörtert wurde. Des
weiteren bleibt ungewiß, wann zuerst
Rede von Erschießungen und von der Auswahl gewisser Häftlinge war295. Auf jeden Fall
wußte Haussen bereits einige Tage vor dem fatalen 30. Januar was passieren würde, wie aus dem Vermerk von Eggensperger
vom 31. Januar 1945 hervorgeht296.
Am 28. Januar 1945297 führte der Generalstaatsanwalt Haussen
in Sonnenburg ein Gespräch mit dem Leiter der Wronker Anstalt, wobei er
diesem schließlich die Benutzung eines Zuges für seine Gefangenen mit der
Begründung untersagte, daß auch die deutsche Bevölkerung die Züge nicht mehr
benützen könne und marschieren müsse. Sinngemäß fügte er hinzu: „Es wäre wohl
besser gewesen, Sie hätten mit Ihren Gefangenen etwas anderes getan, als hierher zu marschieren."
Jörg versuchte, eine Änderung
dieser Entscheidung zu erreichen. Daher rief er sofort Senatspräsident Hecker vom
Reichsjustizministerium in Berlin an, um die Erlaubnis zum Weitermarschieren zu erhalten. Dies
wurde ihm vorläufig untersagt und eine
weitere Weisung in Aussicht gestellt298.
An diesem Tage etwa dürfte auch Nickel in
Sonnenburg aufgetaucht sein, wo er sich mit
dem Anstaltsleiter Knops unter vier Augen unterhielt, ohne daß, wie schon erwähnt, etwas
über den Inhalt dieses Gespräches in Erfahrung
zu bringen war und man daher nur auf Vermutungen angewiesen ist299.
„Am 29.01. hieß es, der
Russe ist bei Meseritz durchgebrochen und Panzerspitzen nähern sich in Richtung
Küstrin300."
Meseritz ist nur noch etwa 50 km Luftlinie von Sonnenburg
entfernt. Es ist daher verständlich, daß
sich im Zuchthaus eine gewisse Unruhe bemerkbar machte. „Am Sonntag, den 29.01 werden wir
früher als gewöhnlich geweckt. Das Brot wird erst gegen 10 Uhr ausgeteilt. Große
Aufregung ist in den Gängen. Wir
spüren, daß etwas geschehen wird. Wird man uns evakuieren? Wir stellen
verschiedene Vermutungen auf, sind aber weit davon entfernt, das
zu erraten, was am andern Tage geschehen wird. Der Rest
des Tages vergeht wie gewöhnlich"301.
Direktor Knops hatte zufällig in einem Gespräch mit der Heeresmunitionsanstalt von
Sonnenburg von einem Durchbruch
der russischen Panzer gehört302. Im Büro des Zuchthausvorstehers wurde daraufhin eine
Konferenz einberufen, an der Knops, sein
Stellvertreter Georg Rurig, die Beamten Paul
Klitzing, Fischer und Friedrich Tittmann teilnahmen. Hier wurde die neugeschaffene Lage erörtert und die Evakuierung des
Zuchthauses
diskutiert. Knops sagte jedem, was er während der Räumung der Anstalt zu tun habe.
Sein Stellvertreter Rung wurde beauftragt, die Gefangenen für die
Abreise vorzubereiten303.
Wahrscheinlich auch an diesem
Abend informierte Knops telefonisch das Reichsjustizministerium von dem russischen Vorstoß, der die feindlichen Verbände bis
auf 30 km
an
Sonnenburg heranbrachte303a. Er bat um Weisung. Senatspräsident Hecker,
der in dieser Nacht Dienst hatte, befahl, die Anstalt zu verteidigen. Die Frage,
wer nun im Reichsjustizministerium hierüber entschied, muß offenbleiben.
Jedoch sind die Angaben von Hecker, daß er den Justizminister in seiner
Wohnung angerufen habe, als
er Haussen
nicht
erreichte, und um Weisung gebeten
habe, weit wahrscheinlicher
als diejenigen von Klemm, nach denen Himmler das Zuchthaus in eigener
Verantwortung übernommen hätte.
Später
erfuhr
Knops,
wahrscheinlich wieder von der Heeresmunitionsanstalt,
daß mit einem
Durchbruch der russischen Panzer doch noch nicht zu
rechnen war. Er
unterrichtete
hierüber Senatspräsident Hecker
und bat,
da noch genügend
Zeit blieb, um die Erlaubnis zur Evakuierung. Der
Abmarsch wurde ihm
nochmals untersagt. Hecker
gab an, daß er noch
versuchte, für diese
Weisung den
Generalstaatsanwalt telefonisch zu erreichen
und daß er nur einen
Ersten Staatsanwalt vom
Nachtdienst antraf, der
anordnete, daß vor
irgendwelchen
Evakuierungsmaßnahmen die Gestapo zu
benachrichtigen
sei304. Für diese Darstellung verfügen
wir nur
über die Aussage
von
Hecker.
Hierbei
darf jedoch nicht aus den Augen verloren
werden, daß der Senatspräsident
der Beteiligung am Massaker bezichtigt wurde.
Es ist nicht
ausgeschlossen, daß noch weitere
Gespräche
zwischen
Sonnenburg
und dem
Reichsjustizministerium
oder der Dienststelle
des
Generalstaatsanwalts
geführt wurden, ohne
daß hierüber Unterlagen
erhalten
blieben.
Was mag nun diesen negativen Entscheid bewirkt haben?
Wir wissen es nicht. Die geheimen Richtlinien sahen die Räumung durch Rückführung, Abgabe an andere Stellen oder Entlassung
vor. Bei Entlassungen war eine
eventuelle Gefährdung der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. War die Räumung
nicht mehr durchführbar, so waren „die nicht ausgesprochen asozialen und staatsfeindlichen
Gefangenen" zu entlassen, die andern der Polizei zur Beseitigung
zu
übergeben. Wenn die Richtlinien auch nur Fingerzeige geben konnten305,
so waren sie doch in dem hier interessierendem Punkte klar. Eine
Übergabe
an die Polizei kam also nur dann
in Frage, wenn eine Räumung nicht mehr durchführbar war. Dies war aber nicht der Fall für
Sonnenburg.
Der Anstaltsleiter Knops teilte Senatspräsident Hecker vom
Reichsjustizministerium mit, daß mit dem weiteren Vordringen der russischen Panzer noch nicht
zu rechnen sei und er abrücken
könne. Der Abmarsch wurde ihm aber untersagt306. Schließlich zog ja noch später die Kolonne mit
den Überlebenden ohne Schwierigkeiten von
Sonnenburg
ab. Jemand
wollte
also nicht, daß sämtliche Gefangenen
evakuiert würden. Aber wer? Hierauf war leider keine Antwort zu finden.
Das Kieler
Landgericht
vermutete,
die Sorge um eine geordnete Rückführung
der Zivilbevölkerung aus
den vom Feind bedrohten Gebieten und die
Absicht, auf keinen Fall
die Kampfkraft der feindlichen Einheiten zu verstärken
oder die Schwächung
der eigenen in Kauf zu nehmen, könnten die
Exekution veranlaßt haben.
Bei den Gefangenen, die wegen schwerster
Kriminalität einsaßen, war
jedenfalls bei ihrer Freilassung
die Sorge
um die Sicherheit der
auf teilweise
sogar verstopften
Straßen nach Westen
flutenden
Zivilbevölkerung nicht
unbegründet.
Aber auch die zahlreichen
Ausländer,
die im Zuchthaus
Sonnenburg
einsaßen,
konnten bei einer
Entlassung ein
Sicherheitsrisiko bilden.
Als
Angehörige fremder Völker und
Staaten, die von den
Deutschen
unterworfen worden
waren, sind sie
möglicherweise als potentielle
Feinde
der eingesessenen
Bevölkerung angesehen
worden. Es konnte befürchtet
werden,
daß sie als
Unruhestifter den
damaligen Augenblicksinteressen,
wie
sie durch
die
Frontlage und die nach
Westen zurückweichende
Zivilbevölkerung
bestimmt wurden, Schaden
zufügen könnten307.
Wenn, dies war
später auch für den
Transport
der Überlebenden der Fall, wie
bis jetzt festgestellt werden konnte, keine
Entlassungen getätigt wurden,
bestand auch keine direkte Gefahr mehr für
die deutsche Zivilbevölkerung
und die kämpfende Truppe, es sei
denn, man berücksichtige eventuelle Übergriffe
von während der
Rückführung entwichenen Gefangenen. Doch diese
strebten bestimmt
in erster Linie danach, sich in Sicherheit zu bringen,
und erst dann
mögen sie nach Vergeltung
getrachtet haben. Von einer
Gefahr für die
Deutschen konnte man bestimmt auch nicht bei den kranken
Gefangenen des Reviers reden. Damit entfällt allgemein für die Vorkommnisse
in
Sonnenburg das Argument des Sicherheitsrisikos, wie es das Kieler Landgericht
bei seiner Urteilsbegründung berücksichtigte308,
und die Beweggründe des oder der Betehlsgeber, wie angenommen werden kann,
lagen auf einer anderen d. h., der nationaisozialistischen Ebene. Vor den Mitgliedern des
Volksgerichtshofes am 22. Juli 1944, also
nach dem mißglückten
Attentat auf Hitler, formulierte Dr. Josef Goebbels dies so: ,,Im
Kriege gehe es nicht so sehr darum, ob ein Urteil gerecht oder ungerecht sei, sondern nur um die Frage der Zweckmäßigkeit der Entscheidung. Der Staat müsse sich
auf die wirksamste Weise seiner
inneren Feinde erwehren und sie endgültig ausmerzen"309.
Nach dem Verbot zum Abmarsch traf Knops Vorbereitungen,
um das Zuchthaus zu verteidigen. Die
Wachleute wurden bewaffnet, und sogar einige sogenannte
„Obleute" unter
den Gefangenen erhielten Zivilkleider
und wurden teilweise mit Waffen ausgerüstet. Der Anstaltsleiter ließ
seine Familie zum Hause des Betriebsleiters
Blauert bringen, das am Westrand der Stadt lag. Der Wronker Anstaltsleiter berichtete, daß die Zuchthausbeamten
zu dieser Zeit wie von Sinnen waren und daß es schien, als ob sie betrunken seien310.
Frau Thum,
die als
Telefonistin im Zuchthaus beschäftigt war, erklärte ihrerseits, daß
einige
Wochen
vor der Erschießung
„vertrauenswürdige" Gefangene bewaffnet
wurden, um
im Falle einer Revolte zu helfen,
Ruhe und
Ordnung
aufrecht
zu halten311.
Daß eine solche Möglichkeit bestand, beweist ein Ereignis
vom September
1944. Bei einer
Zellendurchsuchung kamen Hilfswaffen
jeglicher
Art, wie spitze Scheren, verschiedene Arten von Dolchen,
Messer, usw. zum
Vorschein. Es war
nichts Erstaunliches daran,
daß die
Häftlinge
sich
zu
bewaffnen versuchten,
hatten sie doch durch einen Wächter
von
einer
Äußerung des Direktors
gehört, nach der sämtliche Insassen
der Anstalt beim
Herannahen der
Russen
erschossen würden.
Dies
bestritt
Knops jedoch
später312.
Dagegen gab der stellvertretende
Leiter
von
Sonnenburg an, daß er am Morgen des
andern Tages (30.
Januar)
Knops
begegnete,
der ihm sagte, nichts
zu unternehmen,
da
alles sich
geändert
habe313.
Die erste Darstellung
finden
wir
im
Kieler Gerichtsurteil. Dieser ist wahrscheinlich der Vorzug zu geben, da sie sicher auf
den Aussagen von
Blauert
und Jörg
beruht,
die wegen ihrer Stellung eine bessere Übersicht über die Ereignisse hatten als
Frau Thum, obschon ihre Aussage bereits 15 Monate nach den Ereignissen
erfolgte, im Gegenteil zu den beiden andern, die erst 26 Jahre danach
hierüber berichteten. Was nun Rung angeht, so zeichnet sich sein Verhör durch
seine Dürftigkeit aus.
Am frühen
Morgen des 30. Januar versuchte der Anstaltsleiter vor Wronke erneut telefonisch beim
Reichsjustizministerium, die Erlaubnis zum Weitermarsch für seine Gefangenen zu erwirken.
Hecker untersagte
erneut den Abmarsch und verwies
darauf, daß
im Laufe des Vormittag eine Weisung kommen würde314.
Am Vormittag trafen sich Knops und
Haussen erneut.
Über diese Unterredung ist nichts Bestimmtes bekannt315.
Jedenfalls war das Diskussionsthema die Aussonderung und die Erschießung der
Gefangenen. Ob Haussen wohl bei dieser Gelegenheit erwähnte, daß die
Übernahme der Anstalt
durch die Gestapo von ihm mit andern Stellen besprochen, vom Reichsjustizministerium
angeordnet oder gebilligt wurde?
Im Laufe des Vormittags kamen Knops und
Jörg
zusammen, und
Knops
berichtete von einer
geheimen Reichssache, die er niemandem weitererzählen dürfte. Hiernach
erwartete Knops im Laufe des Nachmittags ein Kommando, das Erschießungen vorzunehmen
hätte, die auch die Gefangenen aus
Wronke
betreffen würden. Dazu hätte
Jörg die Gefangenen aus
Wronke auszusuchen,
die ein
Sicherheitsrisiko bilden würden. Diese wären
dem Kommando
zu übergeben. Nach
Jörgs Aussage, die teilweise auf
seinen schriftlichen
Aufzeichnungen vom
10. Februar 1947 beruht, kam
diese Nachricht aus dem
Reichsjustizministerium, das
seinerseits
diese
Weisung vom
Reichssicherheitshauptamt
erhielt, was Knops jedoch
bestritt. Er dagegen behauptete, nur
mit Generalstaatsanwalt
Haussen gesprochen
zu haben. Dies
schließt
jedoch
nicht aus, daß Haussen eine entsprechende
Anweisung aus dem
Reichsjustizministerium erhielt.
An Hand seiner Listen stellte Jörg
fest, daß eine
erhebliche Anzahl seiner
Häftlinge als gefährlich angesehen
werden müßten. Um
sie vor dem
Erschießen
zu retten, entschloß er sich, entgegen
den Weisungen sofort
abzumarschieren, und so zog er
unmittelbar
nach
dem Mittagessen mit etwa
540 männlichen
Gefangenen zu Fuß
weiter316.
In
der Aufregung des
Aufbruchs wurden die
56 weiblichen Gefangenen
vergessen und versehentlich
zunächst in Sonnenburg
zurückgelassen.
Beim
Abmarsch aus
Sonnenburg
warnte Knops seinen
Kollegen
vor
den Folgen seines eigenmächtigen
Handelns. Auch unterrichtete
er telefonisch das Reichsjustizministerium
von diesem Abmarsch.
In
Küstrin
angekommen,
setzte sich Jörg mit Eggensperger
im Reichsjustizministerium
in Berlin in
Verbindung. Dieser
teilte ihm mit, daß man schon seit dem Nachmittag von Knops wisse, was er
gemacht habe und daß man
seine
Handlung
mißbillige.
Jörg
erreichte
schließlich mit seinem Konvoi sein Ziel. Später wurde er wegen seiner
Befehlsverweigerung von seinen Vorgesetzten weder strafrechtlich noch
disziplinarrechtlich verfolgt. Dies erklärte Jörg damit, daß der Leiter
des Strafvollzugs bei der Staatsanwaltschaft in Posen sich
bei den vorgesetzten Stellen für ihn verwandt haben soll317.
Noch am selben Morgen erteilte Knops dem
Betriebsleiter Blauert den Auftrag, einen Treck zusammenzustellen. Hierbei
gab er an, daß
mit etwa 200
Häftlingen und etwa 150 Beamten und Angehörigen zu rechnen sei und Verpflegung für
10 Tage sowie Decken mitgenommen werden müßten. Daraufhin veranlaßte Blauert
beim Gutsverwalter, das vorhandene Vieh teilweise zu schlachten, um die
Lebensmittelversorgung des Trecks zu sichern. Das restliche Vieh sollte zur Versorgung
der Festung nach
Küstrin
getrieben werden318. Der Betriebsleiter bereitete auch die
Anheizung eines
zusätzlichen Kessels zur Verbrennung von wichtigem Aktenmaterial vor. Daß
auch Aktenmaterial verbrannt wurde, beweist die Aussage
von Pierre Lacotte,
der bei
diesen Verbrennungen half319. Dies bestätigte auch
Walter
Glasneck,
wobei
er noch präzisierte, daß sämtliche
Strafakten der
Häftlinge und die
sonstigen
Anstaltsakten
in der Heizung verbrannt wurden
und nur die Namenskartei
erhalten blieb320. Wenn Blauert
also glaubt,
daß die
Aktenverbrennung
später,
nachdem das SS-Kommando im
Zuchthaus erschienen war,
zurückgestellt
wurde, so irrt er sicherlich321.
Das
SS-Kommando erreichte
am späten Nachmittag, nach
Eintritt der Dunkelheit,
das Zuchthaus, wo es von
Hauptwachtmeister Rudolf Fiedler
sofort ins
Dienstzimmer
des Anstaltsleiters geführt
wurde. Bewaffnet war es mit
Pistolen, Maschinenpistolen und
Handgranaten322.
Nach Nickel
war hiermit
seine eigentliche Aufgabe beendet
und der für die
Erschießungen
zuständige und
verantwortliche Untersturmführer
habe die weiteren Verhandlungen
geführt und die Entscheidung
getroffen. Hier handelt es sich um
eine reine
Schutzbehauptung
von
Nickel, da wesentliche Punkte seiner Aussage
durch andere
Aussagen widerlegt werden, wie schon gezeigt wurde.
Es
ist jedoch nicht
ausgeschlossen, daß Nickel
eine gewisse Arbeitsteilung vornahm. Dies würde auch erklären, warum
Glasneck
und Fiedler von
zwei SS-Offizieren sprachen323. Dennoch blieb
Nickel
seinem Vorgesetzten
gegenüber allein verantwortlicher Kommandoführer.
Knops
kannte ihn bereits von dem Besuch her, den er wenige
Tage vorher in der Anstalt gemacht hatte. Nickel
erklärte,
daß er befugt war, die Erschießungen von Gefangenen vorzunehmen. Daraufhin
wurden die leitenden
Beamten des Zuchthauses zu einer Beratung in das Büro des Direktors geholt324.
An der Konferenz nahmen teil: von der Gestapo Nickel mit etwa 5 oder 6
SS-Männern; von der Zuchthausverwaltung Vorsteh
Knops,
Oberinspektor
Rung, Inspektor Tittmann, Inspektor Klitzing
Betriebsleiter Blauert, 1. Hauptwachtmeister Krause,
1. Hauptwachtmeister Budak, Hauptwachtmeister
Wisniewski von der Gefangenenkartei und wahrscheinlich auch Hauptwachtmeister Fiedler, obschon dieser seine Anwesenheit in seiner Aussage nicht erwähnte325.
Man darf aber bei der
Bewertung seiner Aussage nicht vergessen, daß diese Kommission die definitiven
Aussonderungen vornahm und Fiedler eventuell für seine damalige Haltung zur
Rechenschaft gezogen werden konnte.
Knops
ergriff als erster das Wort und stellte Nickel als
Kommissar vor. Daraufhin erklärte
Nickel
den
anwesenden Beamten,
daß er die Kommandogewalt
über
die
Anstalt im
Auftrage
des Reichsführers SS Heinrich
Himmler
übernommen habe. Dann
forderte er die Beamten auf,
seinen Anordnungen
Folge
zu leisten. Im
Falle
einer Weigerung hätten sie die Konsequenzen
zu tragen326. Nach
der Darstellung von
Klitzing sagte Nickel:
„Ich bitte Sie, mir Hilfe zu leisten
und mich nicht zu
stören, denn ich
verfüge
über
große Befugnisse"327.
Die SS müßten eine Hinrichtung durchführen
und die Beamten
hätten sich
daran
zu beteiligen. Auf den Protest
von Knops hin, wandte sich
Nickel
an die hinter dem
Schreibtisch stehenden
SS-Männer, besprach sich mit ihnen
und erklärte dann,
von der Beteiligung
der
Beamten sei Abstand genommen,
dagegen hätten sie aber bei der
Zuführung der Gefangenen
behilflich
zu
sein328.
Dann
schritt man zur
definitiven Aussonderung der zu erschießenden
Gefangenen.
Es besteht kein
Zweifel, daß schon eine erste
Aussonderung
vor
der Ankunft des
SS-Kommandos
vorgenommen worden war. Bereits
einige Tage vorher hatte
Generalstaatsanwalt Haussen
Listen der
Anstaltsinsassen, sortiert nach
dem Grade der
„Gefährlichkeit" der Gefangenen,
angefordert329. Auch
wußten Knops und Jörg spätestens
am Vormittag,
daß
eine Auswahl zu treffen
war. So erteilte Knops vor der Ankunft
der SS dem Betriebsleiter
Blauert
den Auftrag, einen Treck für
etwa 200 Häftlinge und 150 Beamten mit ihren
Familienangehörigen
zu bilden. Diese
Vorbereitungen entsprachen
außerdem den schon
erwähnten geheimen Richtlinien für die Räumung von
Justizvollzugsanstalten
im Rahmen der Freimachung
bedrohter Reichsgebiete, wo vorgesehen war, die Gefangenen „sofort in entlassungsfähige, zu überstellende und
zurückzuführende aufzugliedern und
listenmäßig zu erfassen"330. Nach Nickel brauchte das
Kommando die Hilfe der Beamten beim Aussortieren, weil es ihm nicht möglich war, die leichten und die schweren Fälle
zu beurteilen331.
Es
wurden
Karten der Gefangenenkartei herumgereicht, um die Gefangenen auszusuchen. Als Blauert zur Besprechung kam, befanden
sich
auf einem Tisch drei Stapel
Karteikarten von verschiedener Höhe. Aus den Gesprächen der Beamten glaubte er entnehmen zu
können, daß der kleinste
Stapel die Gefangenen betraf, die den Treck begleiten sollten, der zweite Stapel die Todeskandidaten
und der dritte Stapel die Gefangenen, über deren Los noch nicht entschieden war. Von
einem Stapel wurden etwa
10-12 Karten nacheinander von einem der Anwesenden Knops rübergereicht und wieder zurückgegeben.
Hierbei stand Nickel in der Nähe des Anstaltsleiters, ohne jedoch eine
Entscheidung zu treffen. Es ist nicht sicher,
ob Nickel die Karten überhaupt gesehen hat. Als einer der SS-Männer
seinen
Unmut
darüber zum Ausdruck brachte, daß es
recht lange dauere und
ihnen nur
einige Stunden zur
Verfügung stünden, wurden keine
Karten mehr einzeln
genommen. Einer ordnete an, „den
Treck stärker
aufzufüllen".
Daraufhin
nahm
ein SS-Mann einen Stapel Karteikarten,
zählte deren 150 bis 180
ab und sagte, daß die Sache nun
klar sei332. Soweit
der Betriebsleiter, der
als einziger Angaben über die
Aussonderungen
machte. Bei seiner
Aussage darf man
sich die Frage stellen, ob
Blauert
die volle Wahrheit
sagte, als er seine Rolle als die
eines Beobachters
schilderte.
Schließlich wurde
hier
über Leben und Tod der Häftlinge
entschieden, und es bestand die
Möglichkeit, daß jeder der
Beteiligten
einmal
für seine damalige Haltung
zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
Es war nicht mehr möglich zu ergründen,
nach welchen
Kriterien die
Gefangenenauswahl
vorgenommen
wurde.
So empfahl
Nickel,
nach seinen
eigenen Angaben, nur
die Gefangenen
zu
erschießen, die zu lebenslanger
Freiheitsstrafe oder zum Tode verurteilt
worden waren333.
Laut
Rung
waren
es die politischen
Häftlinge, die kriminellen
und die Häftlinge mit langen
Freiheitsstrafen334,
wogegen/örg von allen
für die öffentliche Sicherheit
bedenklichen Gefangenen redete335.
Nach dem Aktenvermerk, das Eggensperger
am
31. Januar 1945
anfertigte,
wurden die Gefangenen
in
„brauchbare" und
„unbrauchbare"
Elemente
eingestuft. Zu den letzteren zählten
„hauptsächlich Ausländer,
darunter auch verurteilte
NN-Gefangene"336.
Die
schon erwähnten
Richtlinien sahen vor,
daß die >,ausgesprochen asozialen
und
staatsfeindlichen Gefangenen" getötet werden sollten. Unter diese
Kategorie fielen bestimmt: NN-Gefangene, Ausländer, Juden, Judenmischlinge 1. Grades, Zigeuner, Polen und wehrmachtgerichtlich Verurteilte337.
Inwieweit aber diese Richtlinien angewendet wurden, blieb ungeklärt. Wenn auch die Angaben Fiedlers, dit Auswahl sei meistens dem Zufall zu verdanken
gewesen, nicht auf alle I'älle
anwendbar sind, dürfte dieser jedoch bei einzelnen Opfern gespielt
haben338. Eine besondere Gruppe bildeten
die Insassen des Krankenreviers. Wahrscheinlich wurden sie erschossen, weil
sie eine Belastung für
den Treck gewesen wären.
Im großen
und ganzen sind also diese Angaben vage und teilweise widersprüchlich. Man
darf aber ruhig annehmen, daß die letzte Entscheidung schließlich bei Knops und
Richter lag, was übrigens auch dem schon erwähnten Aktenvermerk von Eggensperger
entspricht, daß „der Anstaltsleiter im Benehmen mit dem Kommandoführer der
Gestapo" die „brauchbaren
Elemente" ausgesucht hatte339, wobei der Anstaltsleiter die wesentlichen
Entscheidungen getroffen haben dürfte, weil er, wegen seiner Stellung, den
besten Überblick über die ihm unterstellten Gefangenen besaß. Jedenfalls hatte die
Kommission eine seltsame Auffassung von dem Begriff
„brauchbar"; hieß
es doch vor dem
Kieler Landgericht aus dem Kreis der
Gefängnisbeamten,
daß auch Häftlinge mit Strafen
wegen schwerster
Kriminalität den
Treck begleiteten340.
Oder war dies vielleicht dem Zufall
zu verdanken,
von dem Fiedler redete341?
Nach
einer Darstellung
eines unbekannten
Aufsehers von
Sonnenburg
hatte die
SS den Befehl
erhalten,
sämtliche Gefangenen vor der Ankunft der
Roten
Armee zu töten. Es
gelang
ihm aber, mit Hilfe einiger Wächter,
etwa
150 Gefangene, in der
Mehrzahl Deutsche, aus den Händen der Gestapo zu
retten342. Dieser
Bericht
ist
offensichtlich falsch, und der Aufseher
versuchte aus irgendeinem
unbekanntem Grunde, das Verdienst
für sich
und
einige
Kollegen in Anspruch
zu nehmen, die Überlebenden „gerettet" zu
haben. Es war jedoch
niemals
vorgesehen, sämtliche
Häftlinge zu erschießen.
Bereits am Vormittag
des 30.
Januar
1945, also vor der Ankunft des
Exekutionskommandos, erhielt der
Betriebsleiter Blättert den Auftrag, einen
Treck für 200
Gefangene
zusammenzustellen343. Schließlich ist der Aufseher
Paul Klitzing, Leiter
der Finanzabteilung, formell in seiner Aussage,
daß von der Zuchthausverwaltung
nichts unternommen wurde, um die
Gefangenen
vor
der
Exekution
zu retten344.
Es wurde dann noch
entschieden,
daß alle zum Treck gehörenden Gefangenen in
den Nordflügel verlegt werden sollten. Die Todeskandidaten aus dem Nordflügel
dagegen waren in die freien Zellen des Ost- und Westflügels zu bringen.
Im Laufe der Beratungen tauchte auch
die Frage nach der Beerdigung der Leichen auf. Aus
diesem Grunde telefonierte man mit der Heeresmunitionsanstalt in
Sonnenburg, um dort Mittel zur Sprengung eines Massengrabes zu erhalten345. Mehr ist
über dieses
Gespräch nicht bekannt. Aber die Anfrage dürfte abschlägig behandelt worden
sein, weil später
keine Sprengmittel verwendet wurden. Weil die SS-Männer und Beamten unter Zeitdruck
standen, da im Laufe der Nacht noch mit einem russischen Panzervorstoß auf
Sonnenburg gerechnet wurde346, und da außerdem der Boden fest gefroren war,
beschloß man, die Leichname der Opfer nicht zu begraben347.
Schließlich
wurde auch noch die Auswahl des Erschießungsortes erörtert. Ein erster Vorschlag
lautete, die Gefangenen auf einem Felde in der Nähe des Zuchthauses zu
erschießen. Direktor Knops widersetzte sich diesem Vorschlag unter Hinweis
auf den Zeitmangel und auf die Annäherung der Roten Armee sowie auf das Fehlen von
Transportmitteln, um die Häftlinge zum Hinrichtungsort zu bringen. Nach einem zweiten
Vorschlag
sollten die Erschießungen an der Zuchthausmauer außerhalb der Anstalt vorgenommen
werden. Aber auch dieser Vorschlag mußte fallen gelassen werden, weil die
Bewachung zur Begleitung der Häftlinge zur Erschießungsstätte nicht ausgereicht
hätte. Schließlich wurde der Vorschlag, die Tötungen unmittelbar auf dem
Zuchthausgelände durchzuführen, zurückbehalten. Diesen Vorschlag unterstützte z.
B. Klitzing, weil man zu seiner Ausführung wenig Zeit und Wächter
benötigte, und außerdem
gab es hier weniger lästige Zeugen. Zum Schluß verteilte Direktor
Knops
die einzelnen Rollen bei der Aktion348.
Während der ganzen Zeit der
Beratungen war Nickel anwesend, ohne daß es feststeht, wieweit er
daran teilgenommen hat. Als jedoch der Betriebsleiter Blauert sich
entfernen wollte, um mit den Vorbereitungen für die Räumung fortzufahren,
entschied Nickel, daß er noch dazubleiben hätte, weil er sich erst mit ihm
das Anstaltsgelände ansehen wollte. Nickel gab nun Anweisung, das Gelände zu besichtigen. An dem
Rundgang nahmen etwa sechs bis acht
Personen teil. Die Gruppe ging vom Verwaltungsgebäude zur Pforte 1 und von dort durch die westliche Zwischenmauer bis zum Arbeitsflügel, wo die AEG-Halle
stand. Am Arbeitsgebäude an den Möhrenmieten blieben die Beteiligten stehen
und sprachen miteinander. Es war dies der Ort, an dem später die Exekutionen
vorgenommen wurden. Er war sehr
günstig gewählt. Aus dem engen Gang zwischen Außenmauer und Zuchthausgebäude drangen die Schüsse nur schwer zu den entfernteren Teilen des
Zuchthauses und zu den Häusern von
Sonnenburg, so daß nicht alle Gefangenen und Einwohner auf das Geschehen aufmerksam wurden.
Knops
befahl Blauert, die Beleuchtung einzuschalten. Am Arbeitsge bäude
befanden sich drei Lampen, und zwar an jeder Ecke eine, sowie eint weitere in der Mitte.
Nachdem Nickel Blauert angewiesen hatte, die Beleuchtung wieder auszuschalten, durfte er gehen349.
Gegen 21.00 Uhr ließ
Knops
Oberinspektor Georg Rurig
rufen und hieß ihn, das Abendessen
für die Männer des SS-Kommandos vorzubereiten350.
In den Räumen des stellvertretenden
Anstaltsleiters aßen sie und tranken Alkohol351.
Doch wie erlebten die Gefangenen diese Ereignisse?
„Am andern Morgen, also Montag, den 30.
(Januar) wiederum große Aufregung. Wir werden nicht zur Arbeit abgeholt. Das Brot
erhalten wir wiederum später. An der Laune eines Hauptwachtmeisters kann ich
mir vorstellen, welcher fieberhafte Zustand unter der Wachtmannschaft herrscht.
- Die Verbindungstiiren
sind weit offen. Die Wächter laufen aufgeregt in alle Richtungen. In einem Saal
erblicke ich Zivilflüchtlinge, Frauen und Kinder. Kameraden erzählen mir, diese
würden teils in der Küche, teils in den Ställen arbeiten und dort sämtliches Vieh
und Geflügel abschlachten und die Lebensmittelreserven wegtransportieren."
„Ohne
Zweifel, die Evakuierung ist in vollem Gange. Wenn wir nur das Ziel unserer
Evakuierung wüßten! Man führt uns in eine Schreibstube. Dort befinden sich die
Karteimittel der Gefangenen. Die Schnellhefter sind ihres Inhalts entleert, und man befiehlt uns,
sämtliche Papiere und Karteikarten in der
Heizung zu verbrennen352. Ohne Zweifel, diese Herren nehmen ihre Vorsichtsmaßnahmen und wollen es
wohl keinem andern überlassen, die
Kunststücke ihrer ,Kultur' zu bewundern."
„Wir werden wieder in
unsere Zellen geführt. Bis zum Abend nichts mehr.
Ab und zu hören wir in östlicher Richtung Kanonendonner. Die Suppe, die am Abend verteilt wird, ist
sonderbarerweise besser als gewöhnlich,
was nicht oft vorkommt."
„Wir
legen uns zum Schlafen hin. Nach einiger Zeit ist in der Treppe
ein Geräusch zu hören. Ich habe später
erfahren, daß es das Kommando von
Schwerin war, das zurückkam und dessen Leute von 5 Uhr morgens ununterbrochen
marschiert waren"353 und nun gegen 20 Uhr in
Sonnenburg ankamen354. Diese Zeit
brauchten sie, um die 49 km
zurückzulegen, die Schwerin a. d.
Warthe von
Sonnenburg trennt.
Aber nicht alle Häftlinge waren so
ahnungslos.
Walter
Glasneck,
der wegen „einwandfreier Führung" in
der Geschäftsstelle der Anstalt als Burokraft tätig war, hatte das Eintreffen
des SS-Kommandos beobachtet. „Nach der Besprechung kam der 1.
Hauptwachtmeister Budack, unte dem ich in der Geschäftsstelle
arbeitete, zu mir und sagte: ,Glasneck nehmen Sie Ihr Herz in beide Hände, es
geschieht etwas Furchtbares.' Ich sagte
darauf: ,Wir werden umgelegt, nicht wahr?' (Ich hatte das schon
immer geahnt). Er antwortete: Ja,
aber Sie haben Glück.
Sie sind bei den 120
Ausgelosten, die den Beamtentreck begleiten sollen"355.
Auch
Jozef
Wojcik,
der mit Putzarbeiten im
Zuchthaus beschäftigt war, konnte an der
Tür des Beratungsraumes lauschen und, da er der deutschen Sprache mächtig war, die
Unterhaltung zwischen dem Direktor und der Gestapo verfolgen. Er teilte seinem deutschen
Kameraden Willi
Wybing
das Gehörte mit. „Nach einer kurzen Beratung
beschlossen wir,
abends nicht in unsere
Zelle zurückzukehren. Indem ich von den Privilegien Gebrauch machte, die ich hatte und indem wir von dem Durcheinander
profitierten, das
an
diesem Abend im Zuchthaus herrschte, gingen wir ins 3.
Stockwerk und
versteckten uns in
einem Raum, der zur gleichen Zeit
als Sakristei der
Zuchthauskapelle diente"356.
Nach der Konferenz
begannen die Zuchthausbeamten die ihnen zugeteilten
Aufträge auszuführen.
Der stellvertretende
Anstaltsleiter Georg
Rung
bereitete die
Lebensmittel für den Treck vor357.
Rudolf Fiedler
kümmerte sich um die
Zuchthausbeamten und um ihre
Familien358. Paul
Klitzing
brachte die Schuhe
für die Gefangenen, die evakuiert
werden sollten359.
Alle Gefangenen,
die zum Treck kommen
sollten, wurden in den
Nordflügel verlegt. Die
Gefangenen aus dem Nordflügel, die
zur Exekution
bestimmt
waren, kamen
in
die freien Zellen des Ost- und Westflügels360.
Bei der Aussonderung
der Gefangenen
reihte sich Lascaris, von
einem Beamten gedeckt, einfach
in die für das Konvoi bestimmten
Häftlinge
ein und überlebte
wahrscheinlich
deshalb361.
Der Untersturmführer
Kern,
ein Mitglied des
SS-Kommandos, geriet durch
die vorzunehmenden
Erschießungen
in
einen schweren Gewissenskonflikt.
Noch vor Beginn des Massakers kam
er zu Nickel und
bat, von den
Erschießungen
freigestellt zu werden.
Diesem Wunsch entsprach Nickel362.
Der Leiter der Wachleute des Zuchthauses,
Krause,
erhielt den Befehl,
die
Gefangenen,
die hingerichtet werden
sollten, aus den
Zellen herauszulassen363. Dies
dürfte gegen 22 Uhr
gewesen sein364. Die Zuchthausbeamten hatten den
Auftrag,
die
Gefangenen,
in
Gruppen zu je 10 Häftlingen, auf dem Wege zum
Hinrichtungsplatz den
Männern des SS-Kommandos zuzuführen. Auf
jeden Fall brachten
sie die Opfer bis zum
Ausgang des Zuchthausgebäudes.
Anschließend
mußten die Häftlinge
durch ein Spalier
von Bewaffneten bis
zum
sogenannten Holztor.
Ob SS oder Wächte dieses
Spalier bildeten
und
wieviele Leute dazu
eingeteilt waren, könnt nicht festgestellt werden. Möglicherweise waren dies
aber Zuchthausbeamte,
weil, wenn man ein Exekutionskommando von 10 Mann annimmt nur noch
etwa 10 SS-Männer für diese Aufgabe zur Verfügung standen, was sichtlich
ungenügend war, um auf einer Strecke von etwas 160 m ein Spalier zu
bilden.
Interessanterweise will keiner der befragten Beamten dies Aufgabe
verrichted haben.
Blauert
sprach
davon, daß die Häftlinge im Vorhof von der SS übernommen wurden Dies wurde
bedeuten daß sie
bis zum Holztor durch Zuchthausangestellte begleitet wurden. Auch
Nickel
erklärte, daß die
Zuführung bis zur Ausgangstür (= Holzhoftor) durch Justizbedienstete geschah.
Nach dem Überlebenden
Savic
hätten die Wachtmeister die Gefangenen
bis zum Tor gebracht. Dagegen behauptete ein anderer Überlebender,
Lecek,
die
Wächter hätten die Opfer „um die Ecke bis zur Mauer, also um das Gebäude
herum, bis zur Erschießungsstätte"
getrieben365. Glasneck behauptete, daß die Häftlinge an der rechten Ecke des
Arbeitsgebäudes von der SS in Empfang genommen wurden366. Im
Gegensatz hierzu meinte der dritte Überlebende
Esseler,
daß die Gefangenen
bereits im Innenhof durch eine „Hecke" von SS-Leuten hindurch mußten.
Das Holzhoftor führte vom Innenhof zum Außenhof und lag
links zwischen dem langgestreckten Arbeitsgebäude
und rechts dem schräg hierzu liegendem Lazarett. An diesem Tor also mußten
die Opfer nach links zwischen Arbeitsgebäude und Außenmauer gehen. Der
Zwischenraum zwischen
Arbeitsgebäude und Außenmauer betrug etwa 11 m367. Am Holzhoftor
oder spätestens an der Ecke des Arbeitsgebäudes wurden die Gefangenen von einem etwa lOköpfigen
SS-Kommando368 in Empfang
genommen. Die Gefangenen trugen Holzschuhe und mußten die Strecke über den Innenhof zum Außenhof und
hinter dem Arbeitsgebäude entlang
im Laufschritt zurücklegen, wobei sie sowohl von den Gefängnisbeamten als auch von der SS zur Eile
angetrieben wurden. Das Arbeitsgebäude
war etwa 82 m
lang. Die Erschießungsstätte befand sich am äußeren Ende des Arbeitsgebäudes zwischen Außenmauer und Arbeitsgebaude
in der Nordwest-Ecke des Zuchthauses369.
Am Hinrichtingsplatz befahl ein
SS-man den Opfern, sich an den dort befindlichen Möhrenmieten niederzuknien
und den Kopf mit den Gesicht zur Erde auf die verschränkten Armen zu legen.
Dann erschoß
jeweils ein SS-mann ein oder zwei Gefangene mit Einzelfeuer aus der
Machinenpistole durch Genickschuß. Andere Häftlinge musßten sich mit dem
Gesicht zur Mauer stellen und die Hände hinter den Kopf verschränken. Hinter
inhnen, auf der anderen Seite des Ganges an der Mauer des Arbeidtsgebäudes,
standen die Leute des SS-Kommandos und schossen auf die Gefangenen.
Es war nicht festzustellen, wie
oft diese beiden Erschießungsmethoden angewandt wurden. Jedenfalls wurde die Genickschußmethode bei den Gruppen von
Esseler und
Savic benutzt370.
Auch
Glasneck und
Chaussy beobachteten Genickschüsse371.
Dagegen wurde die Gruppe von
Lecek nach der zweiten Methode
erschossen. Ob darüber hinaus noch andere Methoden angewandt wurden,
war nicht zu beweisen. So gab z. B.
Chaussy an " . . .die
Uniformierten mähten sie nämlich um . . ."; aber seine Aussage ist zu unklar. Außerdem kann es
sich hierbei um die Erschießung im
Stehen handeln372.
Trat der
Tod nicht gleich
ein, so gaben die Gestapo-Männer Nachschüsse ab.
Dies beobachteten
Esseler
und
Savic
selbst373,
während
Glasneck
dies von
den Mitgliedern des
Abschleppkommandos erfuhr374.
Lecek
erkannte
seinerseits Gnadenschüsse
daran, weil er bei der Suche nach
einem
Freund unter den Leichen bei
mehreren Toten mehrere Einschüsse im
Kopf festgestellt hat375.
Auch die
russische
Sanitäterin des Krankendienstes
Worosznina,
Feldpostnummer
19229, konstatierte nach der Befreiung
des Zuchthauses, daß
nach der
Erschießung
die Verletzten durch
Pistolenschüsse
oder durch Kolbenschläge
auf den Kopf erledigt wurden376.
Die meisten Opfer verhielten sich
passiv377. Verschiedene schrien vorher
laut auf, andere riefen:
„Vive
la
France!" oder „Vive
la
Belgique!"378.
Nur einige wenige
Gefangene versuchten zu flüchten,
als sie zur
Hinrichtungsstätte geführt wurden. Dies mißlang jedoch,
und
sie
wurden dabei
von der SS erschossen379. Nach
einem Bericht der
russischen Armeezeitung
„Die Verteidigung unserer
Heimat" Nr. 36 - 09. 02.
1945
soll einem
gewissenen
Dymitr
Pilipienko
die Flucht geglückt
sein380. Es war aber
keine Bestätigung
hierfür zu finden.
Dann
trat das Abschleppkommando in Aktion. Dieses
bestand aus
etwa 20 aus
dem Treck ausgesuchten Gefangenen und
soll
unter der Leitung von
Hauptwachtmeister Wopser gestanden
haben, der auch die Pistolen des
Erschießungskommandos
geladen
haben
soll381. Auch hier
konnte keine genaue
Zahl
mehr herausgefunden
werden382.
Die Zahl 20 kann etwa stimmen, wenn
man davon
ausgeht, daß die
Gruppe der Erschossenen
aus 10 Leuten
bestand
und die
einzelnen
Leichen jeweils von 2 Mitgliedern des
Abschleppkommandos
beiseite geschafft wurden. Laut
Chaussy
Jean-Pierre
handelte
es sich hierbei um
Freiwillige383. Diese Gefangenen waren vor Beginn ihrer Tätigkeit auf dem
Holzhof von einem nicht
identifizierten SS-Mann
in
ihre Aufgabe eingeweiht worden. Zu ihrer Beruhigung hatte
man ihnen gesagt, daß ihnen selbst nichts geschehen
würde384. Auf Veranlassung von Nickel sollen
sie auch noch mit neuen Schuhen versorgt worden sein385. Hier wollte
Nickel sich bestimmt in ein günstigeres Licht rücken, denn warum sollten
gerade die Mitglieder des Abschleppkommandos von der Schuhzuteilung
ausgeschlossen gewesen sein, denn, nach Klitzing, waren die Schuhe für sämtliche
Gefangenen bestimmt, die evakuiert werden sollten. Er selbst brachte das
Schuhwerk auf das
2. Stockwerk und übergab es Georg Rurig, der es unter die Gefangenen verteilte386.
Die Erschossenen wurden, sei es an
den Beinen387, sei es an Armen und Beinen388 von 2
Mitgliedern
des Abschleppkommandos gefaßt und in Richtung zur
Westmauer um
ein Postenhäuschen, das dort in
der äußersten
Ecke des
Zuchthauses
stand, herum zu
einer etwa einen Spatenstich
tiefen und
15-20 m langen und
etwa 2 m breiten Grube, wahrscheinlich eine leere
Runkelrübenmiete,
geschleppt und dort
hineingeworfen. Die Leichen
wurden weder
ausgezogen noch mit
Erde bedeckt. Als diese Grube
voll war, wurden die
Leichen vor der Grube um das Postenhäuschen
herum gelegt. Die
letzten wurden nicht einmal mehr weggeschleppt,
sondern einfach am
Erschießungsplatz
liegengelassen389.
Leider konnten keine sicheren
Angaben
über das Schicksal der kranken
Häftlinge gesammelt werden,
da die wenigen Angaben widersprüchlich
sind. Man darf aber ruhig
annehmen, daß keiner jene Nacht überlebte.
Diese Gefangenen sollen von
Mitgefangenen oder
von der SS aus dem
Krankenbau auf den
Innenhof oder auf
den Exekutionsplatz
gebracht und dort von
den SS erschossen
worden
sein.
In
welcher Weise dies
geschah, muß
offen bleiben. Hinkler
will von
der
Ermordung
der Kranken nur durch
einen Mitgefangenen, dessen Namen ihm
unbekannt ist, erfahren haben390.
Nach
Walter
Glasneck
wurden die
Lazarettinsassen
im Spital zum
Teil in
ihren
Betten erschossen391. Wie
Marcel Fas
Pierre
Lacotte
unterwegs erzählte,
„wurden die Insassen des
Krankenreviers schon gegen Abend erschossen.
Der Kalfaktor des
Krankenreviers, ein deutscher Gefangener, der wußte
oder ahnte, welches
Schicksal ihn
ereilen sollte, weigerte
sich, mit seinen
Gefangenen
das Revier
zu
verlassen. Die SS-Männer öffneten ihm darobhin
mit einem
Rasiermesser die Schlagader des
Handgelenkes
und ließen
ihn
so
auf der Stelle
sterben, während
sie die Kranken zum
Exekutionsplatz
führten
und dort
erschossen"392.
Diese Aussagen werden
noch durch die Tatsache ergänzt, daß bis jetzt kein Überlebender aus dem
Krankenbau gefunden wurde. Vielleicht kann man hier die Vorgänge im
Arbeitserziehungslager Schwetig, bei Frankfurt/Oder, das SS-Übersturmbannführer
Heinz Richter unterstand, zum Vergleich heranziehen, wo man die kranken und schwachen Häftlinge
in die Krankenbaracke einschloß und diese dann anzündete, so daß
etwa 70 Gefangene umkamen393.
Nickel
gestand,
selbst am Exekutionsort gewesen zu sein, um sich den Erschießungsvorgang anzusehen394.
Es stellt sich hier natürlich die Frage, ob die Gefangenen wußten, was
ihnen bevorstand, es nur ahnten oder gar völlig ahnungslos waren? Sicher waren die Angehörigen des
SS-Kommandos und die ihnen behilflichen Zuchthausbeamten daran interessiert, die
Gefangenen so spät wie nur möglich
erkennen zu lassen, daß sie getötet werden sollten, um so unnötige Schwierigkeiten, Unruhen oder
gar eine Panik zu vermeiden, die eine reibungslose
Exekution undurchführbar gemacht hätten. Bestimmt erinnerte sich Direktor Knops an den erwähnten
Vorfall vom September 1944. Bei
einer großen Zellendurchsuchung wurden selbstangefertigte Waffen aller Art, wie spitze Scheren,
primitive Dolche und Messer gefunden. Die Gefangenen hatten sich zu bewaffnen versucht,
nachdem sie durch einen Aufseher von einer Äußerung Knops erfahren
hatten, alle Häftlinge würden
beim Herannahen der Russen erschossen werden395.
Wenn auch nur in einem Falle bewiesen werden
konnte, daß die Beamten bewußt die Gefangenen belogen
haben, um Unruhe zu vermeiden, so darf man ruhig annehmen, daß dies öfters
geschah. Als der Überlebende
Lecek
mit seinen neun Leidensgefährten
aus der Zelle geführt wurden, fragten
sie, ob sie ihre Habseligkeiten mitnehmen sollten. Daraufhin antwortete man ihnen alles
zurückzulassen, da der Krieg aus und sie frei seien396. Der Justizbeamte Mietke, der
beim Aufschließen der Zellen half, hörte
den ersten Justizhauptwachtmeister den Gefangenen sagen, sie würden zum Abtransport
eingekleidet werden397. Es war aber nicht festzustellen, zu
welcher Kategorie diese Gefangenen gehörten. Möglicherweise aber kamen diese Häftlinge zum Abtransport.
Andere Wächter dagegen unternahmen
nichts, um die falsche Auffassung der Gefangenen, die an eine Entlassung oder Evakuierung glaubten,
zu berichtigen.
Die Absicht der SS und Zuchthausbeamten,
Schwierigkeiten zu vermeiden, ist auch in der Art der Zuführung der Gefangenen sowie in der Wahl des
Exekutionsortes in einer Ecke der Zuchthausmauer hinter einem mehrstöckigen Gebäude, in dem sich
keine Häftlinge befanden und von dem
die Schußgeräusche nicht so leicht zu allen Teilen der Anstalt drangen, zu
erkennen.
Lecek
steht allein mit seiner Behauptung, daß irgendwelche
Maschinen in Gang gesetzt worden seien, die erhebliche Geräusche verursachten
und so die Schüsse übertönten398.
Daß die SS und die Beamten damit
einen gewissen Erfolg hatten, beweisen
die Aussagen der drei Überlebenden.
Esseler,
der todmüde war von dem
Fußmarsch von Schwerin nach Sonnenburg, sagte nichts über das Kommando und
hatte keine Schüsse gehört, obwohl seine Zelle im Ostflügel zum Hof lag. Beim Hinausführen aus der
Zelle glaubte er, mit seinen
Leidensgenossen für die Entlassung Zivilkleider zu bekommen. Erst als alle sich an der
Erschießungsstätte auf die Erde legen mußten, merkte er, was los war399.
Lecek
seinerseits
erwachte, als 10 Mann aus seiner Zelle
herausgerufen wurden. Eine halbe Stunde später wurde auch er mit dem Rest der Gefangenen aus der
Zelle geführt. Man sagte ihnen, daß sie
entlassen würden. Beim Anblick des blutigen Schnees jedoch, verstand er400. Auch der dritte
Überlebende
Savic
war bis zum Erreichen des Hinrichtungsortes ahnungslos. Ihm und seinen beiden
Mitgefangenen war beim Herausführen aus
der Zelle nicht gesagt worden, wohin sie gebracht werden sollten. Sie dachten daher an eine
eventuelle Verlegung401.
Louis
Steelandt,
der zum Transport gehörte, war völlig ahnungslos. Er wußte auch nichts von
Entlassungen402. Auch
Jozef
Wojcik,
der sich mit einem Kollegen in der Sakristei
versteckt hatte, vernahm keine Schüsse403,
während die Wronker Gefangene
Jozefa
Gadomska
die Schüsse hörte404.
Jean-Pierre
Chaussy
seinerseits rechnete bereits vorher mit einer Erschießung405.
Nur wenige Gefangene versuchten zu flüchten, und das erst als sie bereits das Holztor durchschritten
hatten und unmittelbar zur Erschießungsstätte
geführt wurden. Inwieweit der geordnete Ablauf der Erschießungen sich durch
die Ahnungslosigkeit der Opfer erklären läßt, ist nicht mehr festzustellen. Man muß jedoch
berücksichtigen, daß die Häftlinge aus
fehlendem Lebensmut sich in ihr Schicksal fügten oder daß sie bis zum letzten Augenblick noch auf eine
Wendung hofften.
Das Kieler Landgericht stellte fest, daß alle vernommenen Zuchthausbeamten, mit Ausnahme von Lehmann,
der sich im 4. Stockwerk in der Kleiderkammer
aufgehalten haben will, die Schüsse von der Exekution hörten406. Jedoch, im Unterschied zu
den Gefangenen, waren die Aufseher
auf die Schüsse vorbereitet, und es war ihnen daher leichter, sie vom entfernten Frontlärm zu
unterscheiden und richtig zu deuten.
Desgleichen wurden die Schüsse außerhalb des Zuchthauses vernommen, wie dies von Helmut Müller bestätigt
wurde407. Frau Gertrud Leppm hörte plötzlich starkes
Schießen, so daß sie glaubte, die Russen seien schon da. Um zu erfahren, was los sei, ging sie
bis an das Zuchthaus, wo
sie erkannte, daß die Schüsse im Zuchthaus selbst
fielen. Von dem ihr bekannten Gefangenenaufseher Schenkwitz erfuhr sie
die Wahrheit408.
Doch auch Gefangene hörten die Schüsse,
verwechselten sie jedoch mit dem eventuell zu hörenden Frontlärm409.
Van
Scheidelen,
der in einem der Zuchthausgebäude ganz oben lag, dachte an
Abwehrkämpfe, als er
die Schüsse hörte410.
Savic
faßte ebenfalls die Schüsse als
Kampflärm auf411.
Nicht gerade zur Beruhigung der Gefangenen
trug das Benehmen von
Nickel
bei, der, wie er selbst zugab, mit einem Oberbeamten im
Zuchthaus unterwegs war, um mit seiner SS-uniform den Gefangenen gegenüber
bewußt die Anwesenheit der SS zu demonstrieren412. Ob dies wohl der SS-Mann mit dem
Monokel war, dem
Louis Steelandt
im Gefängnisgebäude begegnete413?
Walter
Glasneck,
der
wegen guter Führung in der Geschäftsstelle der Anstalt als
Bürokraft
beschäftigt war,
erfuhr vom
I.
Hauptwachtmeister
Budak, was
beabsichtigt
war. Später hörte er
auch, als er sich in der Buchbinderei
im Nordflügel aufhielt,
die Schüsse414. Ein
anderer Vertrauenshäftling,
Jozef
Wojcik,
der
mit
Reinigungsarbeiten
beschäftigt war, beobachtete
die Ankunft des Kommandos
und, da er der deutschen Sprache mächtig
war, erfuhr er durch
Lauschen
an
der Tür, hinter der die Beratung stattfand,
daß die SS Erschießungen
durchführen sollte. Er teilte dies
seinem
Freund
Willi
Wybing
mit415.
Auch
Franz
Zwick
vernahm, aus dem Geflüster
der Kalfaktoren, daß
ein SS-Kommando
im
Zuchthaus war. Als er
die Schüsse
hörte,
geriet er in Todesangst, weil er
glaubte, daß alle Häftlinge erschossen
würden416.
Man darf also ruhig
annehmen,
daß die Vertrauensgefangenen
wußten, was gespielt wurde und daß
sie ihrerseits auch andere
Mitgefangene darüber
informierten.
Dabei war es
im Zuchthaus doch nicht
so
ruhig,
wie das verschiedene
Zeugenaussagen
glaubhaft machen wollen. H. F.
Müller,
der zu jener Zeit Wachdienst zwischen
den Außenmauern
hatte,
berichtete,
daß im Zuchthaus
große
Unruhe
war,
die
er
als
Angstlärm
bezeichnete417. Die Gefangenen hätten in ihrer Angst „Vive
la
France" oder „Vive
la Belgique" aus den Zellenfenstern
gerufen418.
Man kann also
für
möglich halten,
daß
ein Teil der Gefangenen nichts von der Anwesenheit der SS in der Anstalt wußte und
keine Schüsse hörte und daher völlig ahnungslos dem Schicksal entgegenging.
Hierzu dürften besonders
die zuerst Erschossenen zählen. Dagegen hörten andere Häftlinge wohl die
Schüsse, ohne deren Bedeutung erkannt zu haben. Schließlich ahnte oder erkannte eine
dritte Gruppe bereits in ihren Zellen, wegen
der Anwesenheit der SS, und der allgemeinen
Unruhe in der Anstalt, wegen der mit
Sicherheit in einem Teil des Zuchthauses zu hörenden Schüsse
und der gelegentlichen Schreie der Opfer,
daß sie erschossen würden.
Einen besonderen Fall bildeten
die Insassen des Krankenbaus. Durch die Lage des Lazaretts in der Nähe der
Hinrichtungsstätte am Holzhoftor war die Möglichkeit, die Erschießungen wahrzunehmen,
für die Kranken größer als für die anderen Gefangenen, so daß nicht
ausgeschlossen werden
kann, daß sie längere Zeit unter dem quälenden Eindruck des nahen Todes standen.
Sichere Feststellungen konnten hier jedoch nicht getroffen werden.
Die Zahl
der Erschossenen
dürfte 823 Personen betragen haben.
Nach einer
Bescheinigung der
Kommandantur der
Miliz in
Küstrin vom 25. September
1945 sind in der
Nähe des Zuchthauses 819 Leichen von Personen
verschiedener
Nationalität
bestattet
worden419. Es handelt sich hier mit
Sicherheit um die Leichen der
erschossenen
Häftlinge. Ob auch weitere, nicht
vom SS-Kommando
Erschossene in das Grab gelangten, wie das
Kieler
Landgericht annimmt,
ist nicht bewiesen.
Der überlebende
Lecek
beobachtete aus seinem
Versteck heraus, wie zwei oder
drei Tage nach dem
Massaker deutsche
Soldaten
einen
Mann in russischer Uniform an der gleichen
Stelle wie die Gefangenen
erschossen420. Ähnlich
sah
Wojcik,
wie ein
Soldat der Wehrmacht einen
Gefangenen, der sich auch versteckt
hatte,
am
Hinrichtungsort
niederknallte421.
Die Frage, ob es sich hier um den selben
Vorgang oder um zwei
verschiedene
Vorgänge handelte, konnte nicht
geklärt werden. Auf jeden Fall
blieben diese Leichen bei den
andern. Weiter
wurde im Kieler Prozeß
angegeben, daß die
Russen, beim Einmarsch
in
Sonnenburg, aus Vergeltung
wegen der Gefangenenerschießungen, einen
Teil der Sonnenburger
Bevölkerung
erschossen hätten.
Jörg
und Mietke,
auf deren Aussage
diese Behauptung
beruht, waren selbst
nicht Zeugen
dieses
Geschehens, und
eine
Überprüfung an Ort und Stelle führte bis jetzt zu
keinem
positiven Ergebnis, da, wegen der
Auswechslung
der Bevölkerung, kein Augenzeuge jener Ereignisse angetroffen werden konnte.
Unmittelbar nach der Exekution wurden
auch sogenannte Wlassow-Soldaten, also
Russen, die auf Seiten der Nazis kämpften, angetroffen. So kann nicht ausgeschlossen werden,
daß solche Soldaten beim Einrücken der Roten Armee getötet wurden. Aus diesem
Grunde erwog das Kieler Landgericht, daß auch solche Leichen in die zwei
Massengräber gelangten422.
Dies ist jedoch unmöglich, wenn man den damaligen Gemütszustand der
Rotarmisten kennt. Zudem war auch ein Irrtum nicht gut denkbar. Schon durch ihre Kleidung
unterschieden sich die Häftlinge von den deutschen Soldaten und der deutschen
Zivilbevölkerung.
Das Kieler Landgericht ging also von der Annahme aus,
daß auch weitere,
nicht von der SS Erschossene, in die Gräber gelangten, um dann festzuhalten, daß
mindestens 600 Gefangene hingerichtet wurden423. Diese Zahl entnahm das
Gericht wahrscheinlich dem Aktenvermerk von Eggensperger
vom 31. Januar 1945424.
Das Kieler Landgericht befand sich in seiner Rolle, wenn es im Interesse
der Beschuldigten die niedrigste Zahl der Erschossenen (600 Mann) und die
höchste Zahl der Geretteten (200 Mann) annahm. Dies erklärt aber nicht, was, bei einer
angenommenen Belegschaft
von 1 000 Häftlingen, mit den fehlenden 200 geschah425. Auch sämtliche Zeugen,
die sich hierüber aussprachen, liegen mit ihren Zahlen höher, und zwar
zwischen 700 und 850426. Dies sind aber nur Schätzungen. Wiederum macht
sich das Fehlen der Unterlagen der Abwicklungsstelle des Zuchthauses
Sonnenburg
bemerkbar. Dennoch darf man, bis zum Beweis des
Gegenteils,
die Zahl von 819 Ermordeten für
richtig halten.
Jedoch
mindestens vier
Häftlinge überlebten das Massaker.
Es sind dies
der Belgier
Leon
Esseler,
die Jugoslawen
Wiekoslaw
Lecek
und
Wlodzimierz
Savic
sowie
ein weiterer
Gefangener ukrainischer
Abstammung, der den
Namen
Corek
getragen
haben soll427.
Nach der russischen Zeitschrift
„Die Verteidigung
unserer Heimat"
Nr.
36 vom 09. Februar 1945
soll dagegen ein
gewisser
Andrej
Kowalenko
am
Leben geblieben sein428.
Da die
Erhebungen
des Kieler Landgerichts
umfangreicher sind, gibt der Autor dieser
Darstellung den
Vorzug.
Esseler
erhielt
einen
Genickschuß,
bei
dem
das
Geschoß in Höhe der rechten Augenbraue wieder herauskam,
ohne
jedoch tödlich zu
wirken.
Esseler
verlor
das rechte Auge
und
ist heute teilweise
halbseitig gelähmt429.
Auch
Savic
erhielt
einen
Genickschuß.
Er
hatte sich ein Stückchen Wolldecke unter die Jacke
gesteckt. Ein erster Schuß ging in diese Decke, ohne ihn zu verletzen; ein
zweiter dagegen streifte seinen Nacken und seinen Hals. Da er nicht bewußtlos
wurde, tat er so, als ob er tödlich getroffen worden sei430.
Lecek
seinerseits
mußte sich mit dem Gesicht zur Wand stellen. Im Augenblick des Abfeuerns wendete er
jedoch Kopf und Oberkörper
hinter seinen Nebenmann, so daß er nur einen nicht tödlichen Schuß in die
Schulter erhielt. Er ließ sich jedoch fallen und wurde anschließend bewußtlos431.
Alle drei wurden durch das Abschleppkommando auf den Leichenhaufen
transportiert. Über das Schicksal des vierten Überlebenden dagegen ist nichts
bekannt.
In einigen polnischen Berichten geht nur Rede von einem luxemburgischen
Überlebenden. Nach diesen Darstellungen wurde der
betreffende Luxemburger
leicht verletzt; er verlor aber das Bewußtsein. Spät in der
Nacht kam er wieder zu sich. Er arbeitete
sich aus dem Leichenhaufen heraus und
flüchtete aus dem Zuchthaus. Dank der Hilfe der Ortsbevölkerung erlangte er die Gesundheit wieder und
kehrte nach Luxemburg zurück. Von ihm erfuhr man vom Massaker, und eine
luxemburgische Militärmission
reiste nach dem jetzigen Slonsk432.
Richtig an dieser Schilderung ist, daß ein Luxemburger und zwar
Chaussy
Jean-Pierre,
der
zum
Abschleppkommando gehörte, überlebte
und folglich
mit dem Treck
evakuiert wurde433. Der
Urheber dieser phantasievollen
Darstellung ließ
sich nicht mehr
herausfinden. Der polnische Bericht geht
auf Bernard
Lukaszewski,
einen Einwohner aus
Slonsk, zurück,
der
ihn von
den Mitgliedern der
luxemburgischen
Militärmission haben
will.
Er erzählte, daß
er
sich
mit
den luxemburgischen
Offizieren teilweise
auf
deutsch, teilweise auf
französisch unterhielt434. Es ist also sehr gut
möglich, daß hier
schon
Übermittlungsfehler entstanden. Inwieweit
die Militärmission und
Chaussy
zu dieser Darstellung beitrugen, muß
offen bleiben435.
Nach
einer in Polen verbreiteten
Meinung verbrannten die Deutschen nach
den Erschießungen
die Leichen
der
Opfer. Diese Auffassung fand
auch
ihren Niederschlag in der
Inschrift
auf dem Denkmal, das am
Standort des
ehemaligen Haupttores des
Zuchthauses zu Ehren
der Opfer des
Konzentrationslagers
und Zuchthauses
in
Slonsk errichtet wurde436.
Zum ersten
Mal findet sich diese
Version
in
einem Artikel der russischen
Armeezeitung
„Die Verteidigung
unserer
Heimat"
Nr. 36 vom 09. Februar
1945. Nach diesem Bericht zündeten die
Nazis das Zuchthaus an, um die Leichen
zu verbrennen und so die Spuren
des Verbrechens zu verwischen, was
jedoch nicht ganz gelang437. Vom
10. Februar 1945 datiert ein Bericht des
russischen MilitärKommandanten
in
Slonsk, der dieselbe Darstellung wiedergibt438.
Einige Monate
später, am 02.
September 1945, veröffentlichte
die
russische
Zeitung
„Ogoniok"
Nr. 35, einen Bericht, nach dem die Gestapo
das Feuer
legte,
um
die Spuren des Verbrechens zu verwischen. Das
Feuer
wurde
jedoch
von
den russischen Soldaten gelöscht439. Der polnische
Kriegskommandant in Slonsk, Henryk Muszynski,
erfuhr seinerseits von seinem
Vorgänger von den verbrannten Leichen440. Auch in einigen
westlichen Veröffentlichungen geht hiervon die Rede. Man weiß sogar zu berichten,
daß dies mit Hilfe eines Flammenwerfers geschah441.
Und dennoch ist diese Darstellung
falsch. Während
der Beratung über die
Hinrichtungen ging keine Rede von einer Verbrennung der Leichen, und weder Richter
und Nickel noch die Wächter berichteten hierüber! Auch keiner der
befragten Gefangenen des Trecks konnte sich daran erinnern. Schließlich mußten die drei
Überlebenden im Bilde sein, was nach der Hinrichtung mit den Leichen geschah.
Befanden sie sich doch mitten im Leichenhaufen und arbeiteten sich erst
heraus, als der Platz frei war. Jedoch auch sie haben dies nicht beobachtet. Desgleichen
berichtete
Wojcik,
der sich im Zuchthaus versteckt hatte, nichts darüber.
Als die Vorausabteilung der
russischen Militäreinheit
No 54761 in
das verlassene
Zuchthaus
eindrang,
war dieses noch intakt und
die vorgefundenen Leichen
wiesen keine
Brandspuren auf442. Die von
einem russischen
Armeefotografen beim
Einmarsch
gemachten
Aufnahmen zeigen das vollständig
erhaltene Zuchthaus
und auch an den Leichen der Opfer sind keine
Brandspuren sichtbar443.
In sich birgt die
russische Darstellung auch schon
einen Widerspruch. Warum
sollte man die Gebäude anzünden, in
denen überhaupt keine
Leichen
lagen?
Diese befanden sich bekanntlich
zwischen Westmauer und
Arbeitsgebäude. Auch ist es unmöglich, aus
den Taschen der halb
verkohlten
Leichname
noch Fotos und andere
Dokumente zu bergen, wie dies
in
einem
russischen
Bericht
zu lesen ist444.
Wenn die Leichen doch
nicht verbrannt waren, warum
weigerten sich später die
russischen resp. die polnischen
Behörden,
eine
Exhumierung
und eine
Identifizierung
der Erschossenen durch
westliche Missionen vorzunehmen?
Hatten sie vielleicht irgendetwas
zu verbergen?
Aus dem
Vorhergehenden läßt
sich eindeutig beweisen, daß
beim Einrücken der Einheiten
der
Roten Armee, am 02. Februar 1945,
Leichen und Gebäude keine
Verbrennungsspuren
aufwiesen. Als
jedoch
die luxemburgische
Militärmission am
26.
September 1945 in
Slonsk
weilte,
fand sie ein
ausgebranntes Zuchthaus vor445.
Die
Brandstiftung fand also nach dem 02. Februar,
Tag des Einmarsches
der
Roten Armee, und
vor dem 09. Februar
1945, Tag der ersten Erwähnung der verbrannten Gebäude, statt, also in einem Zeitraum, als es keine
deutschen Soldaten mehr in
Sonnenburg
gab. Der Brand konnte also nur von russischen oder polnischen Soldaten
gelegt worden sein, und man könnte sogar einen Grund hierfür finden446. So erinnerte sich Olgierd Kowalewski,
der mit der russischen Vorhut
ins Zuchthaus eindrang, noch 24 Jahre später: „Der Anblick war schrecklich.
Trotz der vielen Leichen, die ich schon vorher gesehen hatte, war ich erschüttert"447. Daß
bei den Soldaten, welche die Leichen sahen, der Wunsch nach Rache aufkam, wie die
russische Armeezeitung „Die
Verteidigung unserer Heimat" Nr. 36 vom 09.
Februar 1945448 schrieb, ist also leicht verständlich. Ebenso
verständlich ist, daß die Soldaten ihre Wut über den Massenmord an den
Gebäuden ausließen. Nach einem Bericht des luxemburgischen Rapatriement
dagegen hätten sie „aus Repressaliengründen ... die ganze Ortschaft verbrannt"449. Für
diese Behauptung
fand sich aber bis jetzt keine Bestätigung.
Die Brandstiftung könnte auch
erklären, warum die russischen und polnischen Behörden sich weigerten, eine
Exhumierung und eine Identifizierung der
Leichen durch
die daran interessierten Länder vornehmen zu
lassen, weil sie
befürchteten,
daß die Wahrheit bekannt werden und dies vielleicht
dem Ansehen der
russischen oder der
polnischen Armee schaden würde450.
Hierzu mag auch
noch der Wunsch
beigetragen haben, so wenig wie
möglich neugierige
westliche Ausländer an der neuen
polnischen
Westgrenze
zu sehen.
Die Erschießungen dauerten
bis zu den ersten
Morgenstunden des 31. Januar
1945. Auch hier war eine
genaue Zeitangabe nicht mehr
möglich,
weil
die einzelnen Aussagen, die nur
auf Schätzungen beruhen, zu weit von
einander abweichen und von 1 Uhr
bis 5 Uhr morgens
schwanken451.
Doch wenn man davon ausgeht, daß
die Schießerei um 22.00 Uhr des
30.
Januars
begann und die Erschießungen
im Abstand von einigen Minuten
geschahen, wie Frau Gadomska dies
bestätigte452,
dann dürften sie gegen 2.00
Uhr morgens am 31. Januar
aufgehört haben453.
Dies würde auch die
Angaben
vom
Ortsgruppenleiter Städter bestätigen, der
gegen 2.00 Uhr zum
Zuchthaus ging und
keine Schüsse mehr hörte454.
Gleich
nachdem die letzten Häftlinge erschossen
worden waren, zogen
sich
die
Mitglieder des Abschleppkommandos um,
da ihre Kleidung mit Blut
bespritzt war, und sie kamen zum
Konvoi der
Überlebenden455.
Nach der
Beratung dürfte
der Anstaltsleiter
Knops
dem Generalstaatsanwalt
Haussen
über deren Ergebnis
informiert
haben.
Dieser gab seinerseits um 23.00
Uhr per Telefon einen kurzen
Bericht an das Reichsjustizministerium
durch.
Ministerialrat
Dr.
Eggensperger,
der
damals Referent vom
Dienst war,
diktierte
am
nächsten Tag über dieses
Gespräch einen
kurzen Aktenvermerk.
„OStA.
Hanssen
teilt
am 30.
1.
1945, abends 11.00
Uhr, fernmündlich
folgendes mit:
Durch telefonische Rückfrage beim
Festungskommandanten
Küstrin habe ich am späten Nachmittag ermittelt, daß mit einem
Panzerdurchstoß der
Russen auf
Sonnenburg im Laufe dieser Nacht zu rechnen ist.
Entsprechend der Anordnung des
Reichsverteidigungskommissars, Gauleiter Stürz, für die Anstalten meines
Bezirks – eine Anordnung, die vom Reichsführer-SS genehmigt worden is, wie
ich bereits vor einigen Tagen an Hernn Staatssekretär Klemm fernmündlich
mitgeteilt habe – habe ich deshalb heute abend die Gefangenen von Sonnenburg
einem Kommando der geheimen Staatspolizei übergeben lassen und zwar 600,
haupsachlich Ausländer, darunter auch verurteilte NN-Gefagene, während der
Rest mit 200 soeben zu meinem Treck zusammengestellt wird. Die 200 sind die
brauchbaren Elemente, die der Anstaltleiter im Benehmen mit dem Kommandoführer
der Gestapo herausgesicht hat.
56 weibliche polnische Gefangene, dit
aus dem Treck Wroncke stammen, sind gelichfalls der Polizei übergeben worden.
Die Gefolgschaftsangehörigen werden mit
LkW und Gespannen abgeführt. Das Vieh ist z. T. geschachtet, um die
Lebensmittelversorgung des Trecks zu sichern. Das restliche Vieh wird bus
Küstrin getrieben und dort der Wehrmacht zur Versorgung der Festung
überlassen.
Abschrift
erhalten:
Herr Minister
Herr Statssekretar
Herr MD IV
Herr MD V
Herr Senpräs.Hecker”456.
Es haben sich
berechtigde Zweifel darüber ergeben, daß Hanssen Eggensperger Informationen erteilt,
die in vollem Umfange den Tatsachen entsprachen. Die Zahlen von 600 Toten und
200 ÜberleBenden stimmen kaum nicht mit der Wirklichkeit überein. Hier könnte
es sich aber auch um einen Übermittlungsfehler handeln. Außerdem ist der
Vermerk erst am nächtsten Morgen diktiert worden, so daß auch aus diesem
Grunde Diskrepanzen zwischen
Gesprächsinhalt und Vermerk nicht ausgeschlossen erscheinen.
Auch die 56 weiblichen polnischen
Gefangenen aus dem Treck Wronke wurden nicht der Polizei übergeben, sondern
gemeinsam mit den überlebenden Gefangenen aus
Sonnenburg nach Westen
zurückgeführt457.
Eggensperger fragte während
dieses Anrufes mehrfach bei Hanssen nach und spürte den wachsenden
Unwillen seines Gesprächspartners. Auf seine Frage, ob Minister Thierach
davon wisse, wies Hanssen auf Staatssekretär Klemm hin. Eggensperger
spürte, daß Hanssen seine Nachfragen
ungehörig fand, und er beendete bald das
Gespräch. Am nächsten Vormittag diktierte
er den wiedergegebenen Vermerk als Ergebnis dieses Telefongespräches. Nachdem er sich telefonisch
davon überzeugt hatte, daß der Senatspräsident Hecker in Berlin
anwesend war, ging er zu ihm als dem
zuständigen Referenten und übergab ihm den Vermerk. Hecker zeigte sich nicht besonders erstaunt und
antwortete Eggensperger auf dessen Frage, ob der Staatssekretär da mitmache, daß Haussen den
Staatssekretär überfahren habe458.
Dies
kann
bedeuten, daß,
Klemm nichts gewußt hatte, was unglaublich
ist, aber auch,
daß er Kenntnis
hatte und sich nicht damit
einverstanden
erklärt
hatte.
Währenddessen
gingen im Zuchthaus
die Vorbereitungen für den Konvoi weiter.
Lacotte,
ein zum Treck
gehörender Gefangener, erlebte dies
so:
„Es
kann ungefähr 20 Uhr
gewesen
sein, als die Tür sich plötzlich öffnet.
Ein Wachtmeister ruft 3 Namen auf,
unter denen sich der
meinige befindet.
-
,Aufstehen und
anziehen, packt
eure
Sachen zusammen, in 5
Minuten
komme ich wieder.'
-
In der Hand
hält er Karteikarten
und Listen, die
er durchblättert. Er
kehrt zurück,
und
wir treten mit ihm auf den Korridor.
Ein Deutscher und ein Bulgare
bleiben in der Zelle zurück. Wir steigen
vom Erdgeschoß ins 2.
Stockwerk
hinauf.
In
den Gängen Gefangene
und Wächter. Wir
schließen uns der Reihe an. Appell
und wiederum Appell.
Endlich werden wir in eine große
Zelle eingeschlossen.
Eine, zwei
Stunden
vergehen. Wir müssen
wiederum hinaus, man
führt uns ins Lager, wo
wir unsere zerrissenen Kleider
ablegen. Man gibt
uns
andere, ebenfalls
Gefängniskleider
(gelbe Streifen auf schwarzem
Grund), ebenso
neue
Strümpfe und Holzschuhe.
Wir werden in die Zelle
zurückgeführt. Gegen 9 Uhr459,
glauben
Kameraden, welche am Fenster
standen, Schüsse gehört zu haben.
Jedermann horcht hin, jedoch
nichts
mehr.
In dem Moment ahnen wir
nichts. Wir sind im Nordteil des Gebäudes,
weit entfernt vom Ort des
Massakers.
Einige
schlafen.
Gegen 2 Uhr nachts müssen
wir
wieder zum
Erdgeschoß hinunter. Appell! Es wird Brot ausgeteilt, sogar ganze Brote. Wir
müssen uns im Hof in Reihen aufstellen und
wir
werden gezählt. Sodann verlassen
wir das Zuchthaus durch den Holzhof und durch den Diensteingang und gewinnen erst den
Privatweg, dann die Straße nach
Küstrin. Der Schnee liegt zentimeterhoch. Mit
uns sind auch die Wachleute mit ihren Familien evakuiert worden, die ihre Wagen
hinter der Kolonne herziehen. Wir sind etwa 150 Gefangene"460.
Die Zahl von 150
Überlebenden
dürfte etwa stimmen, denn es war
wiederum unmöglich,
genaue Angaben aufzufinden. Auch in diesem Falle
hätten die Unterlagen der
Abwicklungsstelle des Zuchthauses Sonnenburg genaue Zahlen liefern können.
Die Schätzungen der Zeugen dagegen liegen zwischen 120 und 250, wobei allein
fünf Aussagen die Überlebenden mit ungefähr 150 Personen angeben. Aus diesem
Grunde wurde die Zahl
150 zurückbehalten461.
Von den Beamten der Anstalt wurden
die Vorbereitungen zum Abmarsch des Trecks
weitergeführt,
worüber folgende Einzelheiten ermittelt werden konnten. Um 22 Uhr begab sich
Oberinspektor Rurig zum Lagerverwalter Glesmer, um die Schlüssel für das
Lebensmittellager zu holen, da er mit der
Vorbereitung der Lebensmittel für den Transport beauftragt worden war462.
Inzwischen hatte Paul Klitzing auch die für den Gefangenentransport benötigten Schuhe auf das 2.
Stockwerk getragen, wo er sie Rung übergab, der sie unter die
Gefangenen verteilte463. Um 0.30 Uhr nahm Rung zwei Häftlinge, die in der Küche
beschäftigt waren, und ging mit ihnen
nach
Hause, um sein Gepäck zu holen. Als er zurückkehrte, erinnerte ihn
Direktor Knops daran, die 56 weiblichen polnischen Gefangenen aus dem
Treck
Wronke, die vergessen worden
waren, der Wache
zu übergeben,
was
er auch tat464.
Hauptwachtmeister Rudolf
Fiedler
seinerseits bereitete die Angestellten und ihre
Familien auf die Evakuierung
vor, was bis 1.30 Uhr dauerte465. Noch vor Abreise des Trecks übergaben der
Anstaltsleiter Knops und der Abteilungsleiter
Tittmann
das Zuchthaus
Sonnenburg dem Militärkommando, das sich vor der Anstalt befand. Hierbei handelte es
sich zumindest teilweise um Wlassow-Soldaten466.
Am 31. Januar 1945, gegen 2.00 Uhr, erreichte den
Ortsgruppenleiter in
Sonnenburg,
Städter,
in der Stadt ein
Telefonanruf von der Vermittlung
Küstrin. Die Anruferin teilte Städter mit, daß sich im Zuchthaus
niemand mehr melde und sie deshalb Städter
mit einem Anrufer aus Frankfurt/ Oder
verbinde. Es handelte sich um einen männlichen Teilnehmer, mehr konnte nicht festgestellt werden. Es liegt aber
nahe, daß es Richter oder einer
seiner Untergebenen von der Dienststelle in Frankfurt/Oder war. Der Anrufer bat den Ortsgruppenleiter, zum
Zuchthaus zu gehen, um nachzusehen,
warum sich dort niemand mehr melde. Städter sollte auch den Verantwortlichen für das Zuchthaus
auffordern, nach Frankfurt durchzurufen
und mitzuteilen, ob die Anordnung durchgeführt wurd. Daraufhin begab sich Städter
zum Zuchthaus. Hier konnte er keine Schüsse mehr feststellen. Vor dem Gebäude traf er den Beamten Tittman
an, der betrunken schien und ihm bedeutete, daß die Befehlsgewalt das Zuchthaus auf den ihn begleitenden
Hauptmann übergegangen sei467
So wandte sich der
Ortsgruppenleiter mit seinen
Anliegen an den
Hauptmann. Dieser Offizier
soll seine Unterkunft gegenüber
dem Zuchthaus in
einer Fabrik gehabt
haben468.
Sichere Feststellungen
hierüber waren aber nicht möglich.
Inzwischen
war der Treck mit den Zuchthausbeamten, deren
Angehörigen, den
übrigen Gefangenen und
den
56 vergessenen weiblichen Gefangenen aus
Wronke im Wirtschaftshof,
also außerhalb des Zuchthauses, zusammengestellt
worden, von
wo aus gegen 2.30 Uhr
die
Abreise begann469.
Auch
hier
waren genaue
Zeitangaben
nicht mehr möglich. Die Schätzungen reichen
von 1 Uhr
bis 4 Uhr nachts470.
Jedoch laut der Zeitrekonstruktion
wurde die
Angabe des Hauptwachtmeisters Fiedler als die eventuell zutreffendste zurückbehalten.
3° Geschehnisse
nach den Erschießungen
Nach Beendigung der Erschießungen fuhr das SS-Kommando
wieder nach
Frankfurt/Oder zurück, wo es am Vormittag des 31. Januar 1945 eintraf. Hier mußten
sich die Angehörigen des Kommandos die Uniformen vom Blut der Opfer
reinigen. Darüber kam der Kriminalkommissar
Bauer
von der Stapostelle Frankfurt/Oder
und unterhielt sich mit Nickel. Dieser berichtete ihm, daß er den Auftrag erhalten
hatte, Insassen des Zuchthauses
in
Sonnenburg zu „liquidieren" und daß hierbei ein Teil der Häftlinge
entlassen und ein anderer Teil getötet worden war. Die Getöteten konnten aber
wegen der herannahenden russischen Truppen nicht mehr beerdigt
werden.
Am gleichen Vormittag
noch erstattete Nickel bei Richter eine Vollzugsmeldung.
Ungeklärt
blieb, ob Nickel diese
Meldung allein erstattete oder
zusammen mit einem
Untersturmführer bei Richter erschien,
wie er
behauptete.
Man darf
sich
aber fragen, warum der Untersturmführer
Nickel
begleiten sollte, da
Nickel
allein den Auftrag
erhalten hatte und
folglich
auch für die Ausführung
verantwortlich war. Im Gegensatz zu
Nickel,
der angab, es sei dabei
nicht weiter über die
Vorgänge in Sonnenburg
gesprochen worden,
sagte
Richter,
Nickel
habe
ihm berichtet, 160
leichte Fälle
herausgesucht und nach
Westen in Marsch gesetzt und die übrigen
Häftlinge
im Zuchthaushof
erschossen
zu haben. Weil sich aber
beide widersprechen und keiner
besonders überzeugend ist, ließ
sich der
Inhalt
und Umfang dieses Gespräches nicht
mehr sicher feststellen471.
Noch am gleichen Tage erreichte
der Treck
der
Überlebenden ohne
besondere Ereignisse Küstrin,
wo er auf den
vorausgegangenen
Transport mit
den
Wronker Gefangenen stieß. Hier
wurden die 56 polnischen weiblichen
Gefangenen dem Wronker Konvoi
übergeben472.
Am ersten Tag marschierte
die ausgemergelte und schwache
Kolonne in der Kälte durch den tiefen
Schnee bis Seelow in
der Mark,
also
etwa 30 km.
Dort langten sie
abends um 18
Uhr
an und übernachteten
in
der Kirche. Hier soll in der
Nacht ein Wächter
einen
holländischen
Gefangenen in der
Sakristei durch einen Genickschuß getötet
haben473. Für diese Angabe von Franz Zwick war jedoch keine
Bestätigung zu finden. Auch
Louis
Steelandts
Kollege,
Marcel Verbinnen, wurde während der
Rückführung erschossen, so daß man
annehmen kann, daß es unterwegs noch zu einigen Erschießungen kam474.
In
Seelow
konnten 15 Gefangene
nicht mehr weiter; sie wurden vom
Anstaltsleiter mit der Weisung, sich in
Brandenburg zu melden
„entlassen". Einer dieser Gefangenen war Franz Zwick. Nach
mancherlei Schwierigkeiten
traf er schließlich in Brandenburg/Görden ein. Als er sich in der Anstalt
meldete und um seinen Entlassungsschein bat, wie man ihm gesagt hatte, hielt
man ihn einfach dort fest475.
Beim Resttransport war auch der
Luxemburger
Jean-Pierre
Chaussy.
Er landete schließlich
in Brandenburg476. Unterwegs wurde auch
Louis
Steelandt,
der nicht mehr
weiter konnte, einfach zurückgelassen. In Brandenburg stellte er sich der
Polizei (Sträflingskleider, geschorene Haare!) und wurde mit noch acht andern
Sonnenburger Häftlingen zusammen im Brandenburger Gefängnis in eine Zelle eingesperrt.
Hier erst erfuhr er durch
Ewald
Reche
und
Karl Knipet, die
beide zum Abschleppkommando gehörten,
von dem Massaker477.
Es war dies einige Tage nach dem
08. Februar
1945, an dem Ewald
Reche
vom Sonnenburger
Transport in Brandenburg
eingeliefert wurde.
Diese neun Mann
wurden am 30. April 1945 von
den Russen befreit478.
Franz Zwick jedoch blieb
nicht in
Brandenburg. Er kam wieder auf
Transport nach Westen:
„350
Mann in 6 Viehwagen
untergebracht 3 Tage und
3 Nächte unterwegs in
den
kalten,
ersten Februartagen, während der
ganzen Zeit nicht das geringste
zu essen und zu trinken, dabei
unbeweglich
mit
eingezogenen Beinen
im
Viehwagen zusammengepfercht sitzen und
nicht austreten dürfen,
diese Zeit wünsche ich manchem
mal. In
Hannover
standen wir 24 Stunden
auf dem Rangiergeleise im Bahnhof, darunter
auch im Bombenhagel,
und erwarteten jeden
Augenblick das Ende.
Doch es sollte noch
nicht sein,
und
so schaffte man uns weiter bis nach
Hameln a. W., wo wir in der
Nacht ausgeladen
wurden. Viele starben unterwegs
auf dem Marsch in die
Anstalt, die vollgepropft war,
wie ich
noch nie
sah.
400 Mann lagen wir
in
einem schmalen Kellergang! Die ganze Anstalt
faßt 600 Mann, wir waren
aber über 2 500! Sie können sich nun ausmalen, was
in diesen letzten
Wochen
vor
sich ging. Ruhr und alle andern Krankheiten grassierten.
Dazu
der Hunger, Läuse,
Flöhe und alles andere
von Ungeziefer, es war ein Idyll, an das ich nur mit Schrecken denke! Bei der
Beschießung
Hamelns
mußten wir als
Kugelfang dienen und hatten
30 Mann Tote unter den Gefangenen; endlich wurden wir befreit und erfuhren
dabei, daß auch wir hier wieder wie durch ein Wunder der „Liquidation" entgangen waren, zu
welcher der Befehl bereits gegeben war!!
Es konnten jedoch nur ca. 250 Mann umgelegt werden, was wir andern in der Aufregung nicht einmal
merkten!"479 Soweit Zwick mit seiner Aussage,
die aber nicht überprüft werden konnte.
Doch kommen wir zum Haupttreck der Sonnenburger zurück. Am 01.
Februar 1945 traf der Transport in
Müncheberg ein480. Allmählich
verbreitete sich unter den Häftlingen die Nachricht von den Ereignissen im Zuchthaus
Sonnenburg. Weiter ging die Reise
über
Altlandsberg-Erkner nach
Potsdam, wo die Kolonne aufgelöst wurde481.
Die Gefangenen waren aber nicht
frei, sondern wurden auf einen Motorkahn verfrachtet, um auf dem Wasserwege in das
Eiblager Griebo (Landkreis
Zerbst, Regierungsbezirk Halle)
gebracht zu werden482. Am 12. Februar trafen sie in
Coswig (Anhalt) Elbe ein und wurden von hier
aus in das Lager
Griebo geführt, das am 26. April 1945 von den Amerikanern
befreit wurde483.
Ein
Teil der Sonnenburger blieb jedoch auch nicht in
Griebo, sondern kam in das
Straf- und Arbeitslager
Straguth bei
Zerbst, wo sie, unter der Aufsicht von
Wronker
Wachtmeistern, Zwangsarbeit auf
dem Flugplatz
Zerbst
ausführen mußten.
„Täglich starben
von den ca 600 Insassen 10 bis 12 an
Entkräftung und Mißhandlung.
Am 12. April kam der Amerikaner
näher,
und das Lager türmte."
Glasneck
aber blieb mit einer Blutvergiftung im
linken Bein zurück484.
Soweit Glasneck mit seinen Angaben.
Weiterhin scheint es, daß noch
ein Teil der Sonnenburger Häftlinge nach
Dessau-Rosslau kam485.
Es ist
nicht
ausgeschlossen, daß es sich hierbei
um die Häftlinge von
Straguth
handelte, denn in
Straguth befand sich
eine
Außenstelle
des Landgerichtsgefängnisses
Dessau486. Sonnenburger
Häftlinge tauchten später auch im
Lager
Arado
(Wittenberg) auf487.
Am 12.
Februar 1945 traf der
Anstaltsleiter
von
Sonnenburg mit seinen Beamten
in Rathenow ein, wo im Amtsgericht das
Liquidationsbüro unter der Bezeichnung
„Abwicklungsstelle des Zuchthauses
Sonnenburg, Amtsgericht
Rathenow"
eingerichtet wurde. Dort befanden
sich auch die Kassenbücher des
Zuchthauses, das Geld und die
Wertsachen der
Gefangenen
sowie sämtliche
Dokumente
und die
Gefangenenlisten.
Der Anstaltsleiter
und der
Oberinspektor
Rung
arbeiteten den
Bericht über die Ereignisse
in
Sonnenburg aus,
in
welchem sie
schilderten, was mit den Gefangenen geschah und wieviele Gefangene der Gestapo
übergeben und wieviele
evakuiert worden waren. Außerdem bereiteten sie Vorschläge vor, um eine gewisse Anzahl der
evakuierten Gefangenen freizulassen.
Es konnte jedoch nicht ausbleiben, daß viele Briefe in
Rathenow eintraten, in denen
über die Häftlinge von
Sonnenburg nachgefragt wurde.
Rung
wandte sich an Knops, um zu
erfahren, was man den Familienangehörigen der Gefangenen antworten sollte. Da auch
dieser keine Antwort wußte, fragte er im
Reichsjustizministerium nach, wo ihm gesagt wurde:
„Antworten Sie auf alle Briefe, daß das
Zuchthaus von den Russen besetzt wurde und
daß das Schicksal der Gefangenen unbekannt ist ..."
Am 12. April 1945 wurde die Abteilung des
Zuchthauses Sonnenburg mit sämtlichen
Unterlagen und Wertsachen nach Brandenburg verlegt. Als sich die russischen Truppen
Brandenburg näherten, verließen am 26. April
1945 die meisten Angestellten von Brandenburg das Gefängnis und begaben sich auf die andere Seite der Elbe488.
Das Zuchthaus Sonnenburg hörte offiziell
auf zu bestehen.
Das Zuchthaus Brandenburg
seinerseits wurde am 30.
April 1945 von den Russen befreit489. Seither sind die Unterlagen
über das Zuchthaus Sonnenburg verschwunden. Frau Thum
berichtete auch noch von einem Liquidationsbüro des Zuchthauses
Sonnenburg, das sich in Berlin-Tegel befand490.
Weitere Angaben hierüber waren aber nicht aufzutreiben.
Kehren wir zum Zuchthaus in
Sonnenburg zurück. Die vier Überlebenden des Massakers lagen bei
Schnee und großer Kälte bis etwa zum Morgen
im Leichenhaufen. Einer nach dem andern arbeitete sich unter den Leichen heraus und begab sich
in das Arbeitsgebäude, wo die vier sich später erst trafen und wo sie verblieben491. Am 02. Februar
1945 beobachtete
Lecek, wie
Deutsche einen russischen Soldaten zu dem Leichenhaufen brachten und ihn dort mit ein paar
Pistolenschüssen töteten. Als die Deutschen sich entfernt hatten, näherte
sich
Lecek dem Toten und durchsuchte ihm die Taschen, um Dokumente zu finden und so seinen Namen zu erfahren.
Er fand aber nichts492.
Etwas
Ähnliches
erlebte
Jozef
Wojcik,
der in Sonnenburg unter dem Namen Stanislaw Buczko Nr.
449 eingetragen war. Bekanntlich hatte er sich mit Willi Wybing im Kleiderraum im 3.
Stockwerk, der auch als Sakristei
diente, versteckt. Zwei Tage nach den Ereignissen, dies dürfte also der 01.
Februar 1945 gewesen sein, gegen sechs Uhr morgens, sah er, wie ein Unterfeldwebel der Wehrmacht
einen Gefangenen, der sich wahrscheinlich
versteckt hatte, durch einen Genickschuß tötete493. Die Frage, ob es sich hier um eine und dieselbe
Tat oder um zwei verschiedene Morde handelte,
konnte nicht geklärt werden. Auf jeden Fall hörten die Morde in Sonnenburg nach der Nacht vom
30./31. Januar 1945 nicht auf.
Am 02. Februar 1945 rückten
die ersten russischen Truppen in Sonnenburg ein, und zwar eine Vorausabteilung der
Militäreinheit Nr. 54761, die sich auf dem
Wege von Landsberg (Gorzow Wielkopolski) nach Berlin befand. Es waren dies unter anderm der
Oberleutnant Olgierd Kowalewski, der Hauptmann Wiktor Rybkin,
der Unterfeldwebel-Fahrer Iwan Waletow und der Soldat Szunow. Mit
einer Art Geländewagen rissen sie
das
Gitter von einem Fenster und drangen in das Zuchthaus ein. Hier stießen sie auf den pedantisch aufgeschichteten
Leichenhaufen. In den Taschen der Opfer fanden sie Dokumente, die sie zusammen
mit andern
vorgefundenen
Unterlagen an den Generalstab der Einheit schickten, wie das der Gebrauch war. Leider konnten diese
Unterlagen bis jetzt nicht wieder
aufgefunden werden.
Die Soldaten durcheilten das leere
Zuchthaus. In einem Raum mit einer eisernen
Tür
fanden
sie
einen großen Haufen Säcke voller Kleider. Um zu erfahren,
ob noch jemand im
Zuchthaus überlebte,
feuerten sie einige Gewehrschüsse
ab. In diesem
Augenblick hörten
sie schreien: „Nicht schießen!"
und aus dem Haufen
Säcke krochen
Jozef
Wojcik
und
Willi
Wybing
hervor494.
Jedoch
hatte die Vorhut keine
Zeit, sich länger im Zuchthaus
aufzuhalten,
denn sie mußte weiter.
Sie
wußte
auch nichts von den vier andern
Überlebenden495. Diese wurden erst
später entdeckt.
Russische Soldaten führten
sie in ein Haus, das
zum Zuchthaus
gehörte
und
machten ihnen dort
Feuer. Drei oder vier
Tage später traf eine
russische Untersuchungskommission
ein, die die Gefangenen verhörte
und am Hinrichtungsplatz
Aufnahmen
machte. Sodann kamen die vier Verwundeten nach Landsberg/Warthe
in ein Lazarett496.
Der überlebende Ukrainer wurde
sofort von ihnen
getrennt497. Dies hatte wohl seine Ursache
in dem allgemeinen
Mißtrauen
der Sowjetbehörden der
ukrainischen Bevölkerung gegenüber
wegen ihrer
Haltung während des Krieges. Beim
deutschen Einfall
hatten
starke
nationalistische Gruppen die Schaffung eines
ukrainischen
Staates erhofft. Durch
die brutale deutsche
Besatzungspolitik wurden
sie jedoch bald eines Besseren
belehrt und begannen den Besatzer
zu
bekämpfen, ohne jedoch dabei
immer Moskau günstig gesinnt
zu sein. Aus diesem Grunde
war selbst
ein
ukrainischer Häftling
verdächtig498.
In
Landsberg
wurde
Esseler
operiert und
gepflegt. Erneut traf eine russische Kommission ein,
um ihn
über
die
Erschießungen
zu befragen, wobei
auch Fragen über die in Sonnenburg inhaftierten Luxemburger gestellt wurden. Von
Landsberg
kam
Esseler
nach
Posen, Lublin,
Odessa, um von dort aus am 13. Mai
1945 über
Marseille
rapatriiert zu werden499.
4°
Und die Schuldigen?
Das weitere Schicksal der direkt
oder indirekt am Massaker Beteiligten war
unterschiedlich. Nur einige wurden für ihre Teilnahme an den Verbrechen in
Sonnenburg
zur Rechenschaft gezogen und bestraft. Der
Reichsjustizminister Dr. Otto Georg Thierack beging
1946 im Intemierungslager
Eselheide
(Sennelager) Selbstmord500. Sein Stellvertreter dagegen, Staatssekretär Herbert Klemm, wurde
am 04. Dezember 1947 in
Nürnberg vom Militärgericht
III, im sogenannten Fall III - Juristen-Prozeß, unter anderm auch wegen der
Vorgänge im Zuchthaus Sonnenburg zu
lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Am 31. Januar 1951 wandelte der
alliierte Hohe Kommissar in Deutschland, John McCloy, die Strafe in
20
Jahre Zuchthaus um,
doch erfolgte schon wenig später seine Haftentlassung501. Klemm ist
inzwischen verstorben502. In demselben Fall
III
war
auch
Ministerialdirektor Karl Engert,
Leiter der Abteilung
V
im Reichsjustizministerium,
wegen der Sonnenburger Ereignisse angeklagt. Er schied
aber
nach zwei Verhandlungstagen, am 22.
August 1947 wegen Krankheit
aus dem
Prozeß aus. Auch er lebt nicht mehr503.
Verstorben ist ferner Senatspräsident Hecker504.
Generalstaatsanwalt Haussen beim Kammergericht in
Berlin
soll bei
der Einnahme
Berlins durch sowjetische Truppen
den Tod gefunden haben.
Über
seinen Verbleib ist nichts
Sicheres bekannt geworden505. Der
Anstaltsleiter
Knops
wurde 1957 und 1961
als Beschuldigter durch den
Staatsanwalt
vernommen, ohne daß jedoch Anklage gegen ihn
erhoben
wurde.
Knops ist in der
Zwischenzeit gestorben506. Gleich nach der Befreiung von
Sonnenburg nahmen die Sowjetbehörden die Nachforschungen
nach
den Tätern des Verbrechens auf. So
wußte die russische Zeitschrift „Ogoniok" Nr. 35 vom 02. September 1945 in einem Artikel, datiert vom August
1945, zu berichten, daß die Mörder von Sonnenburg vor einigen Tagen an der
Elbe festgenommen wurden. Sie würden nach Sonnenburg zurückgebracht, wo
ihnen der Prozeß gemacht werden sollte507. Ähnlich äußerte sich Olgierd Kowalewski,
der zur russischen Vorhut in Sonnenburg gehörte. „Verschiedene Autoren dieses
Verbrechens wurden festgenommen,
verhört und danach nach hinten zum Generalstab der
VIII.
Armee geschickt. Das war in solchen Fällen die Prozedur.508»Möglicherweise handelte es sich hier um
Gefängnisobennspektor Friedrich Tittmann, der nach Sonnenburg gebracht
worden sein soll, um dort erschossen zu werden509. Im Oktober 1946 wurde
Gefängnisoberinspektor
Georg Rung in NeuSchleuss
b/Rathenow verhaftet und vom Militärtribunal in
Brandenburg zum Tode durch Erschießen
verurteilt. Das Urteil scheint vollstreckt worden zu sein. Gefängnisinspektor
Paul
Klitzmg
wurde
auch im Oktober 1946 von den sowjetischen Behörden in
Rathenow verhaftet. Er
verschied jedoch infolge einer schweren Krankheit im Gefängnis510.
Desgleichen wurde Hauptwachtmeister Rudolf Fiedler am
21. Oktober 1946 von den sowjetischen
Besatzungsbehörden verhaftet, jedoch am
27. Dezember 1946 wieder auf freien Fuß gesetzt511.
Reichsführer
SS Heinrich Himmler geriet am 22. Mai 1945 als Heinrich Hitzinger
in englische Gefangenschaft, gab sich jedoch bald zu erkennen. Am folgenden Tag, um 11.45 Uhr, während der
ärztlichen Untersuchung, verübte er mittels einer im Munde verborgenen
ZyankaliKapsel Selbstmord512.
Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Dr. Ernst Kaltenbrunner, wurde am 30. September 1946 vom
Internationalen Militärgerichtshof
in
Nürnberg, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode durch den Strang verurteilt,
und das Urteil wurde
am 16.
Oktober 1946
vollstreckt513. Gestapochef, SS-Gruppenführer
Heinrich
Müller,
wird seit Kriegsende vermißt. Er
soll Ende
April 1945 bei den Kämpfen um Berlin umgekommen sein514. Kripochef,
Polizeioberst Friedrich Panzinger, kam in russische Kriegsgefangenschaft, aus der
er
1955
entlassen wurde. Er
erlag 1959 in
seiner Münchener Wohnung,
während
seiner
Verhaftung
durch die deutsche Polizei, einem Herzschlag515.
Über
das
Schicksal
von
Dr. Fischer, Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD,
konnten
keine
Angaben
gefunden werden.
Dagegen wurde gegen Heinz Richter,
Leiter
der Staatspolizeistelle in Frankfurt/Oder, und
gegen
Wilhelm
Nickel,
Leiter
des
Hinrichtungskommandos, Anklage
wegen
Beihilfe
zum
Mord
vor dem Landgericht Kiel erhoben. Die
Beschuldigten wurden aber am 02. August 1971 von
dieser Anklage freigesprochen. Das Gericht kam zur
Erkenntnis, daß die beiden nur als Gehilfen zum Totschlag betrachtet werden
können, wofür sie jedoch nicht mehr zur
Verantwortung gezogen werden konnten, weil die Strafverfolgung inzwischen
verjährt ist516.
Das weitere Schicksal des Gauleiters und
Reichsverteidigungskommissars
Emil Stürtz
ist unbekannt517.
Als im Jahre 1947 eine norwegische Rotkreuz-Kommission nach
Slonsk kam, um die
Überreste der im Zuchthaus
verstorbenen norwegischen
Gefangenen heimzuholen, trafen sie zufällig in Slonsk auf den ehemaligen
Zuchthausarzt Dr. Seidler. Dieser hatte nichts mit den Erschießungen zu tun, war
aber verantwortlich für die schlechte Behandlung der
Kranken im Zuchthauslazarett.
Seidler,
der nach
Ostdeutschland geflüchtet war, kehrte nach
dem Kriege nach Slonsk zurück,
das von der ursprünglichen
deutschen
Bevölkerung
verlassen worden
war.
Da niemand sein
Vorleben kannte,
fühlte
er sich unter der neuen
polnischen Bevölkerung sicher. Er
wurde jedoch von einem
Mitglied der
norwegischer Kommission, einem
ehemaligen Sonnenburger
Häftling,
erkannt
und vor den
polnischen
Behörden
sofort in Haft genommen518. Als
er für die Folgen seiner Handlungen
im Kriege eintreten
mußte, verübte
er
im Gefängnis
Selbstmord519.
5°
Die Luxemburger in Sonnenburg
Die Frage, die fast
überall in Luxemburg
bei Gesprächen über Sonnenburg auftauchte, lautete: „Waren denn überhaupt
Luxemburger in Sonnenburg, besonders
während der Ereignisse vom 30./31.
Januar 1945?"
Wann der erste Luxemburger nach Sonnenburg kam, wissen wir nicht. Fast alle
befragten Zeugen jedoch bestätigen diesen Aufenthalt520. Der frühest erwähnte
Luxemburger ist Nie. Bausch aus
Rümelingen. Er dürfte zwischen dem 22. Juli 1941,
dem Tag seiner Verhaftung, und dem 23. August 1943, dem Tag seines Todes, in
Sonnenburg gewesen sein521. Im Laufe des Novembers 1944 kam eine größere
Gruppe Luxemburger,
die als
Wehrmachthäftlinge in den Strafgefangenenlagern" im
Emsland einsaßen, nach
Sonnenburg. Genaue Angaben über
ihre Zahl waren leider nicht mehr zu ermitteln. Nach einem Bericht vom 14.
November 1944 aus dem Lager
VII,
Esterwegen, sollten am Donnerstag den 16. November 1944, achtzehn
Personen in das Zuchthaus in Sonnenburg/Neumark verlegt werden. Auf dieser Liste
konnten siebzehn Luxemburger festgestellt werden522. In der
Staatsanwaltschaft in
Trier wurde nach dem Kriege eine andere Liste gefunden, aus der
hervorgeht, daß am 24. November 1944 22 namentlich aufgezählte Luxemburger
aus dem Lager
Papenburg nach Sonnenburg überführt wurden523. Von fünf der
in Sonnenburg vermißten Luxemburger sind die Strafakten in Luxemburg erhalten
geblieben. Aus diesen
Akten geht hervor, daß diese fünf am 19. November 1944 in das Zuchthaus
Sonnenburg verlegt wurden524. Außerdem kam, gemäß einer
im Bundesarchiv, Zentralnachweisstelle,
in
Kornelimünster
aufbewahrten
Strafvollzugsakte, ein Luxemburger am 24. November 1944 aus dem
Aschendorfermoor ins Zuchthaus
Sonnenburg/Neumark525.
Wahrscheinlich gingen also
wenigstens vier Transporte mit Luxemburgern aus dem
Emsland
nach Sonnenburg ab526,
und zwar jeweils in einem Abstand von
drei Tagen: am 16., 19., 21. und 24. November 1944. Beim dritten Konvoi (21. November 44) befand sich auch der
Österreicher Johann Lichtenstöger527. Er kann fünfzehn Namen
von Luxemburgern
angeben, die mit ihm zusammen in Sonnenburg einsaßen. Der einzige überlebende Luxemburger aus
Sonnenburg, Chaussy,
nannte die Namen von 27 Luxemburgern,
die in diesem Zuchthaus waren528. Ein anderer
Überlebender, der Belgier
Louis
Steelandt,
konnte 19 Namen von Luxemburgern anführen, die mit ihm in der Anstalt
gearbeitet haben. Pfarrer Arend aus K. (?) hat in Hameln a. W. einen
Augenzeugen getroffen, der drei Luxemburger mit
Namen nennen konnte529. Je drei Luxemburger mit Namen kannten auch der Betriebsleiter Hans Heidenreich und
der ehemalige Sonnenburger Häftling Franz Zwick530. An
Hand der Einritzungen
auf den Zellentüren stellte der Pole Bernard Lukaszewski eine Liste mit 44 Namen
auf, in der mit großer Wahrscheinlichkeit sieben Luxemburger eingetragen
sind. In zwei Fällen steht deutlich hinter dem Namen die Bemerkung ,,LUX"; bei
den fünf übrigen jedoch besteht immerhin die, wenn auch geringe Möglichkeit, eines
deutschen Doppelgängers531.
Schließlich hat ein Luxemburger aus dem Zuchthaus Sonnenburg nach Hause
geschrieben532.
An Hand all dieser Unterlagen
wurde eine Liste von 92 Namen aufgestellt, von
denen angenommen werden kann, daß sie in
Sonnenburg waren. Es wurde
hierbei
auch den in den
EmslandLagern vermißten Luxemburgern
Rechnung
getragen, weil es nicht ausgeschlossen ist, daß sie, wenn
auch später, nach
Sonnenburg kamen.
Weiter konnten auch noch nach der
Befreiung
Luxemburgs, im September 1944, desertierte Luxemburger
verhaftet worden
und direkt oder auf
Umwegen nach Sonnenburg gelangt
sein. Hierbei darf
man aber nicht aus den Augen
verlieren, daß auch
noch
andere Zuchthäuser
und
Gefängnisse luxemburgische Wehrmachthäftlinge
aufnahmen,
wie z. B.
Torgau,
Glatz. Der Österreicher
Lichtenstöger,
der behauptete,
mit 158 Luxemburgern und einem
Deutschen
nach Sonnenburg
überführt
worden
zu sein, muß sich also in diesem Punkte
geirrt haben. Aus einer
Meldung von Regierungsrat Dr. Öttinger
von der
Kommandantur
Papenburg
an
Berlin
ist ersichtlich, daß am 01. November
1944 in den Lagern
I, II, III,
IV,
V
und
VII
im Emsland insgesamt 99
Luxemburger einsaßen533.
Immerhin besteht
die Möglichkeit, daß
noch
Ab-
und Zugänge von Luxemburgern
zu verzeichnen waren. So trafen bereits
wieder einige Tage
nach der Abreise nach
Sonnenburg vier Luxemburger
im Aschendorfermoor ein534.
Im
November 1944 soll
auch einem
Luxemburger
die
Flucht von einem
Arbeitskommando
des Lagers
II
Aschendorfermoor
gelungen
sein535.
Gibt es
nun
einen
Beweis, daß
Luxemburger in Sonnenburg erschossen
wurden? Um
die
Antwort gleich
vorweg
zu nehmen: es gibt bis jetzt
keinen solchen Beweis,
wenn
auch
eine Reihe von Indizien
dafür sprechen. Solche Beweise
kann man in
drei Gruppen
einteilen: die Aussagen von Augenzeugen,
die
Identifizierung der Leichen und die offiziellen Dokumente, in denen die Erschossenen als
solche eingetragen sind. - Die Aussagen von Zeugen:
In
Frage kommen die Aussagen von Mitgliedern des Hinrichtungskommandos, des Räumungskommandos und
der Wachleute, die der Exekution
beiwohnten. Leider sind außer dem Kommandoführer Nickel die andern Mitglieder des
Exekutionskommandos
unbekannt geblieben. Sie dürften auch wohl kaum jemanden der Erschossenen
gekannt haben. Was nun das Räumungskommando anbetrifft, so hat als einziger
der Luxemburger
Chaussy
Aussagen zu
diesem Punkte gemacht. Leider sind seine verschiedenen
Angaben widersprüchlich, so daß man auch
seiner Namensliste der Erschossenen gegenüber
mißtrauisch sein muß. Zu seiner Entschuldigung sind jedoch die Umstände anzuführen, unter denen er seine Wahrnehmungen machte: die stundenlangen nächtlichen Exekutionen
bei schlechten Lichtverhältnissen, und
das Abschleppen der Leichen unter ständiger Todesangst536.
Denn
trotz der
beruhigenden Äußerungen eines nicht identifizierten
SS-Mannes,
daß den Mitgliedern dieses
Kommandos nichts
geschehen würde537,
mußten sie doch
normalerweise annehmen, daß die
SS diese unbequemen
Zeugen nicht überleben lassen
würden. Und
es
ist tatsächlich
außergewöhnlich, daß
dies geschah. Oder hatten sie sich
während ihrer Haftzeit
so mit den Deutschen
kompromittiert, daß
diese annahmen, sie
würden
den
Mund halten? Wenn dem so war, so ging
diese Rechnung nicht auf.
Bereits bei ihrem Zusammentreffen mit
der Gefangenenkolonne
berichteten einige
ihren Mitgefangenen von
ihren schrecklichen
Erlebnissen538.
Die
Identifizierung der Leichen: Die Leichname
der Erschossenen wurden
von russischen und polnischen Soldaten
etwa 100 m
östlich des
Zuchthauses
an
der PosenerStraße in zwei
Massengräbern von etwa 32 x 3 m
beigesetzt, ohne daß eine
Identifizierung
vorgenommen
wurde539.
Wohl haben die Mitglieder
der Vorhut der
Roten
Armee, die Sonnenburg
befreite, Dokumente in
den Taschen
der Ermordeten gefunden und diese
an den Generalstab ihrer
Einheit weitergeleitet540. Aber eine diesbezügliche
Anfrage an Herrn
G. Aleksandrow.
Vize-Generalstaatsanwalt der
UdSSR, blieb
unbeantwortet541.
Im November 1946 ließ die Gerichtskommission von
Sulecin einen Grabhügel öffnen, und man stieß in einer Tiefe
von 1,50 m auf die erste vollständig verweste Leichenschicht
und dabei blieb es542. Auch später als die Überreste in den zuchthauseigenen Friedhof
umgebettet wurden, fand, soviel wir wissen,
keine Identifizierung statt.
Offizielle Dokumente mit den Namen der
Erschossenen: Bisher ist nirgends eine Eintragung
über die Erschossenen aufgefunden worden. Auch dürften wohl kaum viele Berichte
über die Ereignisse in
Sonnenburg
angefertigt worden sein. Ein Großteil der Akten des Zuchthauses
wurde vor der Ankunft der Roten Armee in der
Zentralheizung des Zuchthauses verbrannt543.
Die
übrigen
Akten des Zuchthauses kamen zuerst nach
Rathenow
zur „Abwicklungsstelle des
Zuchthauses
Sonnenburg,
Amtsgericht
Rathenow" und später, am 12. April 1945, in das Gefängnis
Brandenburg
(Görden), wo sich ihre Spur verliert544. Entsprechende Anfragen
an das Deutsche Zentralarchiv und an das Staatsarchiv in Potsdam blieben
erfolglos545.
Wie wir gesehen
haben,
saßen eine gewisse Anzahl
Luxemburger in Sonnenburg
ein, von
denen
nur
einer
die Kriegsereignisse überlebte. Es
war immerhin
möglich, daß die andern
Luxemburger vor den tragischen Ereignissen
das Zuchthaus verließen,
sei es um in eine
andere Haftanstalt verlegt oder
um wieder in die Wehrmacht
aufgenommen zu werden546. Aus den bis
jetzt bekannten
Unterlagen geht
hervor,
daß die letzte größere
Gefangenenverlegung im November 1944,
wahrscheinlich am
11. November547,
stattfand, als eine
Gruppe von
800
ausländischen Gefangenen in das
Konzentrationslager Sachsenhausen
überführt wurde548.
Möglich bleibt
immerhin,
daß nach diesem Datum
noch einzelne Häftlinge verlegt wurden.
Theoretisch bestand auch noch die
Eventualität
eines
Gefangenenaustauschs.
Ein solcher fand z.
B. noch am 15. Januar 1945
statt, als
der
englische
Funker der französischen Widerstandsorganisation
„Alliance",
Kapitän
Rodriguez
alias
„Pie" (Elster), Sonnenburg verließ, um über
die Schweiz
ausgetauscht zu werden549.
Doch dürften die Luxemburger
den Deutschen
resp. den Alliierten kaum wichtig genug gewesen
sein,
daß
ein solcher
Austausch in die Wege
geleitet wurde.
Schließlich war auch noch denkbar, daß
vor dem fatalen
30.
Januar 1945 einigen
Luxemburgern
die Flucht aus Sonnenburg
gelang. Leider war diese
Chance äußerst gering, besonders weil es den
Wehrmachthäftlingen verboten
war, Mitglied eines
Arbeitskommandos
außerhalb
der Zuchthausmauern
zu
werden, wo sich günstigere
Fluchtaussichten boten550.
Da auf dem
Transport der
Überlebenden
des Zuchthauses nur der Luxemburger
Jean-Pierre
Chaussy
festgestellt wurde, darf angenommen werden,
daß die restlichen
91 Luxemburger
im Zuchthaus
Sonnenburg umkamen. Diese Zahl, die als
ein Minimum
betrachtet werden
kann, änderte
sich im Laufe der
Jahre
mehrmals.
So erwähnt ein Bericht des Commissanat au Rapatriement über 50 Luxemburger, die in Sonnenburg erschossen wurden551. Der polnische
KreisUntersuchungsausschuß für Kriegsverbrechen in Zielona Gora, der für die
Verbrechen von
Sonnenbürg zuständig ist, verfügt
über eine Liste mit
65 Namen von
Luxemburgern,
über die die
Luxemburgische
Mission
Nachforschungen
angestellt haben
wollte552.
Der luxemburgische Professor Robert
Bruch,
der sich auch mit dem
Thema Sonnenburg beschäftigte und die Akten des
luxemburgischen
Commissariat
au Rapatriement studierte, hält die
Zahl von
mindestens 89
umgekommenen Luxemburgern
fest553, wie sie aus
einer offiziellen Liste
des Rapatriement
hervorgeht554. Dieser Liste
wurden noch zwei
Namen hinzugefügt, von denen angenommen werden
kann, daß auch sie in
Sonnenburg erschossen
wurden.
Liste der vermutlich in Sonnenburg
umgekommenen Luxenburger
Nr. |
Name und Vorname |
Geburtsdatum |
Geburtsort |
1 |
ANTONY Leonard |
13.02.21 |
Weimerskirch |
2 |
BAULESCH Armand |
30.08.21 |
Perle |
3 |
BAUM Pierre |
12.12.23 |
Rumelange |
4 |
BECKER Gustav |
06.05.24 |
Differdange |
5 |
BERN ARD Y Jean Paul |
28.02.24 |
Eischen |
6 |
BIRDEN Theophile |
15.04.24 |
Luxembourg |
7 |
BLEY Joseph |
13.06.24 |
Hoscheid |
8 |
BONIFAS Philippe |
13.07.22 |
Nospelt |
9 |
BRAUN Nicolas |
24.03.20 |
Differdange |
10 |
BUSSER (BOUSSON?) Michel |
19.10.23 |
Luxembourg? |
11 |
CHRISTOPHORY Ernest |
18.02.21 |
Mamer |
12 |
CLEMENT Pierre |
01.05.20 |
Luxembourg |
13 |
CORDIER Francois |
16.10.24 |
Winseier |
14 |
COURTE Michel |
04.03.20 |
Neuhäusgen |
15 |
ERNSTER Leon |
24.08.22 |
Clemency |
16 |
EWEN Victor |
22.04.22 |
Clervaux |
17 |
FABER Jean |
16.02.24 |
Garnich |
18 |
FELTEN Leon |
26.05.22 |
Oberpallen |
19 |
FLESCH Rene |
12.07.24 |
Rodange |
20 |
FRANCK Joseph |
04.05.21 |
Luxembourg-Merl |
21 |
FRIESEISEN Joseph |
13.03.22 |
Hoscheid |
22 |
GÄNSEN Joseph |
12.03.23 |
Lamadelaine |
23 |
GILBERTZ Mathias |
11.09.23 |
Berdorf |
24 |
GODEFROID Hubert |
13.05.25 |
Esch/Alzette |
25 |
HANSEN Norbert |
17.02.21 |
Musson (Belgique) |
26 |
HAYARD Francois Marie |
16.05.22 |
Niedercorn |
27 |
HOMMEL Jean-Pierre |
27.02.22 |
Rippweiler |
28 |
HUBERT Roger Nicolas Paul |
26.05.21 |
Esch/Alzette |
29 |
JACOBY Marcel |
26.02.20 |
Differdange |
30 |
JAMINET Marcel |
24.10.21 |
Dudelange |
31 |
KAUFMANN Remy |
08.08.25 |
Hassel |
32 |
KIES Ferdinand |
24.03.22 |
Helmsange |
33 |
KOERNER Raymond |
11.02.23 |
Differdange |
34 |
KOPPES Jean Nicolas Theodore |
30.11.23 |
Dalheim |
35 |
KOSTER Jean-Pierre |
06.03.22 |
Septfontaines |
36 |
KRIER Jean |
06.03.21 |
Luxembourg-Hamm |
37 |
LINDEN Jean |
17.10.21 |
Luxembourg |
38 |
LOGELIN Arthur |
26.01.22 |
Differdange |
39 |
LUCAS Jean Albert |
03.06.22 |
Petange |
40 |
MAJERUS Mathias |
17.02.25 |
Goesdorf |
41 |
MARNACH Jean-Pierre Alex |
05.06.22 |
Esch/Alzette |
42 |
MATHIEU Ernest |
29.03.21 |
Oklahoma (USA) |
43 |
MART Fernand Georges |
22.04.24 |
Esch/Alzette |
44 |
MAYER Albert |
05.06.21 |
Colmarberg |
45 |
MERTZ Leon |
24.12.23 |
Luxembourg |
46 |
MEYERS Auguste Jean |
13.11.22 |
Esch/Alzette |
47 |
MOMPER Paul |
19.01.23 |
Esch/Alzette |
48 |
NEUENS Albert |
23.01.23 |
Bettembourg |
49 |
NEY Nicolas |
08.11.20 |
Steinfort |
50 |
NOEL Alphonse |
12.08.22 |
Niedercorn |
51 |
NOEL Jean |
09.05.22 |
Rodange |
52 |
PAUL Clement |
26.06.23 |
Dudelange? |
53 |
PERL Jean |
11.01.21 |
Rumelange |
54 |
PERRARD Joseph |
19.10.21 |
Petange |
55 |
PFEIFFER Jean-Pierre Auguste Alfred |
16.12.22 |
Esch/Alzette |
56 |
PIERRET Nicolas |
26.12.23 |
Eischen |
57 |
POMPERMAIER Lucien |
13.12.22 |
Esch/Alzette |
58 |
REDING Jean-Pierre |
21.09.23 |
Grosbous |
59 |
REINESCH Henri |
11.12.20 |
Wiltz |
60 |
SCHMIT Albert |
21.01.21 |
Luxembourg-Kirchberg |
61 |
SCHMIT Jules |
19.05.21 |
Luxembourg |
62 |
SCHMITZ Jean Gaspard |
17.04.23 |
Huldange |
63 |
SCHMITZ Nicolas |
10.03.20 |
Hoscheid |
64 |
SCHOCKMEL Francois |
23.11.22 |
Obercorn |
65 |
SCHOLTES Mathias |
16.01.23 |
Alscheid |
66 |
SCHOOS Joseph |
12.03.21 |
Petange |
67 |
SCHULLER Rene |
25.04.23 |
Schouweiler |
68 |
SCHWARTZ Bernard |
22.04.22 |
Luxembourg |
69 |
SIEBENBOUR Francois |
03.01.20 |
Medernach |
70 |
SIMON Aloyse |
17.04.20 |
Capellen |
71 |
STEINBACH Ferdinand |
22.08.21 |
Schifflange |
72 |
STEIVER Marcel |
29.08.20 |
Luxembourg-Pfaffenthal |
73 |
STRIFF Jean-Pierre |
01.03.20 |
Herborn |
74 |
THEKES Roger |
07.12.22 |
Grevenmacher |
75 |
THIES Jean |
31.12.21 |
Boxhorn |
76 |
THILL Rene |
26.11.24 |
Kayl |
77 |
THILLMANN Jean |
30.06.24 |
Heinerscheid? |
78 |
TRAUFLER Adolphe Pierre |
14.07.21 |
Esch/Alzette |
79 |
WAGNER Joseph |
20.07.22 |
Mamer |
80 |
WAGNER Marcel Eugene |
19.05.23 |
Esch/Alzette |
81 |
WALMASSONI Francois Georges |
28.02.20 |
Rodange |
82 |
WALTENER Marcel |
08.06.25 |
Kayl |
83 |
WEBER Alex |
17.07.20 |
Rodange |
84 |
WEBER Marcel |
06.07.23 |
Folschette |
85 |
WEILER Andre Paul |
04.02.21 |
Luxembourg |
86 |
WEILER Jean-Pierre |
20.08.22 |
Clervaux |
87 |
WEIMERSKIRCH Ernest |
15.10.22 |
Luxembourg |
88 |
WEISS Eugene |
03.05.22 |
Differdange |
89 |
WOLTER Francois |
17.01.22 |
Steinfort |
90 |
ZAHNEN Pierre Albert |
16.04.21 |
Huldange |
91 |
ZEIMET Pierre |
17.04.25 |
Luxembourg-Kirchberg |
(Personalangaben nach „Livre d'Or des victimes luxembourgeoises de la guerre
de 1940 ä 1945", publie par le Ministere de l'Interieur avec le concours des
administrations communales, Imprimerie Coopérative Luxembourgeoise,
Esch/Alzette, 1971. Die mit einem Fragezeichen versehenen Namen sind im
Livre d'Or nicht aufgeführt).
|
Anmerkungen
I.
Einleitung
(1)
Über die Problematik
des Zeugenbeweises siehe Reinhard Henkys: Die nationalsozialistischen
Gewaltverbrechen. Geschichte und Gericht, Kreuz-Verlag, Stuttgart, Berlin 1965,
S. 280-283
II.
Das Zuchthaus Sonnenburg/Neumark
1° Ursprung
und Beschreibung
(2) Das Zuchthaus ist nicht mit dem gleichnamigen
400köpfigen
Kommando für französische Kriegsgefangene zu verwechseln, das später durch
ein jugoslawisches Kommando abgelöst wurde. Diese Abteilung hing vom Stalag
III
C Alt-Drewitz
(Drzewica) ab. Die Gefangenen wohnten in Baracken, deren Zimmer mit 18-30
Mann belegt waren. Sie arbeiteten unter anderm am Bau einer Pulverfabrik im
Wald von Sonnenburg. Die Disziplin war sehr streng.
(Internationaler Militärgerichtshof [IMT]: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher
vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Band 39, S. 160-177; Schreiben von
Francois Boudot vom 05. 10. 1975 an den Autor; Rene
Daunon:
Terre d'exil [manuscrit] S. 22-52)
(3)
Für die Ortschaften, die sich heute
auf dem Gebiet der Volksrepublik Polen befinden, wurde, soweit
feststellbar, in Klammern der polnische Name angegeben
(4) Bericht des Commissariat au Rapatriement als
Beweisstück in Sachen des General-Auditors beim Gerichtshof für Kriegsverbrechen gegen Stuckenbrock
Josef, Fürnholzer Willibald,
Kimmungen Johann-Adam, Steffen Karl, Modolin Katharina, Rolgen
Heinrich, veröffentlicht in
,,Ons Jongen", Nr. 11, 12, 13 unter dem Titel „Zuchthaus Sonnenburg",
später zitiert als „Rapatriement"; dazu auch Aussage von Erwin
Triller
(5) Przemyslaw Mnichowski: Slonsk-Sonnenburg,
Okrgowa Komisja Badania Zbrodni
Hitlerowskich w Zielonej Gorze,
1974, S. 3 +5, später zitiert als
Mnichowkt-Slonsk
(6) SS
im Einsatz. Eine Dokumentation
über die Verbrechen der SS,
Deutscher Militarverlag, Berlin 1967, S. 207
(7) Mnichowski-Slonsk,
S. 5
(8)
„Der Morgen", Berlin vom 06.02.1971
(9) Mnichowski-Slonsk, S. 7
(10) „Die selbständigen Vollzugsanstalten der Reichsjustizverwaltung",
Stand 01. 07. 1944
(11)
Rapatriement
+ Lageplan der Strafanstalt in Sonnenburg/Neum,, März 1944
(12)
Landgericht Kiel -
Urteil gegen Heinz Richter und Wilhelm Nickel vom 02. August 1971,
Aktenzeichen III 37/70 2 ks 1/70, S. 115, später zitiert als
„Urteil"
(13)
Rapatriement
+ Lageplan der Strafanstalt in Sonnenburg/Neum., März 1944
(14) Bericht vom 10. 02. 1945 + Russischer Bericht - 53/70
(15)
Rapatriement
+ Joseph de la Martiniere:
„Sonnenburg", in ,,Nuit et Brouillard", Supplement Historique No 2
- Fevrier 1974, S. 7
(16)
Aussage
von Frau Thum
2° Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Häftlinge
(17) Verzeichnis
der selbständigen Vollzugsanstalten der Reichsjustizverwaltung. Stand vom 01.
Juli 1944
(18) Urteil,
S. 27
(19) Verzeichnis der selbständigen
Vollzugsanstalten der Reichsjustizverwaltung. Stand vom 01. Juli 1944
(20)
Aussage
(21)
Aussage
von Eugene Soumenkoff
(22)
Aussagen
von Bjørn Egge + Frau Thum
(23) Aussage
von Frau Thum
(24) Aussage
von Erwin Triller
(25) Aussage
von Frau Thum
(26) Aussagen von Armand Mombaerts + Bjørn Egge;
Rapatriement
(27)OKBZH M-891 Kl. 00366
(28) Aussage von Jozef Wojcik
(29) Mnichowski-Slonsk, S. 12
(30) Der
Ursprung des Ausdrucks
„Nacht und Nebel" konnte nicht
ganz geklärt werden. Er soll jedoch aus dem Textbuch „Rheingold", einer
Oper von Richard Wagner, entstammen.
In einer Erwiderung befahl Fafner den Zwergen zu verschwinden: „Seid
Nacht und Nebel gleich!" (Fédération Nationale des Deportés et
Internés Resistants et Patriotes:
La Deportation, Paris
1968, S. 290) Die Abkürzung „NN" ihrerseits wurde in der deutschen und italienischen Verwaltungssprache
geläufig gebraucht, um das Anonymat X
oder unbekannt zu bezeichnen. „Nomen Nescio" = Name unbekannt und „Nomen Notetur" = Name zu
zensurieren. („Historama", No 288, Novembre 1975, S. 10)
(31) IMT, Band 37, Dokument 090-L, S. 576
(32) IMT, Band 26, Dokument 669-PS, S. 248
(33)
P.A. Steiniger + K. Leszcynsko
(Hrsg): Fall 3 - Das Urteil
im Juristenprozeß, gefällt am
4. Dezember 1947 vom Militärgerichtshof
III
der
Vereinigten Staaten von Amerika, VEB Deutscher Verlag der Wisschenschaften, Berlin 1969, S. 56 + 186; später zitiert als „Fall 3“
(34) Fall 3, S. 51
(35)
Der General-Auditor
bei dem Gerichtshof für Kriegsverbrechen in Luxemburg - Beschuldigten-Vorladung (gegen dIe Mitglieder des
Einsatzkommandos), S. 49
(36) Joseph de
la Martinière: Les
N.N. in „Nuits et Brouillard“, Supplément historique, No 1, Juin 1973, S.2
(37) IMT, Band 26, Dokument 669-PS, S.
245-249
(38) Fall 3, S. 53
(39)
Fall 3, S. 54
(40)
Fall
3, S. 55
(41)
Fall 3, S. 59
(42)
Fall 3, S. 54
(43)
Fall 3, S. 60
(44)
IMT, Band 26, Dokument 669-PS, S. 245-249
(45)
Fall 3, S. 53
(46)
Fall
3, S. 55
(47)
Fall 3, S. 56
(48)
Fall 3, S. 182
(49)
Fall 3, S. 53
(50)
Fall 3, S. 55
(51)
IMT, Band 35, Dokument 569-D, S. 172
(52)
Fall 3, S. 56
(53)
Fall 3, S. 187
(54)
IMT, Band 35, Dokument 762-D, S. 503
(55)
IMT, Band 35, Dokument 767-D, S. 511
(56)
Fall 3, S. 62
(57)
Aussagen von Georg Rung, Camille Samson
+ Pierre Prevost
(58)
Willy Perk: Die Holle im Moor, Röderberg-Verlag,
Frankfurt-Main 1970, S. 131-134
(59)
Perk, S. 88
(60)
Perk, S. 89
(61)
Perk, S. 90
(62)
Aussage Dr. Richard Thiel, Service
International de Recherches (ITS), Akte Emsland,
S. 16 + 17
(63) ITS.S. 116 (Schreiben vom
07. 06. 1944). Badry, der beider Kommandantur beschaftigt war, gab an:
„Ich erinnere mich, daß bei der Landung der Alliierten, uns mitgeteilt wurde, die unzuverlassigen Gefangenen in andere Gefangnisse zu überführen."
(Übersetzung aus dem Französischen - Mission militaire luxembourgeoise de
Rapatriement du
18.
05. 1946)
(64)
ITS, Schreiben vom 20. 06.
1944
(65)
Walther Hubatsch (Hrsg):
Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939-1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, DeutscherTaschenbuch Verlag, München
1965, S. 318
(66)
Perk, S. 91
(67) Aussagen von Mathias Allard + Eugene
Allard
(68) Aussage von Stefan Gerlach (ITS).
Bei diesem Datum kann es sich aber auch um einen Erinnerungsfehler handeln,
denn nach den im Bundesarchiv Zentralnachweisstelle, i„ Kornelimünster
aufbewahrten Akten, entwich EugeneSteffen am 25.
November 1943 aus einem der Moorlager. Er wurde
bis Kriegsende nicht wieder aufgegriffen. (Schreiben Nr. I 40 - 1184/72 vom 06. 02. 1973)
(69)
Urteil, S. 100 + 101
(70) Marie-Madeleine/o«We: L'Arche deNoe,
Artheme Fayard, Paris 1968, S. 699 + 704; Joseph de la Martiniere:
Sonnenburg, in „Nuit et Brouillard", Supplement Historique, No 2 - Fevrier
1974, S. 7
(71) Urteil, S. 101
(72) Fall 3, S. 58 + 53
(73) Urteil, S. 43
(74)
Urteil, S. 101 + 102.
Sicherungsverwahrte (SV) waren gewöhnliche
Kriminelle mit zahl reichen Vorstrafen, die als
eine Gefahr für die Gemeinschaft betrachtet wurden und daher
beständig in Haft gehalten wurden. (ITS, S. 9) (Nr. 23) + S. 22 (Nr. 72) Im
Rahmen verschärfter „vorbeugender"
Maßnahmen gegen „gefährliche Gewohnheitsverbrecher" ordnete die Justiz schon seit 1933, auf Grund
eines Gesetzes vom 24. November 1933 gegen kriminelle Wiederholungstäter, nicht nur befristete
Freiheitsstrafen an. Durch die geheime
Abmachung zwischen Thierack und Himmler vom September 1942
wurde die Auslieferung aller Sicherungsverwahrten aus dem Strafvollzug
der Justiz „zur Vernichtung durch
Arbeit" an die Konzentrationslager beschlossen. Diese Sicherungsverwahrten kamen fast ausschließlich nach Mauthausen.
(Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, Schriftenreihe der
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Nr. 21, Deutsche Verlags-Anstalt,
Stuttgart 1970, S. 69 4- 70). Aus irgendeinem unbekannten Grunde blieben jedoch noch Sicherungsverwahrte in den
Strafvollzugsanstalten.
(75) Angaben entnommen einem Schreiben des Vorstandes
der Strafanstalten Emsland vom 17. Mai 1947
(76)
Nach andern
Unterlagen 1,5 Jahre
(77)
Urteil, S. 103
(78) OKB2H w Zielonej Gorze 66/70
(79) Verzeichnis
der selbständigen Vollzugsanstalten der Reichsjustizverwaltung: Stand vom 01.
Juli 1944
(80) Die vermutlich zuverlässigste Auskunft
hätten der, nach der Aussage von Paul Klitzing, Anfang Februar 1945 in der vorläufigen
Abwicklungsstelle des Zuchthauses Sonnenburg in Rathenow für eine vorgesetzte
Dienststelle aufgestellte Bericht und die ihm zugrunde liegende
Häftlingskartei geben können. Diese Unterlagen sind laut Aussage von Georg Rung
am 12. April 1945 nach Brandenburg überführt worden. Diese Anstalt war mindenstens
bis zum 20. April 1945 noch nicht erobert, weil an jenem Tage noch
Todesurteile, unter anderm auch gegen den ehemaligen
Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Draeger, vollstreckt wurden (Hubert Schorn:
Der Richter im Dritten Reich. Geschichte und Dokumente, Vittorio
Klostermann, Frankfurt/Main 1959, S. 232; Reimund Schnabel: Le
Dossier des SS, Librairie Academique Perrin, Paris 1967, S. 264). Leider
konnten diese Unterlagen nicht aufgefunden werden.
Der Anstaltsleiter Knops und der Betriebsleiter Blauert
gaben die Häftlingszahl mit etwa 1.000 an (Urteil, S. 97). In einer früheren
Aussage dagegen hatte Knops die Häftlingszahl mit 850 beziffert. Nach Blauert
betrug die Normalbelegung 900 Häftlinge und die Anstalt sei Anfang 1945
überbelegt gewesen. Die ungefähre Anzahl von 1.000 Häftlingen wurde ebenfalls
vom Hauptwachtmeister im Innendienst, Wobser, dem ersten Justizhauptachtmeister
im Arbeitsbereich, Gerloff und dem Küchenwachtmeister Haase genannt.
Der Hilfsaufseher Helmut Franz Müller schätzte die Häftlingszahl auf
1.030-1.050 (Urteil, S. 98), während der in der Registratur und in der
Annahme beschäftigte Häftling
Walter Glasneck dagegen nur 835
Gefangene annahm (Aussage). Frau Thum ihrerseits berichtete von
durchschnittlich 800 Insassen (Aussage),
Jean-Pierre Chaussy von
800-900 (Aussage), während Ewald Reche 900 Mann für zu niedrig hielt
(Aussage). Unglaubhaft klingt die Angabe von Jozef Wojcik, der von 2.000
Häftlingen redete (Aussage). Es war für die Beteiligten schwierig, die
Belegungsstärke des Zuchthauses richtig zu beurteilen, weil sich durch die
Zurücknahme des Nebenlagers und den vorübergehenden Aufenthalt von Gefangenen
aus Wronke (Wronki) und andern Anstalten unverhältnismäßig viele Veränderungen
in kürzester Zeit vollzogen hatten.
(81) Aussage von Erwin
Triller
(82)
IMT, Band 33, Dokument 3787-PS, S. 152
(83) Aussage von Hans Heidenreich + Lageplan,
März 1944
(84) Aussage von Johann
Lichtenstöger
(85) Aussage von Armand
Mombaerts
(86)
Aussage eines unbekannten Belgiers aus Brüssel; Aussagen von Armand
Mombaerts + Henry Brym
(87)
Aussage von Armand
Mombaerts
(88) Aussage von Henry
Brym
(89) Aussage von Armand Mombaerts
(90) Aussage von Bjørn Egge. Die Bezeichnung der Werkstätten stammt meistens aus
Aussagen von ehemaligen französischen Häftlingen, so daß es nicht immer möglich
war, die genaue deutsche Bezeichnung herauszufinden.
(91) Aussagen von Armand Mombaerts, Jozef Wojcik +
Wiekoslaw Lecek
(92) Aussage von Stanislaw Zlociak
- PCK - 15.828
(93)
Aussage von Frau
Thum
(94) Magister Przemyslaw Mnichowski - Schreiben vom
01.04.74 + 17.04.74
(95) Aussagen von Jozef Wojcik + Leon Esseler; russischer Bericht OKBZH w
Zielonej
Gorze 53/70
(96) Aussage von Jozef Wojcik
(97)
Aussagen von Georges Haurez, Louis Steelandt
+ Clement Macq. Wiekoslaw Lecek seinerseits redete von 12-14
Stunden. Hier, wie auch bei den andern Angaben (18 Stunden
OKBZH - 54/70) (13-14 Stunden OKBZH - 58/70) scheint es sich um Irrtümer oder Ausnahmen zu handeln, da das Zweischichten-System am
rationellsten war. Nach der Strafvollzugsordnung
vom 22. Juli 1940 betrug die Arbeitszeit für Zuchthausgefangene
“im allgemeinen mindestens zehn Stunden am Tag."
(§ 152)
(98)
Aussagen
von Walter Glasneck + Jozef
Wojcik
(99)
Aussagen von Armand Mombaerts
+ Georges Haurez
(100)
Aussage
von Hans Heidenreich ergänzt durch die Aussage von Johann
Lichtenstöger
(101) Rapatriement
+ Aussage von Louis Vandenbemden
(102) Aussage
von Armand Mombaerts
(103)
Aussagen von Louis Steelandt
+ Jozef Wojcik; Captain F.E. Rodriguez: L'Escalier de Fer,
Editions France-Empire, Paris 1958, S. 232
(104) Vereinheitlichung der Dienst- und Vollzugsvorschriften
für
den Strafvollzug im Bereich der
Reichsjustizverwaltung
(Strafvollzugsordnung), Amtliche Sonderveröffentlichungen der Deutschen Justiz Nr. 21, R.v. Decker's Verlag, G.
Schenck, Berlin W 15, 1940, S. 81
(105) Vereinheitlichung
§ 182
(106)
Vereinheitlichung
§ 193
(107)
Aussage von Armand Mombaerts
(108) Aussage
von Pierre Lacotte in Rapatriement
(109) So z. B. der katholische Anstaltspfarrer Erwin Triller: ,,Die
Behandlung im Kranken bau
war sehr mangelhaft und sogar schlecht"
(Aussage).
Über die Tätigkeit von Dr.
Seid
ler
berichtete
ausführlich Camille Samson (Aussage)
(110) Joseph de
la Martiniere - Sonnenburg, S. 7
(111) Angaben OKBZH
wZielonej Gorze. EugeneSoumenkoff seinerseits erzählte, daß erim Zeitraum vom 09.10 1942 - 14.11.1944 persönlich bei einer
Belegschaft von ca. 1.200 Männern 242
Sterbefälle einschrieb
(112)
Vergleichsweise wurde die Belegschaft am 30.
Januar 1945 auf ungefähr 1.000 Mann geschätzt
(113)
Diese lag bei 656 Personen. Verzeichnis: 01. 07. 1944
(114) Comite International d'Auschwitz: Medecine Inhumaine, Anthologie, Tome
I,
lre
partie, Varsovie 1969, S. 163
(115) Studien,
S. 121
(116) Aussage
3° Die militärischen Ereignisse
(117)
Ende 1942 teilten die Sowjets den gesamten Frontbereich
in einzelne
„Fronten" ein,
d. h. Heeresgruppen die eine engere Zusammenarbeit einzelner Verbände und eine
bessere Abstimmung der Aktionen erlaubten. Ploetz (Hrsg): Geschichte
des Zweiten Weltkrieges,
2. Teil - Die Kriegsmittel, Ploetz A. G., Würzburg 1960, S. 441
(118)
Weitere Einzelheiten z. B. bei Marschall Wassilij Tschuikow:
Das Ende des Dritten Reiches, Wilhelm Goldmann Verlag, München
1966: Boleslaw£W*ta: Wyzwolenie Polski 1944-1945,
Mon, Warszawa 1974; Earl F. Ziemke: La chute de Berlin.
La Fin du HieReich,
coll.: Histoire illustree de
la Seconde Guerre Mondiale, Marabout, Gerard &
Cie, Verviers
1970; und besonders Percy Ernst Schramm: Kriegstagebuch des Oberkommandos
der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab), Band IV - 1. Januar 1944 - 22. Mai
1945.
Zweiter Halbband, Bernard & Graefe Verlag für Wehrwesen, Frankfurt/Main
1974,
weiter zitiert als KTB.
(119)
Heinz Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS,
Sigbert Mohn Verlag, Gütersloh o.J., S. 513, der sich auf Guderian
beruft, gibt fälschlicherweise den
23. Januar an. Guderian aber schrieb: 25. Januar. (HeinzGuderUn:
Erinnerungen e.nes Soldaten, Kurt Vowinkel Verlag, Neckargemünd 1960, S. 366); dazu auch KTB,S. 1037
(120) KTB, S. 1040
(121) KTB, S. 1046
(122)
KTB, S. 1048
(123)
KTB, S. 1050
(124) KTB, S. 1057, Züllichau = Sulechow,
Schwiebus = Swiebodzin, Meseritz = Miedzyr-zecz,
Berlinchen = Barlinek
(125)
KTB, S. 1059, Landsberg = Gorzow Wielkopolski
(126) KTB, S. 1062, Schwerin = Skierzyna, Odereck = Cigacice
(127) Urteil, S. 30
(128) KTB, S. 1064
(129) Dolata, S. 479
(130) PCK - 15828; Dokument NG-741
(131) Dolata, S. 558
(132)
Urteil, S. 31
4°
Die zuständigen Dienststellen
(133)
Franciszek Ryszka: Panstwo
stanu wyjatkowego. Rzecz o systemie panstwa i prawa Trzeciej
Rzeszy, Ossolineum, Wroclaw 1974, S. 394, 360, Anlage III b; Fall 3, S. 39 + 101 (S. 219
dagegen steht für die Ernennung von Klemm der
04. Januar 1944).
(134)
Fall 3, S. 101; Urteil, S. 26
(135)
Ryszka,
S. 394
(136)
Urteil, S. 27 + 28
(137)
Vereinheitlichung, III-9, S. 8
(138)
Urteil, S. 27 + 28
(139)
Höhne,
S. 51, 182, 371, 376, 513; Heinrich Fränkel + Roger
Manvell: Himmler. Kleinbürger und Massenmörder, Verlag Ullstein, Berlin 1965,
S. 28, 58, 157, 181, 194;
Guderian,
S.
366
(140)
Joseph Wulf: L'industrie de
l'horreur, Librairie Artheme Fayard, Paris 1970, S. 178 + 179
(141)
Wulf,
S. 192; IMT, Band 38,
Dokument 219-L
(142)
Ryszka,
Anlage
II
c; Höhne,
Anlage
(143)
Wulf,
S. 252 + 253; Peter
Hüttenberger:
Die Gauleiter,
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1969, S. 178
(144)
Ryszka,
S. 319; Wulf, S. 179
(145)
Urteil, S. 70
(146)
Ryszka,
Anlage
II
c; Höhne,
Anlage
(147)
Urteil, S. 19
(148)
Urteil, S. 57 + 62
(149)
Peter
Hüttenberger:
Die Gauleiter,
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1969, S
153
(150)
Hüttenberger,
S. 155
(151)
Hüttenberger,
S. 156
(152)
Hüttenberger,
S. 157
(153)
Hüttenberger,
S. 222
(154)
Hüttenberger,
S.
158
(155) Hubatsch, S. 297
(156)
Hüttenberger,
S. 188
(157) Hubatsch, S. 339-341
(158) Hüttenberger,
S. 191
III.
Die Räumung der
Vollzugsanstalten
1° Die gelenkte Justiz
(159) Max Domarus: Hitler-Reden
und Proklamationen 1932-1945 kommentiert von einem
deutschen Zeitgenossen, R. Löwitt, Wiesbaden 1973, S. 1857
(160) Domarus,
S. 1853
(161) Domarus, S. 1865
+
1874
(162) Domarus, S. 1904
(163) Domarus,
S. 1905. Chef der Reichskanzlei war
Dr. Hans Heinrich Lammers; Leiter der
Parteikanzlei
Reichsleiter Philipp Bouhler (Ryszka, S. 260)
(164) Ryszka,
S. 6; Fall 3, S. 163.
Ähnliche Ideen vertrat z. B. auch später, am 25. Mai
1944,
Himmler
vor Vertretern
der deutschen Justiz in Cochem. (Bradley F. Smith + Agnes F.
Peterson
(Hrsg): Heinrich
Himmler Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, Propyläen Verlag, Frankfurt/Main 1974, S. 195)
(165)
Domarus, S.
1923 + 1924. Bereits am 08.
Februar 1942, in
einem seiner endlosen Monologe im engen Kreise im Führerhauptquartier
,, Wolfsschanze", hatte sich Hitler über die ,,Zuchthäusler" geäußert: ,,Nach 10 Jahren
Zuchthaus ist der Mensch sowieso für die Volksgemeinschaft verloren. Wer will ihm dann noch
Arbeit geben? Solchen Kerl steckt man entweder in ein Konzentrationslager oder tötet ihn.
In dieser Zeit ist das Letztere wichtiger, um der Abschreckung willen. Um ein Exempel
zu statuieren, muß es auch alle Mitläufer treffen!" (Dr. Henry Picker: Hitlers
Tischgespräche im Führerhauptquartier
1941-1942, Seewald Verlag, Stuttgart 1965, S. 175 +
176)
(166)
Ryszka,
S. 488
(167) Wulf,
S.
305; Raul Hilberg: The Destruction Of The European Jews, Quadrangle Books, Chicago 1967, S. 295;Ryszka,
S. 399
-I-
400; IMT, Band 26, Dokument 654-PS,
S. 201 + 203
(168) Ryszka,
S.
400
(169) Hilberg,
S. 296
(170) In freier
Übersetzung aus dem Englischen.
Zitiert bei Hilberg, S. 643
2° Die Räumung von Haftstätten
(171)
Dr. Richard Thiel in ITS, S. 16 + 17
(172)
ITS, S. 100 (§ 444), 109 (§ 484). Hier steht jedoch
irrtümlich das Darum vom 22. 03. 1944
(173)
ITS,
S. 18 (§56)
(174)
Perk,
S. 100 + 101
(175)
Studien, S.
38
(176)
Generalmajor
a.D. Hans von Ablfen: Der Kampf um Schlesien 1944-1945 Motorbuch
Verlag,
Stuttgart 1977, S. 71
(177)
IMT, Band 37,
Dokument 053-L, S. 486 + 487. Die Abkürzung
„WB" bedeutet Widerstandsbewegung, was sehr bemerkenswert ist. Wollte doch
Himmler nicht einmal, daß
für die Widerständler die Bezeichnung „Partisanen" gebraucht wurde,
sondern nur der Ausdruck „Räuberbande" (Schreiben des HSSPF
Rußland Nord vom 30. Juli 1942)
(178)
Die beiden Städte gehörten nicht zum sogenannten
Generalgouvernement, sondern
Lodz-Radogoszcz lag im Reichsgau Wartheland, Bialystok im Bezirk Bialystok,
der einem Chef der Zivilverwaltung unterstand
(179)
Henkys,
S. 157 + 260
(180)
Henkys,
S. 157 oder
etaillierter bei
Stanislaw Lewicki; Radogoszcz, Ksiazkai Wiedza,
Warszawa 1971,
Biblioteka Pamieci Pokolen, S. 96-105
(181) Dokument NO-2736,
NO-1565, NO-1876, NO-3796
(182) Fränkel, S.
187 + 206
(183) Studien, S. 80
(184)
Studien, S. 84
-I-195. Am 02. April 1945 ermächtigte Himmler den Weimarer
Polizeipräsidenten SS-Standartenführer Schmidt, die Berufsverbrecher
und „für besonders gefährlich erachtete Politische" des KL-Ohrdruf zu
beseitigen. Dagegen ordnete er ausdrücklich an, daß den Juden nichts geschehen dürfe (Eugen Kogon:
Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, Europäische
Verlagsanstalt, Frankfurt/Main 1965, S. 336 + 337). Die erhalten gebliebene
Abschrift des Räumungsbefehls für die Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg vom 14. 04. 1945
trägt die Unterschrift
Himmlers.
Hier
heißt es: „Die Übergabe kommt nicht in Frage. Das Lager ist sofort zu evaku
ieren. Kein Häftling darf lebendig in die Hände des
Feindes kommen. Die Häftlinge in Buchenwald haben sich grauenhaft gegen die Bevölkerung
benommen" (Teodor
Musiol:
Dachau 1933-1945. Instytut Slaski w Opole, Glowna Komisja
Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Wydawnictwo „Slask", Katowice 1968, S. 271). Doch
auch dieser Befehl wurde nicht ausgeführt.
3°
Die geheimen Richtlinien für die Räumung von Justizvollzugsanstalten
(185)
Staatsarchiv Nürnberg, KV-Anklage, Dokumente,
Fotokopien, NG-30, später zitiert
als
Dokument NG-30
(186)
IMT, Band 26, Dokument 654-PS, S. 200-203
(187)
Urteil, S. 75
(188)
Urteil, S. 39 + 40
(189)
Ryszka,
S.
360
(190)
Fall 3, S. 219
(191) Urteil, S. 40
(192)
Dokument
NG-30
(193) Urteil, S. 40-42
(194)
Urteil, S. 42 +
43
(195) Urteil, S. 38 + 79
(196) Urteil, S. 38
(197)
Hubatsch, S. 340 + 341
(198) Urteil, S. 37
(199)
Urteil,
S. 38
(200)
Mitteilung
von Prof. Dr. Thilo Vogelsang vom 19. 11. 1977
(201)
Urteil,
S. Hl
(202)
Domarus,
S. 1924
(203)
Dokument
NG-30 - 12. 02. 1945
(204)
Urteil, S. 44
(205)
Urteil, S. 42
(206)
Dokument NG-30
(207)
Dokument NG-30 (Original sehr
schlecht leserlich)
(208)
Dokument NG-30
(209)
Dokument NG-30
(210)
Dokument NG-30
(211)
Dokument NG-30
(212)
Urteil, S. 51. Der Autor wandte sich
an das Dokumentationsarchiv des
österreichischen
Widerstandes in Wien, um hiervon eine Bestätigung zu
erlangen. Sein diesbezügliches Schreiben vom 13. Februar 1978 blieb leider
unbeantwortet
(213)
Urteil, S. 52-54
(214)
Reimund Schnabel: Le Dossier
des SS, Librairie Academique Perrin, Paris 1967, S. 266-269. Es
handelt sich hier um die Aussage von Hans-Helmut Wolff, Chef der Sipo, der selbst in
die Ereignisse verwickelt war und dessen Angaben nicht durch andere bestätigt oder ergänzt werden konnten.
Gefangenenerschießungen gab es z. B. auch in Hameln a.W. (Aussage von Franz
Zwick)
(215) Urteil, S. 37
IV.
Das Massaker
1°
Die Ereignisse außerhalb Sonnenburgs
(216)
Urteil, S. 78. Eine solche
Unterhaltung wurde auch von Robert Hecker bestätigt (Dokument NG-1401)
(217)
Urteil, S. 40 +41
(218) Fall 3, S. 233
(219)
Dokument NG-30
(220)
Hubatsch,
S. 340
(221)
KTB, S. 1294
(222)
KTB, S. 1045, Eintragung vom 27. Januar 1945
(223)
Urteil, S. 69
(224)
Urteil. S. 64
(225)
Urteil, S. 76 +
78; Fall 3, S. 233
(226) Urteil, S. 64
(227)
Fränkel, S.
196. Hier steht jedoch der 24. Januar 1945 als Datum für Himmlers Ernennung.
Dies wird auch von Guderian, S. 366 bestätigt. Jedoch trat die Bildung
der Heeresgruppe Weichsel erst am 25.
Januar 1945 um 0.00 Uhr in Kraft (KTB, S. 1037). Aus diesem Grunde wurde der 25. Januar zurückbehalten
(228) Hubatsch, S. 340
(229) Urteil, S. 65
(230) Urteil, S. 73
(231)
Hubatscb,
S. 340
(232)
Urteil, S. 70;
Dokument NG-30
(233)
Urteil, S.
61 + 87
(234) Hubatscb, S. 340; Dokument NG-30, Urteil, S. 64
(235) Urteil, S. 64
(236) Urteil, S. 85
(237)
IMT, Band 33, Dokument 3838-PS, S.
196
(238)
IMT, Band 28, Dokument 1751-PS, S.
45 + 47
(239)
Urteil, S. 65, 83, 85, 86
(240) Hubatsch,
S. 340; Dokument NG-30
(241)
Urteil, S. 55
(242)
Urteil, S. 108
(243)
Dokument NG-30
(244)
Urteil, S. 60 + 61
(245)
Michel
Borwicz:
£crits des condamnes ä mort sous l'occupation nazie
(1939-1945), Edi-
tions Gallimard, Paris 1973, S. 145 + 146
(246)
Hilbert,
S. 216
(247)
Urteil, S. 62
(248)
Urteil, S. 41
(249)
Urteil, S. 87
(250)
Urteil, S. 23 + 93
(251)
Urteil, S. 87 + 88
(252) Urteil, S. 94
(253)
Urteil, S. 89
(254)
Urteil, S. 87
(255)
Urteil, S. 58, 87, 89
(256)
Urteil, S. 91 + 92
(257)
Urteil, S. 61 + 87. Fall 3, S. 104
enthält eine in einigen Einzelheiten leicht abweichende
Darstellung dieser Unterhaltung
(258)
Urteil, S. 18
(259)
Przemyslaw Mmchowski: Swiecko-Schwetig,
Miejsca Pamieci Narodowej Woje-wodztwa gorzowskiego, S. 26
(260) Urteil, S. 90
(261) Henkys, S. 221 + 222. Über den Notstand und Nötigungszustand
bei der Ermordung von Juden in
Vernichtungslagern, siehe Adalbert Rückerl (Hrsg):
Nationalsozialistische Vernichtungslager
im Spiegel deutscher Strafprozesse. Belzec, Sobibor, Treblinka, Chelmno.
dtv, München 1978, S. 316-324
(262) Robert KaU: Mord in Rom,
Kurt Desch Verlag, München 1968, S. 138 + 139; einige andere Beispiele von Befehlsverweigerungen bei Henkys,
S. 222 + 223
(263) Henkys, S. 222 +
223
(264) Urteil, S. 87, 88 + 93
(265) Urteil, S. 90, 91 + 96
(266) Urteil, S. 96 + 97
(267) Urteil, S. 95
(268) Nach Nickel bestand das Kommando
aus 20-24 Personen. Während Mietke das Kommando auf 10 Mann schätzte, gab der Zuchthausleiter Knops
die Kommandostärke mit 30, der
Aufsichtsbeamte Fiedler mit 30-40 Mann an. Ähnliche Angaben wie
Nickel
machten Wobser (20 Mann) und Arndt sen.
(17 Mann) (Urteil, S. 94). Von 17 Männern berichtete
auch der stellvertretende Anstaltsleiter Rurig (Aussage)
(269)
Urteil, S. 88 + 91. In den
Arbeitserziehungslagern, die den Stapo (leit)stellen unterstanden und deren
Lagerleiter Angehörige der Staatspolizei waren,
wurde die auch von den Stapo (leit)stellen verhängte Arbeitserziehungshaft
vollstreckt. „Die Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse für die Insassen
sind im allgemeinen härter als in einem Konzentrationslager. Dies ist notwendig, um den
gewünschten Zweck zu erreichen, und
möglich, da die Unterbringung der einzelnen
Schutzhäftlinge im allgemeinen nur einige
Wochen, höchstens wenige Monate, dauert" (Kaltenbrunner
dixit). Die Festnahmezeit
betrug zuerst 21, später 56 Tage. In den
Arbeitserziehungslagern befanden sich Auslän
der aller feindlichen, aber auch sogenannt befreundeter Nationen sowie
Deutsche (In
ternationaler Suchdienst: Vorläufiges Verzeichnis der Konzentrationslager und
deren
Außenkommandos sowie andern Haftstätten unter dem
Reichsführer SS in Deutschland
und deutsch besetzten Gebieten (1933-1945),
Arolsen 1969, Band I, S. XXXIV-XXXIX).
(270)
Internationaler Suchdienst, S.
502. Der Suchdienst datiert die Schließung des AEL-Schwetig, auf Grund einer Häftlingsaussage, auf den 21.
Januar 1945. Alfred Donath dagegen gibt den 30. Januar 1945 an (Aussage);
Vize-Staatsanwalt Mnichowski, Swiecko,
S. 26, der die Vorkomnisse im AEL-Schwetig untersuchte,
hält seinerseits den 31. Januar
1945 für die Räumung fest
(271)
Mnichowski.
Swiebodzin Brojce 1942-1945, S. 6,
8, 16. Internationaler Suchdienst, S.486
(272)
Internationaler Suchdienst,
S. 491, 494,
498 + 499
(273) Les Sacrifies", Nr. 10/1970
(274)
Burkhart
Müller-HUUbrand:
Das
Heer 1933-1945, Band III, Verlag E.S. Mittler &
Sohn, Frankfurt/Main 1969, S. 183 sowie mehr im
Einzelnen bei Gerald ReitUnger: Ein
Haus auf Sand
gebaut. Hitlers Gewaltpolitik in Rußland
1941-1944, Mohn & Co Gü-tersloh, o.J-, S. 373-464 und
besonders Jürgen Thorwald: Die Illusion. Rotarmisten in Hitlers Heeren, Droemer Knaur, München 1976. Dieser
Autor schätzt ihre Zahl zeitweilig auf eine
Million (S. 15, 17, 20). Nach ihm wurden die beiden Divisionen auch als 1., 2. russische resp. Wlassow-Division bezeichnet (S.
267 + 268)
(275) Aussage PCK-15.828
(276)
Urteil, S. 100 +
130
(277)
Thorwald,
S. 283-285
(278)
Aussage
PCK-15.828
(279)
Aussage Jozefa Gadomsk
(280)
Urteil, S. 110.
Hauptwachtmeister Rudolf Fiedler gab für die
Ankunft des SS-Kommandos 20.30 Uhr an. Das Kieler Landgericht verfügte aber
in diesem Punkte über bessere
Kontrollmöglichkeiten, daher folgte der Autor dessen
Angaben.
(281)
Domarus,
S. 2198
2°
Die Ereignisse in Sonnenburg
(282)
Aussage von Gertrud Leppin,
Dokument NG-741. Die vagen Zeitangaben der verschiedenen Zeugenaussagen
erlauben keine genaue Chronologie der nun folgenden Ereignisse.
Öfters gibt der Autor die Reihenfolge an, die ihm am
wahrscheinlichsten schien. Bei
dieser Methode sind selbstverständlich Irrtümer nicht
auszuschließen
(283)
Aussage von Walter
Glasneck
(284)
OKBZH - M-891 kl 00366. Nach dem
Kieler Gerichtsurteil fand die Ankunft der
Wronker Häftlinge, und zwar der gesamten übriggebliebenen
Belegschaft, etwa 600
Mann, bereits am 23. Januar 1945 statt (Urteil, S.
104). Das Gericht berief sich hierbei auf die Aussage des Wronker
Gefängnisvorstehers, der seinerseits sich auf seine schriftlichen
Aufzeichnungen vom 10. Februar 1947 stützte (Urteil, S. 108). Über den erwähnten Vermerk befragt, bestätigte er die „ungefähre
Richtigkeit" der darin enthaltenen
Zahlen, wobei er allerdings eventuelle Übermittlungsfehler nicht ausschloß.
Wahrscheinlich aus diesem Grunde hielt sich das Landgericht
an die Aussage von Jörg, dessen
Zahlenangaben nicht wesentlich von denen des Vermerks
abweichen. Weil die Kieler
Akten dem Autor nicht zugänglich waren, konnten die
beiden Dokumente nicht kritisch
miteinander verglichen werden. Jedoch mutet es seltsam
an, daß nach/örg bereits am 23.
Januar 1945 die gesamte übriggebliebene Wronker
Belegschaft Sonnenburg erreichte,
während er dagegen erst zwei Tage später, abends um
20.45 Uhr, dem Reichsjustizmini
sterium mitteilte, daß nur ein kleiner Teil in Sonnenburg ankam, wobei er
Angaben über
den Aufenthalt der andern Teile des Trecks machte. Weil
Jörg keine grundlegende Bedenken dem Vermerk gegenüber anmeldete und weil das
Dokument zeitnaher ist als die
Aussage, zog der Autor den Vermerk vor
(285)
OKBZH - M-891 kl 00366; Aussage von
Walter Glasneck. Das Dokument g.bc etwa
1 100 Männer an. Nach Addieren der verschiedenen Einzelangaben
erhalt man jedoch
die Zahl 1 098
(286)
Urtew, S. 104 + 105
(287)
OKBZH - M-891 kl 00366; Birnbaum = Miedzychod
(288) Aussage
(289) OKBZH-M-891 kl
00366
(290) Urteil, S. 65
(291)
OKBZH - M-891 kl 00366
(292) Urteil
S 104 + 105
(293)
Dieses Treffen dürfte am 26. oder 27. Januar
1945 stattgefunden haben als die Rote Armee im
Oder-Warthe-Bogen angriff und sich eine Gefahr für Sonnenburg abzeichnete, so
daß eine
Räumung der Anstalt ins Auge gefaßt werden mußte
(294)
Urteil, S. 27
(295) Urteil, S. 104
(296) Urteil, S. 65
(297) Es kann
weiter nicht ausgeschlossen werden, daß die beiden Besprechungen mit
Knops
und Jörg
an einem und demselben Tage
und zwar am 28. Januar 1945 stattfanden
(298) Urteil, S. 105 + 106
(299) Urteil, S. 89
(300) Aussage von Walter Glasneck. Hierbei handelte es
sich wahrscheinlich um eines der vie
len falschen Gerüchte,
wie sie im Kriege so häufig sind, denn der Vorstoß bei Meseritz
fand
erst einen Tag später statt (KTB, S. 1057)
(301)
Aussage von Pierre Lacotte zitiert
in Rapatriement
(302)
Urteil, S. 106. Das Datum vom 29.
Januar 1945 für diese Information ist nur eine An
nahme
(303)
Aussage von Georg Rung. Diese
Beratung wird im Kieler Urteil nicht erwähnt,
wie
überhaupt bei diesem Prozeß die von Polen gelieferten
Unterlagen wenig Verwendung
fanden. Trotzdem hatte der Autor keine Bedenken, an der
Richtigkeit der Konferenz zu
zweifeln. Sie paßt in den allgemeinen Kontext
(303a) Auch in diesem Falle ist das Datum nur eine Annahme,
da der genaue Zeitpunkt des Telefongespräches nicht mehr
festgestellt werden konnte. In einer Vernehmung von 1957 sprach Knops „von
einigen Tagen" vor dem 30. Januar 1945; Senatspräsident
Hecker seinerseits will in einer eidesstattlichen Erklärung
erst am 30. Januar 1945 ein Telefongespräch
entgegengenommen haben (Urteil, S. 106; Aussage von Robert Hecker, Dokument NG-1401)
(304)
Aussage von Robert Hecker, Dokument NG-1401
(305)
Dokument NG-30
(306)
Urteil, S. 106
(307) Urteil, S. 140 + 141
(308) Urteil, S. 141
(309) Fall 3, S. 165
(310)
Urteil, S. 107
(311) Aussage
(312) Aussage von Armand
Mombaerts
(313) Aussage von Georg
Rung
(314) Urteil, S. 107
(315) Urteil, S. 82
(316)
Jörg
gab etwa 500 männliche Gefangene an. Nach OKBZH - M-891
kl 00366 belief sich am 25. Januar 1945 die Zahl
der Wronker Häftlinge auf 540
(317) Urteil, S. 107-109
(318) Aktenvermerk Eggenspergers (Urteil, S. 65). Betriebsleiter
Blauert
berichtete in Kiel, daß er diesen
Auftrag am Nachmittag, noch vor der Ankunft des SS-Kommandos erhielt (Urteil, S. 108). Dem steht die Aussage von Pierre Lacotte
entgegen, der das Abschlachten vom Vieh bereits auf den Morgen verlegt
(Rapatriement). Dies ist auch viel logischer da Knops
bekanntlich bereits am Morgen von den Erschießungen und Aussonderungen erfuhr und sicher sofort mit den Vorbereitungen für den
Abmarsch begann, da ihm nicht mehr viel Zeit
verblieb. Wenn ein dritter Zeuge (bei Francis Ambriere, Emmanuel Berl,
General Beaufre, Georg Buis, Francois Coulet, Marie-Madeleine
Fourcade, General
Gambiez,
Jean Marin, Jacques Meyer, Christian Pineau,
Marcel Prenant, Michel Riquet,
Jacques Soustelle, Maurice Toesca, Vercors: Vie
et Mort des Francis 1939-1945, Hachette, Paris
1971, S. 353) erst am Nachmittag hiervon erfuhr, so kann das Schlachten doch bereits früher begonnen haben
(319) Aussage in Rapatriement. Dasselbe
behauptete auch ein anonymer Zeuge zitiert bei
Ambriere,
S.353
(320) Aussage von Walter
Glasneck
(321) Urteil, S. 108
(322) Urteil, S. 110; Aussage von Rudolf
Fiedler
(323) Aussagen
(324) Urteil, S. 110-113
(325) Urteil, S. 113; Aussagen von Paul Klitzing
und Rudolf Fiedler
(326) Urteil, S. 113
(327)
Aussage von Paul
Klitzing.
Übersetzung aus dem Französischen. Vielleicht pochte
Klitzing aber auch so auf die großen Befugnisse von Nickel, um seine
weiteren Handlungen
mit dem Befehlsnotstand zu erklären. Dies verhinderte
jedoch nicht, daß die Beamten
sich erfolgreich und ohne jede Bestrafung einer
direkten Beteilung an den Erschießungen
widersetzten
(328)
Urteil, S. 113
(329) Aussage von Walter
Glasneck
(330)
Dokument NG-30
(331)
Urteil, S. 111. Georg Rung, der
aus leicht verständlichen Gründen diese Besprechung
nicht erwähnte, will bei einer Unterredung mit Nickel vor dem Büro der
GefangenenAufnahme sich erfolgreich mit dem Einwand, daß die Beamten nur zur
Aufsicht bestimmt waren, geweigert haben, daß sich die Beamten an
der Aussonderung beteiligen
mußten, was aber ganz unglaubhaft ist (Aussage)
(332)
Urteil, S. 113 + 114. Die Zahlen
150-180 dürften
zu hoch liegen, da, wie noch zu beweisen ist, nur etwa 150 überlebten. Die Eile bei der
Sichtung der Gefangenenkartei wurde
auch von Rudolf Fiedler bestätigt (Aussage)
(333) Urteil, S. 1U
(334) Aussage
(335) Urteil, S. 108
(336) Urteil, S. 65
(337)
Dokument NG-30. Der Militärgerichtshof
III
der Vereinigten
Staaten hielt fälschlicherweise in der
Anklage im sogenannten Juristenprozeß fest, daß „politische Gefangene
deutscher Staatsangehörigkeit, eine Anzahl Russen, ferner Frauen und Kinder,
die man auf Fußmärschen von Gradna aus dorthin gebracht
hatte" kaltblütig erschossen wurden (Fall 3,
S. 101 + 102). Hierbei handelte es sich aber um eine falsche Auslegung der Aussage von Frau Gertrud Leppin (Dokument
NG-741). Gradna = Grodno
(338)
Aussage
(339)
Urteil, S. 65
(340)
Urteil, S. 140
(341) Aussage
(342) Fourcade, S.
699
(343) Urteil, S. 106
(344)
Aussage
(345) Urteil,
S. 115
(346) Urteil, S. 64. Dies hatte
Generalstaatsanwalt Haussen durch telefonische Rückfrage
beim Festungskommandanten in Küstrin erfahren
(347)
Urteil, S. 129.
„Der Schnee liegt zentimeterhoch" (Pierre Lacotte
in Rapatriement)
(348) Aussage von Paul Klitzing; Urteil,
S. 115
(349)
Urteil, S. 115
(350)
Aussage von Georg
Rung
(351) Urteil, S. 118
(352) Nicht sämtliches
Vieh wurde geschlachtet und auch nicht alle Papiere wurden verbrannt,
wie wir bereits sahen. Auch die geheimen Richtlinien
sahen wenigstens die Erhaltung der
aus den Personalakten herausgetrennten Vorblätter und
Vollstreckungsunterlagen vor
(Dokument NG-30)
(353) Aussage von Pierre Lacotte in
Rapatriement
(354)
Aussage von Leon
Esseler
(355)
Aussage von Walter Glasneck. Die
Zahl von 120 Ausgesonderten ist zu niedrig gegriffen,
wie wir noch
sehen werden
(356) Aussage von Jozef
Wojcik
(357) Aussage
(358) Aussage
(359)
Aussage
(360)
Urteil, S. 118
(361)
Urteil, S. 126
(362) Urteil, S. 112
(363) Aussage von Paul
Klitzing
(364)
Fast gleichlautende Aussagen von
Glasneck, Esseler,
Rung, Gadomska, Lacotte, Fiedler,
Chaussy
(10.30 Uhr, später jedoch geändert).
Bei abweichenden Aussagen, wie z. B.
Frau
Leppin 24 Uhr, muß es sich um einen Erinnerungsfehler handeln
(365) Urteil,
S118 + 119. Wenn Zwick von Gruppen von 20 Häftlingen redete und das
Abschleppkommando mit 10 bezifferte, so liegt hier wahrscheinlich eine
Verwechselung vor (Aussage)
(366) Aussage. Wahrend der Erschießungen mußte Glazneck mit eingen Kameraden
Lebensmittel aus der Küche auf die Wagen der außerhalb der Mauer stehenden
Beamtentrecks verladen. Hierbei durchschritt er wiederhols den Holzehof und er
konnte er den Hergang der Exekution beobachten.
(367) Urteil, S 119 + Lageplan - März 1944
(368) Aussage von Walter Glazneck, Wilhelm Nickel in "Kieler
Nachrichten" - 09. 01. 1971. Aussage von Jean-Pierre Chaussy.
(369) Laageplan - März 1944
(370) Urteil, S. 119 + 120. Ob
auch einselnen Gefangenen die Hande gefesselt werden, wie aus "Ogonick" Nr. 35
vom 02. IX. 1945 hervorgeht, war nicht mehr festzustellen.
(371) Aussage: siehe auch Anmerkung 364. Aussage von Jean-Pierre Chaussy, der
jedoch nicvht von Knien, dagegevn aber von Liegen redet.
(372) Aussage von Jean-Pierre Chaussy, Urteil S. 120
(373) Urteil, S. 121
(374) Aussage von Walter Glazneck
(375) Urteil, S. 121
(376) OKBZH - 54/70
(377) Urteil, S. 121
(378) Aussage von Walter Glazneck
(379) Urteil, S.121
(380) OKBZH - 63/70
(381) Aussage von Rudolf Finkler
(382) So redeten Walter Glazneck und Franz Zwick von 10 Mann.
Pierre Lacotte seinerseits berichtete von etwa 20 Häftlingen. Das Zahl 20
wurde noch von Adolf Peitzer bestätigt. Nach Louis Steelandt
dagegen warenes darin 24, wâhrend Jean-Pierre Chaussy zuerst von 23
wußte, später redet er dagegen nu nloch von 10 Häftlingen (Aussagen)
(383) Aussage
(384) Urteil, S. 121
(385) Urteil, S. 121
(386) Aussage
(387) Urteil, S. 120
(388) Aussage von Witkoslaw Lecek
(389) Urteil, S. 120; russischer Film; Aussage von Jean-Pierre Chaussy
(390) Urteil, S. 121
(391) Aussage
(392) Zitiert in Rapatriement
(393) Mnichowski - Swiecko, S. 26
(394) Urteil, S. 112
(395) Aussage von Armand Mombaerts
(396) Aussage von Wiekoslaw Lecek
(397)
Urteil, S. 127
(398) Urteil, S. 125
(399)
Aussage; Urteil, S. 126
(400)
Aussage; Urteil, S. 126
(401)
Urteil, S. 128
(402)
Aussage
(403)
Aussage
(404)
Aussage
(405)
Aussage
(406) Urteil, S. 124
(407)
"Kieler Nachrichten" - 28. 01. 1971
(408)
Dokument NG-741
(409)
Pierre Lacotte in
Rapatriement will ab und zu Kanonendonner in
östlicher Richtung vernommen haben; desgleichen Jean-Pierre Chaussy (Aussage)
(410) Urteil, S. 124
(411)
Urteil, S. 125
(412)
Urteil, S. 111
(413)
Aussage
(414)
Aussage von Walter Glasneck; Urteil,
S. 125
(415)
Aussage
(416)
Urteil, S. 126
(417)
Urteil, S. 128
(418)
„Kieler
Nachrichten" -28. 01. 1971
(419)
Urteil, S. 99
(420)
Aussage von Wiekoslaw
Lecek
(421)
Aussage
(422)
Urteil, S. 99 + 100
(423)
Urteil, S. 101
(424)
Urteil, S. 65
(425)
Urteil, S. 97, 99, 100
(426) 700 Mann (Thum + Peitzer),
etwa 730 (Rung), ungefähr 800 (Anonym bei Ambrière); über 800
(Lacotte); 840 (Fiedler + Chaussy; später dagegen 400-500 und
mehr); 850 (Zwick). Als Léon Esseler für kurze Zeit das
Bewußtsein wiedererlangte, hörte er jemanden sagen: "Es kommen noch 600 an die
Reihe". Der Militärgerichtshof III im Juristenprozeß seinerseits legte sich
auf keine henaue Zahl fest: 600-800, 700-800, etwa 800, 800, über 800 (Fall 3,
S. 101, 223, 228, 233, 234). Dagegen ist die angabe von Wojcik mit 1 00
Toten offensichtlich zu hoch gegriffen.
(427) Urteil, S. 122. Der ukrainische Überlebende wird in
den östlichen Veröffentlichungen verschwiegen (Mnichowski-Slonsk, 1. Ausgabe,
S. 14, 2. Ausgabe, S. 16, 3. Ausgabe, S. 24; Rissische Zeitung "Ogoniok" Nr.
35 - 02. 09. 145)
(428)
Es ist aber auch möglich,
daß dieser
Kowalenko
zum Treck der Überlebenden Rehörte-die vorliegende französische Übersetzung ist nicht
präzis genug
(429)
Aussagen von Léon Esseler und Angaben von seiner
Mutter vom 20. September 1973
(430)
Aussage; Urteil, S. 122 + 123
(431)
Aussage
(432)
Jacek Wilczur:
Anglosasi, nie jestescic Aryczykami, Warszawa 1964, S. 93 + 94- Stanislaw
Okecki: Cudzoziemcy w polskim ruchu oporu 1939-1945, Interpress Warszawa
1975, S. 26 + 27
(433)
Aussage von Jean-Pierre Chaussy
(434) PCK- 15.828
(435)
Auch in einem
in Luxemburg erschienenen Artikel geht Rede von verschiedenen
Überlebenden, worunter sich auch ein Luxemburger befand.
Nach dem Autor des Artikels
stammen diese Angaben von dem überlebenden Luxemburger
(Phil. Wietor: Streiflichter
durch die Luxemburger Resistenzgeschichte, in UPAFIL.
Section d'Esch-sur-Alzette et
environs. Inauguration du Drapeau le 31 mai 1969 ä
Esch/Alzette. Imprimerie Aug.
Wagner, Esch/Alzette, S. 50).
(436)
„Les Sacrifies", Nr. 10/1970
(437) OKBZH
- 63/70
(438)
OKBZH
- 54/70
(439)
OKBZH - 58/70
(440)
PCK- 15.828
(441)
Fourcade,
S. 699
-I-
704
(442)
OKBZH - 2/71; Gespräch mit Olgierd Kowalewski. Frau Thum ihrerseits
berichtete,
daß am 31. Januar 1945 die Gebäude des Zuchthauses
intakt waren.
(443)Eine Kopie des Filmes befindet sich
im Besitze der Föderation des Victimes du Nazisme
enrölees de Force, Luxemburg
(444)
OKBZH - 54/70
(445) Rapatriement
(446)
„Die
nachfolgende Infanterie bestattete die Toten und äscherte die Stätte des
Grauens
ein." So Robert Bruch: Bonneweg von Caesar bis Patton, in
„Bonnevoie - 8 septembre
1957" - Plaquette editee par l'Entente des
Societ.es
de Bonnevoie ä
l'occasion de l'inauguration du Monument aux Morts des deux guerres
mondiales, Imprimerie Raymond Zierden, Luxembourg-Bonnevoie 1957, S. 115, ohne
daß er aber hierfür den Beweis antrat
(447) Aussage; auch später dem Autor in einem Gespräch bestätigt
(448) OKBZH - 63/70
(449) Rapatriement
(450) Die beiden Massengräber wurden nicht von der norwegischen
Gräberkommission untersucht, weil die Mission für ihre beiden Besuche in
Slonsk (1947 + 1948) nur für ganz wenige Tage Aufenthalts - und Arbeitsgenehmigung in
Polen hatte. Seit 1948 wurde keine neue Genehmigung mehr erteilt (Mitteilung E. Syvertsen,
Krigsgravtjenetten vom 13. 10. 1970). „Bisher haben die russischen Behörden
weder Ausgrabungen noch Leichenüberführungen gestattet." („Ons Jongen",
Nr. 13 - 30. 06. 1946).
(451)
1.00 Uhr (Fiedler), 1.15
(„Ogoniok", Nr. 35 - 02. 09. 1945), 1.30 (Chaussy), 2.00
(Glasneck),
3.00 (Lecek),
gegen 4.00 (Esseler), um 5.00 (Gadomska). „Die Aktion dauerte vier bis fünf Stunden" (Müller in
„Kieler Nachrichten" - 28. 01. 1971). Hingegen dürfte
es sich bei einer Aussage, daß noch am Nachmittag des 31. Januar 1945
anhaltende Schüsse gehört wurden, um einen
Irrtum oder um einen Erinnerungsfehler handeln (Urteil, S. 122)
(452) OKBZH - 67/70
(453) Von 22.00 Uhr bis 2.00 Uhr sind es 4 Stunden. Bei 823
Opfern hätte der Exekutionsvorgang, wenn man jede Pause ausschließt, pro zehnköpfige
Gruppe etwa 3 Minuten gedauert, was theoretisch möglich ist. Dies entspricht
etwa den Angaben von Rudolf Fiedler
(3.30
Stunden) und von Helmut Müller (4-5 Stunden, „Kieler Nachrichten"
vom 28. 01. 1971). 2-3 Stunden, wieRung annahm, ist
doch etwas zu kurz gegriffen (Aussage)
(454)
Urteil, S. 131
(455)
Aussage von Jean-Pierre
Chaussy
(456) Urteil, S. 64 +65. OStA =
Oberstaatsanwalt. Der richtige Titel von Hanssen lautete auf
Generalstaatsanwalt.
Der Verteiler war also Thierack, Klemm, Vollmer, Engert und
Hecker. MD =
Ministerialdirektor,
Stürz
= Stürtz. Zum
Vermerk siehe auch Aussage von Eugen Eggensperger (Dokument NG - 1484 V)
(457) Aussage von Jozefa Gadomska; Urteil,
S. 72
(458) Aussage von Eugen Eggensperger (Dokument
NG - 1484
V).
In Fall 3, S. 102 ff z. B.
wird fälschlicherweise immer Eggensberger
geschrieben
(459) Lacottes
Zeitrechnung klappt nicht. Gegen 20
Uhr erschien der Wächter. Zwei Stunden
später erhielt er neue Kleider. Also könnte er nur
gegen 22 Uhr Schüsse gehört haben. 22
Uhr betrachtet der Autor auch als Beginn der
Erschießungen
(460)
Pierre Lacotte in Rapatriement. Diese
Aussage stimmt in den meisten Punkten fast
wortwörtlich mit einer anonymen Aussage überein, die bei Ambriere,
S. 353 + 354 veröffentlicht wurde
(461) 120 (Glasneck, Frau
Thum),
± 150 {Fourcade, S. 699), 150
(Fas, Chaussy,
Fiedler, Stee-landt,
Anonym bei Ambriere, S. 354), 160 (Richter -
Urteil, S. 129), 170 (Lacotte), 200 (Aktenvermerk
Eggensperger; Landgericht Kiel), 250 (Reche)
(462)
Aussage von Georg
Rung
(463) Aussage von Paul
Klitzing
(464) Ausage von Georg Rung. Rung redete
von 57 Frauen. Der Autor jedoch glaubt die Zahl 56 aus dem
Vermerk von Eggensperger vorzuziehen, da diese Angabe zeitnaher ist
(465) Aussage von Rudolf
Fiedler
(466) Aussage von Georg Rung; Angaben
Städter
in
Urteil, S. 129 + 131
(467) Dies würde
bedeuten, daß der Konvoi auf dem Punkte war, Sonnenburg zu verlassen
(468) Urteil, S. 130 + 131
(469)
Urteil, S. 129; Aussage von Rudolf Fiedler;
Chaussy: ". . . zirka eine halbe Stunde später setzte sich der Zug ... in Bewegung."
(470)
Gegen 1.00 Uhr (Zwick), gegen
2.00 Uhr (Lacotte); gegen 2.30 Uhr (Fiedler); gegen 3.00
Uhr (Glasneck);
gegen 4.00 Uhr (Reche, Aussage bei Ambriere, S. 353)
3°
Geschehnisse nach den Erschießungen
(471) Urteil,
S. 129
(472) Urteil, S. 109
(473)
Aussage
von Franz Zwick
(474)
Aussage
von Louis Steelandt
(475)
Aussage
von Franz Zwick
(476)
Aussage
von Jean-Pierre Chaussy
(477)
Aussage
von Louis Steelandt in Rapatriement
(478)
Aussage von
Ewald Reche
(479)
Aussage von Franz
Zwick
(480)
Aussage von Ewald
Reche
(481)
Pierre Lacotte in Rapatriement; Urteil, S. 130
(482)
Aussage von Walter
Glasneck
(483)
Pierre Lacotte in Rapatriement
(484)
Aussage von Walter
Glasneck
(485)
Aussage von Rudolf
Fiedler
(486)
ITS - Schreiben Hist. Nr. 6 184 - 22. 12. 1970
(487)
Roger
Anzta:
„Erennerongen un d'Ströflager Wittenberg", in
„Ons Jongen", Nr. 4 -
15. 02. 1947
(488)
Aussagen
von Paul Klitzmg, Georg Rung und Frau Thum
(489)
Aussage von Ewald
Reche
(490)
Aussage von Frau
Thum
(491) Aussagen von Leon
Esseler +
Wiekoslaw Lecek
(492) Aussage von Wiekoslaw
Lecek
(493) Aussage von Jozef Wojcik
(494)
Aussagen von Olgierd Kowalewski +
Jozef Wojcik
(495)
Herr Kowalewski erfuhr erst
in einem Gespräch mit dem Autor, daß noch vier
andere
Gefangene in Sonnenburg überlebten
(496)
Aussage von Leon
Esseler
(497)
Urteil, S. 123
(498)
Über
den ukrainischen Nationalismus besonders John A. Armstrong: Ukrainian
Nationalism, Columbia University Press, New York and London
1963
(499)
Aussage von Leon
Esseler
4° Und die Schuldigen?
(500) Henkys, S. 256; Domarus,
S. 1904
(501) Fall 3,
S. 315
(502)
Urteil, S. 78
(503)
Urteil, S. 38 + 79; Fall 3, S.
110
(504)
Urteil, S. 42 + 80
(505) Urteil, S. 27 +
28
(506) Urteil, S. 8, 104 + 106
(507) OKBZH - 58/70
(508) Aussage von Olgierd Kowalewski
(509)
Aussage von Rudolf
Fiedler;
(510)
Aussage von Rudolf Fiedler; OKBZH - 53/70
(511) Aussage von
Rudolf Fiedler
(512) After The Battle, No 14/1976, S.
31-35 (S. 35 steht fälschlicherweise 23.14 Uhr);
No
17/1977, Deckblatt
(513) Werner Maser:
Nürnberg - Tribunal der Sieger,
Econ-Verlag, Düsseldorf 1977, S. 136;
Gustave M. Gilbert: Nürnberger Tagebuch, Fischer Bücherei, Frankfurt/Main
1977,
Band Nr. 1885, S. 435; Joe J. Heydecker
+ Johannes Leeb: Der Nürnberger
Prozeß,
Kiepenheuer & Witsch, Köln 1959, S. 505 + 521
(514) Henkys,
S. 240
(515) Hilbert, S. 710
(516) Urteil, S. 1, 2 + 131
(517)
Das Aktuelle Lexikon, C. Bertelsmann
Verlag, Gütersloh 1956, S. 347 (Gauleiter)
(518) Aussage von Bjørn
Egge
(519)
Aussagen von Przemyslaw Mnichowski
+
Bjørn Egge
5° Die Luxemburger in Sonnenburg
(520)
z. B. Henry
Brym
(521)
Roby Glesener:
Dem Vergiessen entreissen. D'Stad Remeleng an der Letzeburger Resistenz 1940-1945,
Imprimerie Cooperative Luxembourgeoise, Esch-Alzette 1970, unter
Nie. Bausch.
Eine
Überprüfung dieser Angaben durch die
Föderation des Victimes du
Nazisme enrolees de Force führte zu keinem Ergebnis
(522)
Das Dokument wurde dem Autor von dem Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin
übermittelt
(523)
So nach einem undatierten Bericht des Commissariat au Rapatriement. Das
entsprechende Dokument
konnte jedoch nicht vom Autor aufgefunden werden
(524)
Die Strafakten befinden sich als
Anlage zu den Prozeßakten Nr. 32/51 gegen
Stuckenbrock, Fürnholzer, Kimmungen,
Steffen, Modolin
und Rolgen
vor dem luxemburgischen Gericht für Kriegsverbrechen
(525)
Schreiben Nr.
I
40-1184/72 vom 06.
Februar 1973
(526) Aus den vorliegenden Unterlagen
ist nicht immer klar ersichtlich, ob es sich um das Abreisedatum
oder um die Ankunft in Sonnenburg handelt, so daß es sich bei zwei verschiedenen Daten um einen und denselben
Transport handeln kann. Des weiteren betrug die Reisedauer von
Papenburg nach Sonnenburg drei Tage (Aussage von Johann
Lichenstöger)
(527)
Laut seiner Aussage war der Tag der Abreise aus dem Emsland der 21. November
1944 und der Ankunft im
Zuchthaus Sonnenburg der 24. November 1944.
(528) Undatierter
Bericht des Commissariat au Rapatriement. Aus den dem Autor vorliegenden Aussagen von Chaussy ergibt sich
eine andere Zahl. Jedoch wurde hier die Zahl des Rapatriement eingesetzt, da dieses Amt bessere
Kontrollmöglichkeiten
besaß als der Autor
(529) Akte Sonnenburg des
Commissariat au Rapatriement
(530) Unterlagen im
Besitze des Verfassers. Bei dem unter Anmerkung
(529) erwähnten Augenzeugen dürfte es sich um den genannten Franz Zwick
handeln, der nach Kriegsende
in Hameln a.d. Weser wohnte
(531)
OKBZH w
Zielonej Gorze - 1/71; auch veröffentlicht bei
Wilczur, S. 95 + 96; sowie die
Akten des Polnischen Roten Kreuzes (AZG-PCK - 15.828)
(532)
Akte Sonnenburg
des Commissariat au Rapatriement
(533)
Perk,
S. 91
(534)
Aussage von Mathias Allard + Eugene
Allard
(535) Aussage von Stefan Gerlach (ITS). Bei diesem Datum kann es sich
aber auch um einen
Erinnerungsfehler
handeln, denn nach den im Bundesarchiv, Zentralnachweisstelle, in
Kornelimünster aufbewahrten Akten, entwich Eugene Steffen am
25. November 1943
aus einem der Moorlager. Er wurde bis Kriegsende nicht
wieder aufgegriffen (Schreiben
Nr.
I
40-1184/72 vom 06. Februar 1973)
(536) Aussage von Jean-Pierre
Chaussy
(537) Urteil, S. 121
(538)
Rapatriement
(539)
AZG-PCK - 15.828. Im Text steht 42 x
4 Schritte
(540)
Aussage von Olgierd Kowalewski. Auch
später wurden noch Unterlagen von der Roten
Armee gesammelt, aus denen hervorgeht, daß
möglicherweise der Luxemburger Henri
Reinesch
zu den
Erschossenen gehört („Ogoniok" Nr. 35 - 02. IX. 1945)
(541) Schreiben vom 12. Mai 1971
(542)
AZG-PCK - 15.828
(543) Aussagen von Walter Glasneck + Pierre
Lacotte (in Rapatriement)
(544)
Aussagen von Georg Rurig + Frau Thum.
Letztere redete auch noch von einer Abwicklungsstelle von Sonnenburg, die
sich in Berlin-Tegel befand
(545)
Deutsches Zentralarchiv, Potsdam vom 27. 12. 1971,
Aktenzeichen 51.34/Gr/Si und
Staatsarchiv Potsdam vom 07. 07. 1972, Aktenzeichen 12.03./l 14 Le/Ho
(546)
Dies war z. B. der Fall für den Österreicher Lichtenstöger,
der am 18. Januar 1945 begnadigt
wurde,
um wieder Soldat zu werden (Aussage)
(547)
Aussagen von Camille Samson + Pierre
Prevost
(548)
Aussage von Georg
Rurig
(549)
Fourcade,
S. 691 und ihr Schreiben an den Autor vom 03. Juni 1971. Weitere Einzelheiten bei F. E. Rodriguez
(550)
Aussage von Stanislaw Zloaak (AZG-PCK - 15.828)
(551) Rapatriement
(552)
OKBZH - 5/71
(553)
Bruch,
S. 99. Der Teil
über Sonnenburg wurde später sowohl unter dem Titel:
Vor 15 Jahren. Opfergang in Sonnenburg, von der Ligue Luxembourgeoise des
Mutiles et Invalides de Guerre 1940-1945 in ihrer Festschrift
zur Fahnenweihe im Jahr 1959 (S. 65-71)
als auch von der Zeitschrift „Les Sacrifies" unter
dem Titel,.Opfergang in Sonnenburg"
(Nr. 3-4, mars-avril 1962, S. 8, 9, 13 + 16)
übernommen.
(554) Akte Sonnenburg des Commissariat au Rapatriement
|